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Roststab


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Ewald F

Das ist nicht der Name einer bekannten Persönlichkeit sondern die Abkürzung für Ewald Fortsetzung. Mit dem Namen Fortsetzung bezeichnete man ursprünglich eine Schachtanlage die auf einem anderen Feldesteil einer Bergwerksgesellschaft errichtet worden ist. Die Zechen Ewald in Suderwich und Ewald Fortsetzung in Oer-Erkenschwich (Oer wird wie Ohr gesprochen!) gehörten somit zu einer Gesellschaft hatten aber doch weit auseinanderliegende Anlagen. Im Winter 1986 veranstaltete unser Museum mit der ortsansässigen Tageszeitung einige Fahrten zwischen diesen beiden Anlagen ausgerechnet am Nikolausabend. Übrigens die Geodaten zeigen, wo die Zeche Ewald lag und wie es dort heute aussieht.

Nikolausfahrten sind allgemein beliebt, sowohl bei Fahrgästen als auch beim Personal. Besonders schön wird es, wenn eine solche Nikolausfahrt bei Dämmerlicht mit Glühwein und Spekulatius stattfinden kann.

Es begab sich, dass der Museumszug weit entfernt von seiner Heimat an einem Nikolauswochenende zum Einsatz kam. Seit den frühen Morgenstunden war der Zug schon im Betrieb. Die Kilometer und Tonnen waren nicht übermäßig, aber es läpperte sich. Die letzte Fahrt sollte der Höhepunkt des Tages werden. Eine Fahrt mit Glühwein und Spekulatius in die Abenddämmerung.

Noch einmal wurde gebunkert: Spekulatius und Glühwein für die Fahrgäste, Kohle und Wasser für die Lok. Es war schon empfindlich kalt geworden, als es endlich losging. Den wenigsten Außenstehenden ist es bekannt, wie gemein kalt es auf einer Dampflok sein kann. Der Fahrtwind dringt durch alle Ritzen, und wenn man vom Arbeiten ins Schwitzen gekommen ist, macht sich die Kälte doppelt unangenehm bemerkbar. Das Lokpersonal freute sich daher auf den Feierabend und die heiße Dusche.

Aber nach wenigen Kilometern begann der Druck im Kessel deutlich zu fallen. Ein Blick in die Feuerkiste ließ Schlimmes ahnen: blaue Flammen. Ein untrügliches Zeichen für eine unvollständige Verbrennung. Der Rost sitzt zu, durch die Spalten gelangt zu wenig Sauerstoff, und es entsteht das giftige Kohlenmonoxid, das durch die Oberluft mit blauer Flamme verbrennt. Um noch etwas Dampf zu sparen, wurde die Zugheizung nur noch sporadisch benutzt. Böse Zungen behaupteten, der Umsatz von Glühwein soll dadurch sprunghaft angestiegen sein. Durch das Absenken des Kipprostes hatte sich der Heizer bis zum Wendepunkt der Strecke gerettet. Aber jetzt half alles nichts. Das Feuer musste geputzt werden. Die noch verbliebene Glut wurde an die Wände der Feuerbüchse verteilt und mit dem Schlackestoßer die Rostspalten freigeklopft. So einen zähflüssigen Brei hatte der Heizer auch noch nicht erlebt. Fast zwanzig Minuten arbeitete er gemeinsam mit dem Lokführer, um den Rost frei zu bekommen. Die ersten Fahrgäste zeigten einen Anflug von Ungeduld. Es dauerte alles so lange, und es wurde auch immer kälter. Da half nur noch Glühwein. Ein älterer Herr meinte: ”Gleich kommt der Nikolaus, wenn ich nicht pünktlich daheim bin, krieg ich kein Geschenk mehr ab!” Alles lachte. Nur nicht das Lokpersonal.

Doch auch diese Wartezeit ging zu Ende und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Es dauerte keine zehn Minuten, da fiel erneut der Kesseldruck. Diesmal so stark, dass auch die Luftpumpe stehen blieb. Vorsorglich hielt der Lokführer an. So schnell kann doch kein Rost verschlacken. War er aber. Der Brei war so was von zäh und dick. Noch einmal musste die Lokmannschaft den Rost freibekommen. Diesmal dauerte es aber noch länger, fast fünfundvierzig Minuten. Die meisten Fahrgäste haben das gar nicht richtig registriert. Sie sprachen eifrig dem Glühwein zu. Bei der Ankunft mit immerhin anderthalb Stunden Verspätung sagte der ältere Herr: ”Jetzt brauch der Nitroklaus au nich mehr zzzu kommen.” Sein Gesicht war hochrot, aber seine Stimme klang nicht besonders zornig.

Wie aber kam es zu dieser schlimmen Verschlackung? Am nächsten Morgen, als die Lokomotive erneut bekohlt wurde, sah man, dass zwischen den Kohlestücken auch erhebliche Mengen an Schlacke und Asche war. Beim Bekohlen in der Dämmerung und auf der dunklen Lok ist das nicht aufgefallen. Jetzt am Tage war die Bescherung deutlich zu sehen. Die verunreinigte Partie wurde beiseite geschaufelt und nur noch saubere Kohle gebunkert. Wie Asche und Schlacke zur Kohle gelangten, ist bis heute ungeklärt.

Scan aus Video

Kommentare 4

  • Ralf Göhl 2. April 2018, 16:21

    Oh die kleene und eine schöne Geschichte dazu Heiz. :-)
    Grüße aus MR,
    Ralf
  • makna 29. März 2018, 9:19

    Die Geschichte ist schon stark ... da würde ich auch dem Hochprozentigen zusprechen !!!
    Und so passt das Bild in seiner Rauschhaftigkeit sehr gut zur Story mit dem Malheur ... ;-9
    ... was ich ernst meine: Sehr gut illustrierte Geschichte !!!
    BG Manfred
  • Alex Grimmer 28. März 2018, 23:56

    Hallo Heinz,

    Na das ist ja mal eine Story! Und dazu eine, die kein Heizer erleben will. Wir hatten das Wochenende dadurch das wir viel Standen zwangsläufig auch mit einer nicht unerheblichen menge und teils nicht kleinen Schlackeschicht zu kämpfen. Und so musste der Rost immer und immer wieder gesäubert werden. Es ist genau so wovon du dort berichtest, es ist Kalt/Frisch und dann ist man Durchgeschwitzt. Da Hilft nur eine gute, windfeste Arbeitsjacke das man danach sich nichts weg holt. Noch besser, wenn man die möglichkeit hat, etwas Trockenes an zu ziehen.

    Aber es ist erstaunlich und wirft warlich die Frage auf, wie kam es dazu das die Kohle derart verunreinigt war?

    Gruß Alex