Brigitte Specht


kostenloses Benutzerkonto, Berlin

Wie Dazumal

Ehemaliges " Ledigenheim " !

( Wegen einer Baustelle davor war mir kein besseres Foto möglich aber ich fand die Geschichte dazu sehr interessant ! )


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Für Interessierte:

Ehemaliges Ledigenheim
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Am 1. April 1908 wurde in der Danckelmannstr. 46-47 in Berlin-Charlottenburg das erste deutsche Arbeiterwohnheim eröffnet, das seinen Bewohnern anstelle der bislang üblichen Unterbringung in kargen Schlafsälen den Luxus von Einzelzimmern bot.
Der Architekt, der Charlottenburger Stadtbaurat Rudolf Walter, baute ein “Unterkunftshaus in erster Linie für unverheiratete junge Männer, die sonst auf Schlafstellen angewiesen sind, Männer mit bescheidenem Einkommen, doch immer im Vollbesitz ihrer Kräfte und daher erwerbsfähig.” So hieß es damals in einer Beschreibung.
Mit diesem “Hotel” für Arbeiter, Angestellte und Handwerker machte die wohlhabende Bürgerstadt Charlottenburg den Versuch, dem gefürchteten “Übelstand” des sogenannten Schlafgängerwesens exemplarisch entgegenzutreten.
Allein in Charlottenburg gab es zu dieser Zeit rund 8000 Schlafburschen, meist jüngere Arbeiter, die wegen der immensen Wohnungsnot und ihres geringen Einkommens nur Bettstellen als Übernachtungsmöglichkeit anmieten konnten.
Von bürgerlichen Reformern wurden die Schlafgänger verantwortlich gemacht für die verheerende Überbelegung vieler Arbeiterwohnungen und für die Zerstörung der Familie. Ihnen wurden Gewaltverbrechen, Unmoral und vor allem die Verführung von Ehefrau und Kindern der abwesenden Vermieter vorgeworfen.
Das Charlottenburger Ledigenheim hatte Modellcharakter als Versuch, diesen beklagten Übelstand zu beheben.
Geboten wurde hier ein hotelähnlicher Komfort und Service.
In dem Bau waren unter anderem auch eine Volksbücherei, eine Volksbadeanstalt und eine Volksspeisehalle untergebracht, außerdem drei Geschäfte, die zur Rentabilität beitragen sollten. Träger des Heims war die 1905 gegründete “Volkshotel AG Ledigenheim”.
Von ihren 41 Aktionären gehörten 22 dem Charlottenburger Magistrat bzw. der Stadtverordnetenversammlung an.
Bis zu 370 Männer lebten in den bescheidenen, 6 qm großen Einzelzimmern des Wohnheims.
Wegen des rigorosen Zutrittsverbots für Frauen wurde es in der Nachbarschaft “Bullenkloster” genannt. Entgegen vieler Besorgnisse war der Ruf des Heimes solide und gut.
Sogar ökonomisch wurde der Heimbetrieb zum Erfolg. In der Weimarer Republik kam es allerdings zu heftigen Mieterunruhen.
Im Sommer 1930 protestierten die Mieter gegen die rigide Hausordnung und gegen den inzwischen schlechten baulichen Zustand des Hauses.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war das Ledigenheim voll besetzt, geriet aber schnell in den Ruf einer ausgesprochenen Notunterkunft. Es gab immer mehr Spannungen und latente Aggressionen. Als Ende der 60er Jahre die Wohnungsnot beendet war, standen immer mehr Zimmer leer.
1971 löste sich die Aktiengesellschaft auf und verkaufte das Heim an die Gewobag, die das Haus 1973 schloss und es von 1977 bis 1979 umbaute.
Die Außenfassade wurde originalgetreu rekonstruiert und saniert.
Heute ist das Haus ein Studentenwohnheim mit 154 Einzelzimmern.

( aus Berlin.de )


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Kommentare 37

  • Marina Luise 23. April 2021, 21:48

    Danke für die sehr gute Info zu deinem Foto - eine hübsche Fassade - heute würde man sich da nicht mehr solche Mühe geben! Leider!
  • hainke hannelore 20. April 2021, 17:44

    Ich hatte erst an ledige Frauen gedacht, aber es geht doch um ledige Männer ( Arbeiter).
    Grüße Hannelore
  • Lothar W. 20. April 2021, 14:05

    Die Gestaltung der Hausfassade gefällt mir sehr gut und dein Begleittext ist sehr interessant!!!
    Liebe Grüße - Lothar
  • Kerstin Kühn 20. April 2021, 8:55

    eine sehr interessante Geschichte zu dem Bild .... find ich sehens-und lesenswert
  • Ingeborg 20. April 2021, 2:36

    Auch die Kolpinghäuser waren dazumal zeitweise Wohnstätten für "ledige Männer" und Gesellen auf Wanderschaft.
    "Frauenzimmer" wohnten als Dienstmädchen dagegen in kleinen Dachkämmerlein ihrer "Herrschaft".
    So sagt auch heute noch die Architektur und Zweckbestimmung viel über Lebensbedingungen aus.
    interessierte Grüße, Ingeborg
  • Gudrun Wilhelm 19. April 2021, 23:54

    Gab es sogar bei uns im Dorf, etwas kleiner und nicht so schön wie dies.
    LG Gudrun
  • Manfred Hentschke 19. April 2021, 22:37

    Ich glaube die gab es in jeder größeren Stadt.
    Gruß Manfred
  • Irene und Nadine 19. April 2021, 21:30

    Eine tolle Aufnahme mit sehr schöner Info dazu!
    LG Irene und Nadine
  • Rüdiger Kautz 19. April 2021, 20:56

    Trotz ungünstiger Aufnahmeumstände, kann man lesen was das Gebäude für Aufgaben hatte und hat.
    Der Text ist mir zu viel, meist reicht für Interessierte!!! die Angabe der Informationsquelle.
    Gruß Rüdiger
  • hansa5044 19. April 2021, 20:18

    Sehr interessant! Deine Aufnahme lässt etwas vom damaligen Bau erahnen und dein Begleittext ist ausgesprochen informativ. LG Hansa
    Hier mein Beitrag zum Wie Dazumal:
    Spielzeug von dazumal (4)
    Spielzeug von dazumal (4)
    hansa5044
  • Arthur Baumgartner 19. April 2021, 18:55

    Eine sehr interessante Geschichte hast du zu dieser Aufnahme angefügt. Gut können sie in der Gegenwart von Studenten genutzt werden, denn bezahlbare Unterkünfte sind in Städten (...auch in der Schweiz) rar und fast unbezahlbar.
    LG Arthur
  • Herakles.56 19. April 2021, 18:53

    Dennoch gut gelungen die Aufnahme, sehr passend zum Thementag.
    Dazu ein sehr lehrreicher und informativer Beschrieb.
    LG Herakles.56
  • Diana V. P. 19. April 2021, 18:48

    Eine großartige Dokumentation... lieben Dank für die Info dazu!!
    Herzliche Grüße
    Diana
  • Wolfgang Weninger 19. April 2021, 18:09

    so ein Heim gab es auch mal bei uns, aber es wurde mittlerweile umbenannt, weil sich wohl jemand dadurch belästigt fühlte
    Servus, Wolfgang
  • Margot D. 19. April 2021, 17:31

    Ein super Beitrag zum Thementag.
    LGM