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Günter Roland


Premium (World), Schwelm

Das Traumgesicht

In Kalkar, dem nieder-rheinischen Städtchen, gibt es die Überlieferung, Meister Jan Joest, genannt Jan van Kalkar, der Schöpfer der berühmten Tafeln des Hochaltares, sei ein gar leichtfertiger und leichtlebiger Künstler gewesen.

Seine Verschwendungssucht habe ihn so weit gebracht, dass er der Bäckersfrau die Brötchen, die jeden Morgen geliefert wurden, trotz häufiger Mahnungen seit langer Zeit schuldig geblieben, so dass diese ihn kurzerhand pfänden ließ. Das habe den berühmten Künstler derart gewurmt, dass er in heller Empörung jene Frau, wie sie lebte und leibte, in die Zuschauermenge auf der Altartafel des Hochaltars hineinmalte.

Beleidigt und empört, verklagte die Bäckersfrau den Maler bei den Kalkarer Schöffen, die in einer Gerichtsverhandlung den Meister Jan Joest auf das Verwerfliche seiner Handlungsweise hinweisend, fragten, wie er dazu komme, eine angesehene Bürgerin in einer solchen Weise vor der ganzen Stadt bloßzustellen.
Der Künstler erklärte, so sei ihm im Traumgesicht die Frau des Pilatus erschienen, und er habe also nach dem Willen des Himmels gemalt. Was wollten die Schöffen anders tun, als Jan Joest freisprechen!

Und so steht nun seit fünfhundert Jahren mit der „Knippmütz“ und einem neugierigen Gesicht die Bäckersfrau auf dem Altarbild „Jesus vor Pilatus“.

Fotografiert in der römisch-katholischen Kirche St. Nicolai zu Kalkar am Niederrhein
mit Panasonic Lumix FZ 1000.

Ein Beitrag zum heutigen Thema: „Wie Dazumal“ .

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