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Gottesanbeterin (Mantis religiosa) beim Anlegen einer Oothek

Gottesanbeterin (Mantis religiosa) beim Anlegen einer Oothek

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Gottesanbeterin (Mantis religiosa) beim Anlegen einer Oothek

Als Zusatzinfo für das Fotorätsel und trotz großer Bedenken, weil temporär captive.

Rate, rate, was ist das? (gelöst)
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Elisabeth Hoch

Das Foto ist im Spätsommer entstanden.
Quali ist nix, hier auch KEIN wildlife, sondern temporärer Gast auf meinem Balkon.
Hintergrund ist bearbeitet, ist im Original eine Hauswand. Kann es leider nicht besser, wollte wegen eines Fotos nicht stören, ist auch nur zur doku.

Diese Gottesanbeterin war jemandem in unserem Wohnort auf das Fensterbrett geklettert, wurde als Kuriosität einkassiert und eine Weile von ein paar Jungen zur Beobachtung gefangen gesetzt. Deren Mutter war das Fliegenfangen bald leid und über Bekannte und ein paar Ecken landete das Tier schließlich bei mir. Die Art steht unter Naturschutz, Haltung ist damit verboten, aber ich musste natürlich erst rauskriegen, von wo das Tier genau stammte. Einfach irgendwo an anderer Stelle aussetzen, geht schließlich auch nicht. Deshalb musste sie erst einmal temporär unter einem großen Netz auf meinem Balkon residieren, wo sie auch diese Oothek produzierte.

nur zur Info: Meldung an Naturschutzbehörde habe ich selbstverständlich gemacht, auch weil es ein ganz neues Vorkommen war. Und noch einmal: Haltung ist verboten.

Übrigens kann eine Mantis religiosa (als eine von nur wenigen Mantidenarten) auch ohne Befruchtung durch Jungfernzeugung eine fertile Oothek erzeugen. Es schlüpfen dann natürlich nur Weibchen und auch angeblich weniger Individuen als aus einer befruchteten Oothek. Die meisten anderen Mantidenweibchen legen zwar in solchen Fällen auch regelmäßig Ootheken ab, diese aber sind steril. Wird ein Weibchen seine Ootheken nicht los, stirbt es daran. Eine Mantis religiosa kann in 2-3 Wochen Abstand mehrere Ootheken ablegen. Sie beginnt damit so ca 3 Wochen nach der Imaginalhäutung und die Menge hängt deshalb stark davon ab, wann diese wetterbedingt statt gefunden hat und wann die ersten Fröste auftreten. Dann sterben die Weibchen bei uns (die schwächeren Männchen schon früher). Überwintern tut nur die Oothek, aus der dann im späten Frühjahr ca 100-200 winzige Larven schlüpfen, die sich den Angaben zufolge sofort zerstreuen, um den kannibalischen Geschwistern aus dem Weg zu gehen. Gesehen habe ich das Schlüpfen bei Mantis religiosa selber noch nicht.

Mantis religiosa ist momentan bei uns in Ausbreitung begriffen. Sie könnte sich auch schon viel besser etabliert haben, wenn unsere "Pflegewut" und der übertriebene Hang zu einer geordneten und aufgeräumten Natur nicht wäre. In unserem Ort sind Ootheken nur dort zu finden, wo kleine Zipfelchen dem entgangen sind: ein brach gefallenes Schrebergärtchen etwa, ein paar überwucherte Rebzeilen, eine kleine liegengelassene Obstwiese, wo Pflege zu mühsam war. Alle dafür eigentlich bestens geeigneten Winkel in öffentlicher Hand (Raine, Böschungen usw.) werden mehrmals jährlich totgepflegt. Letztes Jahr fand ich nach besonders günstigen Überwinterungsbedingungen in einigen landwirtschaftlichen Brachen zahlreiche Mantislarven, die dort beste Lebensbedingungen vorfanden. Nur: Unsinnige Mulchverpflichtungen für Brachen haben kurz vor der Imaginalhäutung dort den ganzen Bestand auf einen Schlag getötet. Was nutzt da der ganze gesetzliche Schutz, der jeden kriminalisiert, der ein solches Tier auch nur in die Hand nimmt.

Ootheken können nur dort überwintern, wo nicht gemäht wird. Nochmaliges spätes Säubern auch der kleinsten Flächen, wie neuerdings nach der technischen Aufrüstung des öffentlichen Fuhrparks Usus bei uns, killt alles. Einige Ausnahmen davon kämen auch manchen anderen Insektenn zugute, z. B. etlichen Falterarten oder Heuschrecken, die ihre Eier in Stengeln deponieren (Goldschrecken z. B.).

S C H O C K : Mein Paradies - Ein Leichentuch
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Elisabeth Hoch

Kommentare 15

  • Katrin MeGa 29. Mai 2010, 19:55

    Das ist ein sehr interessantes Bild mit sehr informativem Text und gefällt mir sehr! Gut, dass ich bei mir im Garten mit dem Mähen gar nicht nach komme, nur von Hand mit Sense und Sichel. Die Ootheken, die ich hier schon gefunden habe, waren unter größeren Kalksteinen und jetzt auch an einem Ast.
    LG Katrin
  • Horest 2. März 2008, 20:43

    Eine sehr schöne Aufnahme, gefällt mir sehr gut !

    Grüße,Jens
  • Wolfgang Speer 23. Februar 2008, 21:56

    Klasse Bild und Doku - und: Wieder etwas dazu gelernt ;-)
    LG Wolfgang
  • Eifelpixel 22. Februar 2008, 20:08

    Danke für des informative Bild. Habe so etrwas noch nie life gesehen.
    LG Joachim
  • Claudia Hummel 22. Februar 2008, 18:39

    wow, das hab ich ja völlig übersehen und das haut mich schlichtweg um.... also elli, ich muss doch mal einen hummel-highlights-sammlung der interessantesten verhaltensbiologischen fotos zusammenstellen und da kommt das hier auf jeden fall rein :-))))
    lg claudia
  • Sascha Schmidt Saar 22. Februar 2008, 10:57

    Hallo Elisabeth,

    ich finde diese Verhaltensaufnahme ist dir sehr gut geluingen. Auch der wirklich ausführliche Text zum Bild trifft die Situation realtiv genau. Auch in unserer Region findet man die Tiere in günstigen Biotopen. Als wir vor 2 Wochen in einem dieser Biotope unterwegs waren, konnten wir auch zahlreiche Ootheken finden.
    Diese waren jedoch fast alle in den Wiesen oder ausnahmsweise auch an einer Mauer zu finden. An Weinreben konnte ich bisher noch keine Oothekt in diesem Areall finden.
    Grüße,
    Sascha
  • Andreas Rinke 22. Februar 2008, 8:35

    Ein interessantes Bild und sehr gute, wenn auch etwas betrübliche Informationen, auch in der weiteren Diskussion.Leider wird man immer und überall mit den Folgen menschlichen Unverstands der Natur gegenüber konfrontiert.Ich befürchte, dass sich dies mit einer immer schlechteren wirtschaftlichen Situation einer breiten Masse eher verschärfen wird.
    LG Andreas
  • Karin Mohr 22. Februar 2008, 1:07

    Sehr interessante Infos - das mit dem 'totpflegen' ist wirklich ein Ärgernis. Nachdem während der Brutzeit der Vögel Bäume entastet wurden, haben sie hier jetzt das ganze Unterholz entfernt, das sonst ein Pradies für Vögel und Kleingetier ist. Manchmal habe ich den Eindruck, sie suchen sich Beschäftigungen...
    Gruß Karin
  • Petra Sommerlad 22. Februar 2008, 0:09

    Ich glaube ich sollte mal eine Straftat begehen und zusehen, dass ich ein paar der Herrschaften bei mir ansiedele. Auf meinen 5000 qm wird nicht gemäht, nicht gedüngt und auch sonst nichts gemacht. Da rennen zwar meine beiden Hunde herum, aber die gehen an überhaupt keine Tiere außer Katzen. LG Petra
  • Michael Hotze 21. Februar 2008, 20:48

    Ein sehr schönes Ereignis, dass du hier zeigst. Ich habe auch bei uns im Garten zwei Gelege gefunden. Ein paar Gottesanbeterinen waren im Spätsommer ebenfalls zu beobachten.

    Gruss
    Michael
  • Meina Giese 21. Februar 2008, 19:23

    Ausgesprochen interessant sind sowohl Deine beiden gelungenen Fotos als auch Deine Infos!
    Hier im Norden habe ich diese Gottesanbeterin noch nicht gesehen.
    L.G. Meina
  • Marguerite L. 21. Februar 2008, 19:02

    Sehr schön sind die Bilder mit dem interessanten Text. Gut, dass sie bei Dir gelandet ist ...
    Grüessli Marguerite
  • Elisabeth Hoch 21. Februar 2008, 18:05

    @Wolli: Ist z. T. schon im Gange. Die Getreide-Preise haben mächtig angezogen. Erst letzten Sonntag bin ich im Nachbarort plötzlich vor einem riesigen Weizenfeld gestanden, das ich letztes Jahr als noch spät reichblühende und nicht gemähte Wildwiese in Erinnerung hatte.

    Auf der Baar (bei unseren Bienenstandplätzen) wird seit ein paar Jahren vermehrt auf Biogaserzeugung gesetzt. Prima, dachte ich, das Problem der Intensivmastbetriebe mit Gülle und Schwemmmist umweltfreundlich gelöst. Von wegen. Plötzlich gab es ringsum zahlreiche nie gesehene Kulturen einer Mischung von viel Mais mit ein paar Sonnenblumen. Mais wurde zuvor in dem Gebiet schon aus klimatischen Gründen nicht angebaut. Jetzt wird diese Mischung grün zerhäckselt und dient der Biogaserzeugung. Maisanbau ist alles andere als umweltfreundlich. Braucht viel Dünger (energieaufwendig hergestellter künstlicher) und Herbizide. Kann getrost als grüne Wüste bezeichnet werden.

    Traditionell wird auf der Baar auch viel Raps angebaut, noch viel mehr, seit irgendwelche EU-geregelten Quoteneinschränkungen bei Ölsaaten nicht mehr greifen und dort Biodiesel-Betriebe entstanden sind. Nur dürfen die Bauern nicht einfach Saatgut ihrer Wahl verwenden, sondern die Zulieferer müssen sich an irgendwelche Kontrakte halten, die ihnen z. B. Genrapssorten vorschreiben, wohl nur weil es unheilvolle Verknüpfungen zwischen Chemiekonzernen und Saatguterzeugung (die Chemie hält Patente) gibt. Es gibt jetzt sowas Perverses wie Raps, der nicht mehr bestäubt werden muss, auch keinen Pollen erzeugt. Da fehlt es dann vielen Insekten flächendeckend an Nahrung. Und die Industrie kann sich noch was zugute halten, dass so schon kein genmanipulierter Pollen Lebensmittel verunreinigen oder in verwandte Wildpflanzen einkreuzen kann.
  • De Wolli 21. Februar 2008, 16:47

    Der Gedanke von Wulf ist gar nicht so abwegig.
    Hab noch nicht darüber nachgedacht, was der massive Anbau von Biosprit an Nachteilen bringen könnte.
    Ausgesprochen interessanter Text von dir, Elli!
  • Wulf von Graefe 21. Februar 2008, 16:01

    Danke vielmals für die wunderbare Erklärung zum schönen Bild, Elisabeth!!
    (Beim Rätseln wäre ich allerdings nicht weiter gekommen, als das da wohl irgendwelche kleinen Erdenbürger drin zuhaus sein könnten.)

    Das Elend mit der Behandlung der hier zynischer Weise auch noch "Stilllegungsflächen" genannten Hektare, in denen alles mögliche noch über den Winter kommen könnte, habe ich hier leider ebenso!
    Je nachdem, wann da die letzte "Saubermache" gerade drüber hergefallen ist, stehen dann im Frühjahr meist ein paar tapfere Binsenbüschel auf großflächig verschimmeltem Mulch!
    So werden hier ebenso unsinnig die durchaus noch möglichen Winterschlafplätze der Kornweihen genau so unterbunden wie die Brutplätze der letzten Braunkehlchen und Feldschwirle.
    Wenn solche Flächen dann noch ein paar Tage Sonnenschein bekommen, sind sie auch noch großflächiges Geschenk für allerlei "Freizeitaktivität", was dann jeglichem Tierleben bis drumherum "den Rest gibt".
    Wenn da allerdings überall bald unser Sprit wachsen muss, hat sich das Problem auch erledigt!
    lg Wulf