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.... im Zwist gefangen ....

.... im Zwist gefangen ....

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Neydhart von Gmunden


Premium (Basic), Hamburg

.... im Zwist gefangen ....

Es war schon eigenartig, was ich da erlebte und ich war der Einzige,
der dies erlebte; vielleicht deswegen, weil ich mich in eine Ecke ver-
borgen hatte, die im Dunkeln lag, nicht einsehbar.

Schon beim Eintritt dieses mir unbekannten Herren spürte ich diese
Energie, diese Aura, dieses Besondere. Es überwältigte mich und ich
wich zurück, in diese dunkle Ecke, fasziniert, ängstlich, flüchtend.
Er schritt behäbig zu diesem Bild, einem Meisterwerk, wie ich wußte.
Ich konnte sein Gesicht kaum erkennen. Er schaute eher beiläufig auf
dieses Bild, dem er sich eher distanziert näherte, wie wenn er nicht
wollte, aber irgendwie gezwungen war es zu betrachten. Er grummelte
vor sich hin. Mir kamen Gedanken wie: mürrischer alter Mann, Hagestolz
oder Grisgram ein. Alles schien zu passen.
Und dann, ich traute meinen Augen, meinen Sinnen nicht, da trat er
aus sich heraus und zwei alte grimmige Männer standen sich Stirn an
Stirn gegenüber und es schien nur eine Frage von Sekunden, wann der
eine den anderen mit seinem Stock maltretieren würde.
Beide schnauften. Dann sprachen sie miteinander, zuerst leise, dann
immer lauter. Aber ich konnte ihre Sprache, ihre Worte nicht verstehen.
Es schien mir aber, dass sie miteinander stritten; es mußte sich wohl
um dieses Bild drehen. Möglicherweise waren „sie“ die Urheber, die
Maler dieses Bildes. Ein Maler, im Hader, im Zwist mit sich selber über
sein Werk, dachte ich bei mir. Plötzlich hörte ich Schritte, die auf diesen
kleinen Raum zukamen. Der Maler wurde rasch wieder eins mit sich
und schlurfte mürrisch in seinem Gesichtsausdruck aus dem Raum.
Ich spürte, wie eine Schwere von mir wich und ich konnte mich aus mei-
ner Ecke lösen, geardezu befreien. Ich fühlte, ich müsse diesem Mann
folgen. Als auch ich aus diesem Raum trat, war der Mann wie vom Erd-
boden verschluckt. Das kann nicht sein, dachte ich irritiert verwundert.
Aber es war so; er war verschwunden.

Möge die Macht mit Euch sein !

Kommentare 24

  • Anke Gehlhaar 22. Mai 2020, 10:50

    Der Zwist hier ist doch offensichtlich sichtbar genau zwischen beiden Köpfen, da ist unterhalb des Gesichts die weltliche Krone, Diamanten besetzt, über dem Haupt, sehr angemessen der Altar oder die göttliche Krone. Der ewige Konflikt zwischen weltlichem Sein und Geistigen tut sich hier auf. Und da er ein so bedeutender Mann ist, möchte er Beides.
  • Ulrich Ruess 15. Mai 2020, 17:49

    Aufgrund der erkennbaren Gleichheit wird auch der möglicherweise erfolgende Schlagabtausch mit den Gehhilfen unentschieden enden und das bis zum Jüngsten Gericht. Da vor der Gerichtsverhandlung sich auf Grund des eben Gesagten kein Zeitfenster für eine polizeiliche Ermittlung auftut, steht das Richterkollegium mangels Tatbestandsfeststellung durch ein amtliches Organ vor einem gewissen Dilemma. Nach unserer Rechtsordnung würde das zu erwartende Urteil nicht revisionsfest sein.
    LG Ulrich
    • Neydhart von Gmunden 16. Mai 2020, 9:57

      Lieber Ulrich,
      perfekt abgewogen, fein gesprochen und geurteilt ! 
      Was nun noch bleibt, ist der Freitod aus diesem Dilemma;
      alternativ: ein längerer Aufenthalt in einer Psychiatrie ... :)
      Lieber Morgengruß,
      Neydhart
  • Yuri ARTWORK 15. Mai 2020, 16:56

    Ein Portal in eine andere Welt, Paralleluniversum ??
    Möglich ist alles. 
    Die Interpretationsmöglichkeiten sind vielfältig. ++

    LG Yuri
  • peju 15. Mai 2020, 15:55

    Wobei... war der Spiegel nicht mal ein Hort der guten Journalisterei?
    Hier wirkt es so, als würde der Mensch quasi darin verschwinden...und nach Art des Spiegelkabinetts niemals wieder dort herausfinden.
    So wie es in der Philosophie vielleicht immer ist.
    Einmal über ALLES nachdenken...und man ist verloren.
    Es bleibt schwierig
    Peter
    • Neydhart von Gmunden 16. Mai 2020, 9:54

      Nun, man muß nicht den Spiegel und seinen Niedergang be-
      trachten und den Willen, endlich wieder an alte Zeiten anzu-
      knüpfen ....
      Tatsächlich geht es hier im Bild auch um den Aspekt, in sich
      und mit sich gefangen zu sein. Die dunkle und die helle Seite
      kämpfen einen stetigen Kampf um die Führerschaft im Den-
      ken und Handeln. Gerade Künstler haben ja diesen Zwiespalt,
      diesen inneren Konflikt ständig auszuhalten. Waren es früher
      die Maler, so sind es heute mehr die Schauspieler, die mit
      sich kämpfen, bis zum Freitod.
      Dazu gehört auch, das "Schwierige" immer in die jeweilige
      neue Situation zu transferieren, lieber Peter, einem rettenden
      Strohhalm gleich, an dem man sich immerfort klammern kann,
      um seine gefühlte Situation zu bewahren.
      Morgengruß nach Köln,
      Neydhart
  • Runzelkorn 15. Mai 2020, 15:44

    Es war wohl das doppelte Gottchen der Kunst. Das taucht immer mal wieder grummelnd auf, um der Menschheit ihre oftmals überflüssige Schaffenskraft näher zu bringen. Weil aber einer von ihnen stets in Spiegelschrift redet, fühlen sich beide mit Recht unverstanden. Und so machen sie sich immer wieder frustiert aus dem Staub!
  • E. W. R. 15. Mai 2020, 12:43

    Wie man in den Spiegel hineinschaut, so schaut man heraus. Nachdem jetzt auch Rolf Hochhuth gestorben ist, herscht akuter Mangel an streitbaren alten Herren.
  • -ansichtssache- 15. Mai 2020, 12:41

    Erstaunlich und beneidenswert, was für eine Kreativität in Wort und Bild die Betrachtung der Kunst und seiner Betrachter in dir hervorruft. Eine starke Impression, die auch beim Betrachter wiederum viele Gedankengänge zulässt........nur nicht jeder kann es so gut in Worte fassen wie du ;-)
    LG Danny
    • Neydhart von Gmunden 16. Mai 2020, 9:41

      Liebe Danny,
      danke für die Blumen; jetzt weiß ich auch, warum Du in
      letzter Zeit die Blumenwiesen besucht hattest .... :))
      Tatsächlich wollte ich irgendwann Schriftsteller, eher 
      Kabarettist werden, zuletzt eher so eine Art Aktionskünstler,
      weil mir das mehr liegt. Aber ich habs halt nur bis in die
      "fc" geschafft und jetzt .... schaffe .... ich euch .... alle ..... !
      Mogengrüße, Neydhart

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