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Leben mit dem Braunkohletagebau: Sieben Todsünden? Ist doch legal.

Leben mit dem Braunkohletagebau: Sieben Todsünden? Ist doch legal.

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Franz-Josef Wirtz


Premium (Pro), Düsseldorf

Leben mit dem Braunkohletagebau: Sieben Todsünden? Ist doch legal.

Der großflächige Raubbau an den natürlichen, erschöpflichen Ressourcen ist sicher von mehreren, wenn nicht allen menschlichen Schwächen getrieben. Der Braunkohletagebau ist ein eklatantes Beispiel dafür. Im Rheinischen Braunkohlerevier wird in wenigen Jahrzehnten ein Braunkohlevorkommen ausgebeutet, indem großflächig Kulturland abgetragen wird, mitsamt seinen jahrhundertealten Dörfern und Bewohnern. Zusätzlich muss eine weit über die Grenzen des Abbaus reichende Region vollständig durch sogenannte Sümpfung ausgetrocknet werden, damit die Schaufelradbagger nicht in den bis zu 470m tiefen Gruben ins Schwimmen geraten. Die Folgen bei diesem Ausmaß sind unabsehbar.

/Stolz/, weil hier etwas auf Biegen und Brechen durchgezogen wird, weil es technisch machbar ist und der Größenwahn voll und ganz ausgelebt werden kann.

/Habsucht/, weil hier ein System aus Ängsten, Sachzwängen, Gesetzen und Unzuständigkeiten installiert wurde, das praktisch unangreifbar wurde und einen beständigen Geldregen für die Aktionäre verspricht.

/Neid/ auf die, die vielleicht einfach mehr Einsicht gewonnen haben und dem Tagebau ihren Widerstand entgegen setzen und Alternativen, die von nachhaltigem Wirtschaften geprägt sind fordern.

/Zorn/ auf die, die den Betreibern etwa böse Absichten oder schlicht menschliche Schwächen unterstellen.

/Wollust/ bei der Macht, Dörfer wie Spielzeug von der Landkarte wischen zu können und Menschen zappeln lassen und schließlich gegen ihren Willen oder mit gebrochenem Willen vertreiben zu können.

/Unmäßigkeit/, weil die Tagebaue der heutigen Dimensionen in der dicht besiedelten Region der Köln-Bonner Bucht einfach nicht mehr machbar sein dürften, da sie viel zu viel wertvollen Ackerboden und natürlich Dörfer und Höfe als Opfer fordern und die Sümpfung unabsehbare Folgen beschert.

/Trägheit/ des technokratischen Apparates, der sich selbst gegenüber Kritiken auf internationaler Ebene völlig unbeeindruckt gibt und sich nicht Fehler eingestehen und endlich korrigieren kann.

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Das Foto entstand Anfang diesen Jahres im rheinischen Ort Otzenrath, der momentan Haus für Haus für den Tagebau Garzweiler II eingeebnet wird, um später einem 48 Quadratkilometer großen bis zu 180m tiefen Loch zu weichen. Ca. 8000 Menschen wird allein durch diesen Tagebau ihre Heimat genommen.

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Mehr zum Thema im fotohome-Ordner.

Ein betroffenes Dorf:

http://www.otzenrath.de/

Satellitenbild von Otzenrath-Spenrath und dem Tagebau Garzweiler:
http://maps.google.com/maps?ll=51.069125,6.493607&spn=0.055644,0.088715&t=k&hl=en

Zur Karte der Tagebaue und Tagebaufolgeflächen im Rheinischen Braunkohlerevier:

http://www.braunkohle.de/zahlen/folien/grafik18.pdf

http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/energie/kohleland_nrw/wirtschaft/zahlen_fakten/fakten_braunkohle.jhtml

Pro:
http://www.braunkohle.de/

Contra:
http://www.bund-nrw.de/braunkohle.htm

Auswege:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/2/0,3672,2012514,00.html

Gerade passend:

Kommentare 7

  • Back to live 24. Juni 2005, 17:51

    Da hast Du sicher recht. Danke für die Quellenangaben.

    Praktisch jeder (!) der sich hier tummelt, hat mindestens einen Computer und einen Monitor, wenn schon keine Waschmaschine, Herd, Mikrowelle, Fernseher, Fön, Wäschetrockner, usw...
    Nun verbrauchen die Rechner aber heute immense Mengen an Energie und selbst das heruntersetzen der Kernspannung der Prozessoren hat keine allzu signifikante Stromeinsparung gebracht. Zu Deutsch: Jede darauffolgende, leistungsfähigere CPU verbrät automatisch auch mehr Strom, dito GPU in den Grafikkarten.

    Das heisst, jeder (!) user trägt zum Energieverbrauch bei. Regenerative Energiegewinnung muss entweder effektiver werden, oder der Takt-Wettbewerb muss versiegen, damit Energieverbraucher nicht zu viel verbrauchen. Überleg nur, was mit Strom alles gemacht wird.

    Aluminiumherstellung: Zehntausende Ampere jedenTag über Stunden verbraten. In nur einer Schmelze.
    Walzwerke für Bleche: Hunderte Ampere auf Dauer.
    Fertigungsroboter in der AutoIndustrie: Zig Ampere
    Elektroschweissen: Wahrscheinlich jeden Tag Millionen Ampere über Stunden über ganz Deutschland.

    Du müsstest auf vieles verzichten, ohne unseren groben Verbrauch. Also ...
    Dann wäre es ein Primärziel, die Effektivität von Anlagen für die regenerativen Energieerzeugungen extrem zu erhöhen, richtig?

    Bis dahin bleibt uns immer noch die Forschung an der kalten Fusion. Man darf dabei nicht vergessen, das Du mit einer Tonne Wasser Europa monatelang mit Strom versorgen könntest. Bei den ca. 1000 Trillionen Litern Wasser auf unserem Planeten ein geringer Preis, nicht?

    Gruß, Michael. :-)
  • Franz-Josef Wirtz 23. Juni 2005, 1:36

    Andernorts lässt sich viel Kontroverses und Fundierteres dazu lesen und schreiben.

    Das Problem der nicht regenerativen Energien ist, dass deren Gewinnung mit zunehmender Erschöpfung mehr und mehr ganz automagisch zum Luxus wird. Dann wird mal wieder eben ein nicht minder luxuriöser Krieg schon beinahe aus Gewohnheit geführt... Wer sich's leisten kann... Ist sicherlich die spannendere Alternative ;-)

    --- zufällig gerade gelesen:
    "Wärmespender und Arbeitgeber -
    Solartechnik in Deutschland weiter auf dem Vormarsch" über die Freiburger Fachmesse "Intersolar"
    http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/0,3672,2325994,00.html
  • Back to live 22. Juni 2005, 20:06

    Gut, das Du eine andere Meinung hast, Konformität ist der Tod der Idee!

    Das Problem bei den regenerativen Energien ist, das die Produktion einfach zu teuer ist. Die heutigen Solarzellen kriegen noch nicht das Leistungspotenzial zusammen, das nötig wäre, unseren gewohnten Luxus aufrecht zu erhalten. Man darf dabei nicht vergessen, das die Solarzellen auch gewartet werden müssen und nicht ewig halten. Dadurch kommt der Strom letzten Endes teurer. Wer sichs leisten kann ... warum nicht?

    Allerdings haben die meisten Leute kein Geld mehr und fast alles, was regenerativ ist, ist mit enormen Wartungskosten verbunden. Dito Windräder. Bleiben Gezeitenkraftwerke, Wasserkraftwerke und für die Computerbesitzer: Atomkraftwerke! ;-)

    Gruß, Michael. :-)
  • Franz-Josef Wirtz 20. Juni 2005, 15:12

    @(Michael) Dazu habe ich eine ziemlich andere Meinung. Auch nicht die noch schmutzigere und noch mehr Kapital bindende Fusionstechnologie wird ein Ausweg sein. Darauf zu warten ist vertane Zeit. Aber das Vertagen auf die Zukunft ist ja traditionell und einfacher als jetzt zu handeln, siehe Todsünde "Trägheit". Ich plädiere da für die Nutzung dessen, was uns der große gelbe Fusionsreaktor in der sicheren Entfernung von 8 Lichtminuten Entfernung herüber schickt.
  • Back to live 19. Juni 2005, 13:38

    Braunkohle verpestet die Luft, Atomenergie ist momentan die sauberste Energie, die wir haben. Leider sieht man immer wieder, das die Zweitstaaten nicht damit umgehen können (Temelin). Aber die eigenen, sicheren (Personal, Umgang) Atommeiler sollen abgebaut werden. Statt dessen gehen wir immer mehr auf Strom aus dem Ausland. Traurig.

    Windstrom wäre unbezahlbar, wenn nicht immer mit Atomstrom nachgespeist würde. Man kanns drehen oder wenden wie mans will - Wir kommen momentan um den Atomstrom nicht rum. Zeit, an der Fusionstechnologie zu arbeiten. Dann können wir vielleicht endlich mal die Kohlesünden abbauen.
  • Franz-Josef Wirtz 14. Juni 2005, 19:58

    @Michael:
    Ja, die betroffenen Flächen dürften dort noch viel größer sein als hier in der Gegend. Zwei andere Dörfer, die um ihren Erhalt kämpfen:
    http://www.goitzsche.de/
    http://www.heuersdorf.de/
    bzw. mit Horno eins, das den Kampf verlor:
    http://www.mdr.de/nah_dran/664083.html

    Die Revierkarten für dort
    Lausitz:
    http://www.braunkohle.de/zahlen/folien/grafik19.pdf
    Mitteldeutschland:
    http://www.braunkohle.de/zahlen/folien/grafik20.pdf
    Helmstedt:
    http://www.braunkohle.de/zahlen/folien/grafik21.pdf

    @Hellmut:
    Ein mehr oder weniger hoher Preis wird stets bezahlt werden. Meist eben nicht von denen, die den Nutzen haben. Die Frage für mich heißt da, können wir uns bei dem (ökologisch-sozialen) Preis einen solchen Strom- (und allgemeiner eben Ressourcen)verbrauch leisten? Wir schieben die Suche nach Antworten träge vor uns her, während die nicht erneuerbaren Ressourcen Tag um Tag verzehrt werden. Im Rheinischen Braunkohlerevier würden nach jetzigen Verhältnissen etwa 2044 die Tagebaue ausgekohlt sein. Und dann?

    Für mich ist das wie Fahren mit einem Auto, ohne dass es Tankstellen für den Treibstoff gibt.

    Zum Thema nachhaltiges Wirtschaften dürfte sich ja viel Diskussionsstoff im Netz finden lassen. Beispiel:
    http://www.nachhaltigkeit.info/

    Zum Thema Ausstieg aus der Braunkohle:
    http://www.bund.net/lab/reddot2/energiepolitik_902.htm

    Die Endlichkeit der bisher von uns so freizügig genutzten Ressourcen wird uns dieses Thema Jahr für Jahr mit mehr Nachdruck aufzwingen.
  • Hellmut Hubmann 14. Juni 2005, 19:24

    Die Löcher wollen wir nicht. Die Windkraftwerke verschandeln die Landschaft. Die Atomenergie macht manchmal BUM.
    Aber Strom brauchen wir doch.

    Angenommen, es wird nicht gebaggert. Wo kommt im Protestgedanken der Ersatzstrom her? Zu welchem finanziellen oder gesellschaftlichen Preis in welcher Zeit?

    Gruss
    Hellmut