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homwico


Premium (Complete), Coburg

730 Wunderwaffen

Über das Treppenhaus im Herzoginbau erreicht man ein Stockwerk höher im zweiten Stock die Rüstkammer. Neben Stangenwaffen und vielen Harnische aus dem Dreißigjährigen Krieg findet man dort den Harnisch eines Hofzwergs, eine Kriegskasse und auch Geschütze. Besonders auffällig dabei die „Emma“, eine Kanone mit 49 Schussröhren. Man könnte sie auch als frühen Vorläufer der „Stalin-Orgeln“ bezeichnen.

Hier das Orgelgeschütz mit 49 Rohren in 7 Reihen mit je sieben Rohren, das als „Emma“ bezeichnet wird. Das Rohrbündel im Inneren wird durch ein Spannband, das mittig um den Block geführt ist und durch zwei geschmiedete Rahmen, einmal im Mündungsbereich (hier sichtbar) und am Stoßboden am unteren Ende des Geschützes, stabilisiert. Mittels einer Zündrinne sind je sieben Zündlöcher in einer horizontalen Reihe miteinander verbunden. Damit das Geschütz flexibel einsetzbar und schnell zu bewegen war, setzte man es auf eine hölzerne Lafette. Damit gewährleistete man, dass das Geschütz rasch an der notwendigen Gefechtsstation einsatzbereit war,
denn mit einem Gewicht von 500 Kilogramm (nur der Block) war die Waffe ohne Hilfsmittel nur schwer zu transportieren. „Emma“ ist mit einem Kaliber von 17,7 bis 18,6 mm im Inventar der Veste Coburg des Jahres 1634 aufgeführt, sie kam also während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zum Einsatz.
Die Waffe ist ein schönes Beispiel für die frühen Entwicklungsversuche der Feuerwaffen. Bis zurück in das 15. Jahrhundert findet man Belege über das menschliche Bemühen, in Schlachten in den entscheidenden Augenblicken mit Hilfe dieser gesteigerten Feuerkraft das Blatt zu Gunsten der richtigen Partei zu wenden. Man kannte solche Orgeln mit einer Bestückung von bis zu 64 Rohren, die von einer einzigen, oder auch von mehreren Personen gezündet werden konnten. Teilweise als Hinterlader ausgelegt, war jedoch das Laden des Geschützes sehr zeitaufwändig, weshalb diese Waffengattung der damaligen Zeit heute zwar handwerklich recht repräsentativ daherkommt, von der militärischen Bedeutung, und dazu zählt auch das Coburger Exemplar, jedoch ohne große Bedeutung war.
Unverkennbar ist aber die Tatsache, dass sie gedanklich der grundlegende Anstoß für die technische Weiterentwicklung dieser Orgeln waren, was sich heute mit der bekannten „Stalinorgel“ oder auch mit den Prinzipien der heutigen modernen Mehrfach-Raketenwerfer der Artillerie, wie der russischen „Wunderwaffe“ dem TOS 1 Raketenwerfer, oder das vom US-amerikanischen Rüstungskonzern Lockheed Martin entwickelte HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) M142 System, zeigt.
Traurige Berühmtheit erlangen diese „Hochpräzisionswaffen“ gerade in der militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine. Leidtragende sind die Frauen, die Kinder, die Zivilbevölkerung. Es existieren hierzu viele Meinungen. Wir haben es über Jahrhunderte hinweg nicht geschafft, uns von dem trügerischen Sicherheitsdenken, dass man sich nur bewaffnet wehren kann, loszusagen. Das ist Fakt. Und unabhängig welchem Lager man anhängt: „Und wer Dich schlägt auf eine Backe, dem biete auch die andere dar“ (Lukas, Kapitel 6, Vers 29) oder „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Matthäus 5:38, auch in der Lutherbibel 1912) - wer glaubt, hier recht zu haben, der werfe den ersten Stein……

Aufgenommen in den Museumsräumen der Kunstsammlungen der Veste Coburg im Herzoginbau in der Rüstkammer im 2. Obergeschoss.

Vielen Dank an die Kunstsammlungen der Veste Coburg für den positiven Bescheid, die Bilder an dieser Stelle in der Fotocommunity zeigen zu dürfen.
Für Interessenten eines Museumsbesuchs, der wirklich lohnenswert ist, ein Link der ausführlich über das museale Geschehen der Kunstsammlungen der Veste Coburg informiert:

https://veste.kunstsammlungen-coburg.de/


Kommentare 22

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  • Eifelpixel 17. August 2022, 6:20

    Sehe ich zum ersten mal.
    Bei Waffen war der Mensch im kreativer als bei Friedensgesprächen
    Gut gesehen und fotografiert Joachim.
  • André Reinders 13. August 2022, 17:46

    Sehr klasse von Dir fotografiert! Evtl. den Schnitt oben noch tiefer ansetzen?
    LGAndré
  • B.Schalke 12. August 2022, 22:46

    Sowas sieht man auch nicht alle Tage sehr gut fotografiert 
    VG Biggi
  • ugraf61 12. August 2022, 18:41

    interessantes Geschütz in Bild und Text
    Gruß Uwe
  • mheyden 12. August 2022, 16:46

    Sehr gut dokumentiert in Wort und Bild!
  • Matteo70 12. August 2022, 15:13

    Unglaublich was es damals schön gab. LG, Matteo70
  • Burkhard Jährling 12. August 2022, 13:06

    Was es damals schon so alles gab ...
    VG Burkhard
  • aposab1958 12. August 2022, 11:32

    ein Photo, das nachdenklich stimmt.. so viele Waffen egal zu welchen Zeiten und immer leiden Menschen egal wie und wo.. 
    Frieden wäre möglich und ist auch erstrebenswert
    LG Sabine
  • Matolusch 12. August 2022, 10:12

    Da gerieten sie wohl schnell ins schwärmen ... (die Kriegsherrn, wie auch ihre Kugeln). Aber doch recht unhandlich!
  • UliF 12. August 2022, 9:51

    der Mehrfachwerfer dazumals
    LG Uli
  • Wilfried Pflüger 12. August 2022, 2:12

    Gutes Bild mit informativem Begleittext
    VG Wilfried
  • Günter7 11. August 2022, 21:53

    Männerspielzeug.....:-)))
    Sauber von dir abgelichtet.
    LG Günter
  • anne47 11. August 2022, 21:40

    Die Assoziation zur Stalinorgel hatte ich auch gleich. Was die Bereitschaft zum Frieden anbelangt, so sind wir Menschen anscheinend irgendwo noch im Urwalddenken stecken geblieben. Wir sehen uns gerne als Homo sapiens sapiens, zerstören aber unsere Umwelt und auch unsere nächsten Nachbarn, anstatt gemeinsam die großen Probleme dieser Welt zu lösen. Das ist nicht wirklich weise
    LG Anne
  • Vitória Castelo Santos 11. August 2022, 18:48

    Gut von Dir fotografiert. Ich mag sehr!!
    LG Vitoria
  • Jürgen Hanke 11. August 2022, 17:35

    Bereits Leonardo da Vinci erfand im 15. Jahrhundert ähnliche Orgelgeschütze. Das Exemplar auf deinem Foto erinnert eher an die französische Mitrailleuse des 19. Jahrhunderts. All diese Waffen bewährten sich nicht, hatten aber eine durchaus verständliche psychologische Wirkung auf den Angreifer.
    Den Hinweis auf den Ukrainekonflikt halte ich für überflüssig und tendenziös. Die heutigen so genannten "Hochpräzisionswaffen" wurden und werden in allen Kriegen der Neuzeit eingesetzt. Und hier waren es vor allem die U.S.A., die mit derartigen Systemen Millionen von Zivilisten töteten (Hiroshima, Nagasaki, Vietnam, Kambodscha, Ex-Jugoslavien, Irak, Afghanistan, etc., etc.).

    Gruß
    Jürgen