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Bunker 2 oder das "Weiße Häuschen"

Bunker 2 oder das "Weiße Häuschen"

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Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Bunker 2 oder das "Weiße Häuschen"

Da die Platzierung des Krematoriums I in unmittelbarer Nähe des Stammlagers die Geheimhaltung der Vorgänge unmöglich machte und da die Kapazität der Gaskammer nicht ausreichte, wenn Auschwitz eine Schlüsselrolle in der Durchführung der „Endlösung“ spielen sollte, musste die Lagerleitung sich nach Alternativen umsehen. Die Lösung fand sich auf dem Gelände des Lagers Birkenau. Hier war die polnische Bevölkerung zwangsausgesiedelt worden, und in zwei somit leer stehenden Bauernhäusern wurden die neuen Gaskammern eingerichtet.
Bunker 1, oder das "Rote Haus", wie es wegen seiner roten, unverputzten Wände auch genannt wurde, lag am nördlichen Rand des Gebietes auf Höhe des späteren Bauabschnittes III. Ursprünglich hatte das Haus, das ungefähr 15 x 6 m maß, vier Räume, die aber jetzt auf zwei zusammengelegt wurden. Jeder Raum wurde mit einer Tür versehen und die Fenster wurden zugemauert. Um das Gas hineinwerfen zu können, schlug man in jeden Raum zwei Öffnungen von etwa 30 x 40 cm Größe, die mit gasdichten Klappen geschlossen werden konnten. Die Türen wurden mit Filz abgedichtet und konnten fest zugeschraubt werden. An den Türen waren Schilder mit dem Text „Zur Desinfektion“ angebracht. Die Räume waren weiß getüncht und Sägemehl wurde nach jeder Vergasung frisch auf den Boden gestreut. Es gab keine Ventilation, weshalb die Entlüftung recht langsam verlief. Vergast wurde am Anfang nur nachts, später musste man jedoch auch die Tagesstunden in Anspruch nehmen, da die Transporte sich häuften und oft zu unregelmäßigen Zeitpunkten ankamen. Die Vergasungskapazität betrug für jeden der beiden Räume etwa 400 Personen. Die Leichen der Ermordeten wurden in Massengräbern in unmittelbarer Nähe verscharrt.
Es herrscht Unklarheit darüber, wann genau Bunker 1 in Betrieb genommen wurde. Danuta Czech gibt im Kalendarium der Ereignisse den Beginn mit Ende März 1942 an; andere Forscher, wie van Pelt und Pressac, meinen, dass der Anfang später war, und zwar im Mai. Vermutlich liegt die Inbetriebnahme eher im März, da zu diesem Zeitpunkt die großen Vernichtungsaktionen gegen die Juden Oberschlesiens anliefen.
Mit der Inbetriebnahme der großen Krematorien im Frühjahr / Sommer 1943 wurden die primitiven, provisorischen Gaskammern überflüssig, weswegen Bunker 1 wahrscheinlich im März 1943 abgerissen wurde.
Bunker 2, nach seiner Farbe auch das "Weiße Haus" genannt, lag am westlichen Ende des Lagers, wenige hundert Meter hinter der späteren Zentralsauna. Dieses Haus war mit einer Grundfläche von etwa 17 x 8 m etwas größer als Bunker 1 und wurde mit vier unterschiedlich großen Gaskammern versehen. Im Gegensatz zu den Kammern im "Roten Haus" gab es in jeder Kammer zwei Türen, womit die Entlüftung viel schneller verlief. Sonst waren die beiden Häuser in technischer Hinsicht gleich eingerichtet. Die Kapazität von Bunker 2 war erheblich größer als bei Bunker 1, nicht nur wegen der Größe, sondern auch weil das zwei-Türen-System eine schnellere Entleerung und Entlüftung der Kammern bewirkte und somit die tägliche Mordrate erheblich erhöhte.
Der SS-Lagerarzt Johann Kremer schreibt in seinen Tagebüchern unter dem Datum 12. Oktober 1942:
“... Trotzdem in der Nacht noch bei einer Sonderaktion aus Holland (1.600 Personen) zugegen. Schauerliche Szene vor dem letzten Bunker! Das war die 10. Sonderaktion.“
Am Rande setzt er noch den Namen Hössler ein, weil SS-Obersturmführer Franz Hössler für die Vergasungen bei den Bunkern verantwortlich war. Hössler hatte versucht, alle Opfer auf einmal zu vergasen. Einen letzten Mann konnte er jedoch in den Bunker nicht hineinzwängen, weshalb er ihn erschoss. Kremer macht in seinem Tagebuch jedoch einen Fehler indem er von holländischen Juden spricht. Alles deutet darauf hin, dass es sich um belgische Juden handelte, die mit einem Transport aus Mechelen am 12. Oktober in Auschwitz angekommen waren (Transport Nr. 12 und 13 aus Mechelen wurden zu einem Zug zusammengestellt und verließen Mechelen am 10. Oktober).
Von den 1.673 Personen dieses Transportes wurden 28 Männer und 88 Frauen im Lager aufgenommen, die übrigen wurden vergast.

Wie es der Fall bei Bunker 1 war, wurde Bunker 2, der vermutlich im Juni 1942 in Betrieb genommen wurde, seit Fertigstellung der großen Krematorien nicht mehr verwendet. Hier wurden jedoch nur die Holzbaracken, in denen sich die Opfer zu entkleiden hatten, abgerissen, das Haus mit den Gaskammern jedoch blieb stehen und wurde während der Ungarn-Aktion im Sommer 1944 wieder als Gaskammer benutzt. Bunker 2, der in dieser Periode auch Bunker 5 genannt wurde, blieb bis zum Herbst in Betrieb und wurde erst im November 1944 abgerissen.

Rudolf Höß:
"2 alte Bauernhäuser, die abgelegen im Gelände Birkenau lagen, wurden fugendicht gemacht und mit starken Holztüren versehen. Die Transporte selbst wurden auf einem Abstellgleis in Birkenau ausgeladen. Die arbeitsfähigen Häftlinge wurden ausgesucht und nach den Lagern abgeführt, sämtliches Gepäck wurde abgelegt und später zu den Effektenlagern gebracht. Die anderen, zur Vergasung bestimmten, gingen im Fußmarsch zu der etwa 1 km entfernten Anlage. Die Kranken und nicht Gehfähigen wurden mit Lastwagen hintransportiert. Bei Transporten, die des Nachts ankamen, wurden alle mit Lastwagen dahin befördert.
Vor den Bauernhäusern mussten sich alle ausziehen hinter aufgebauten Reisigwänden. An den Türen stand "Desinfektionsraum". Die Dienst tuenden Unterführer mussten durch Dolmetscher den Menschen sagen, dass sie genau auf ihre Sachen achten sollen, damit sie diese nach der Entlausung gleich wiederfänden. Hierdurch wurde von vornherein eine Beunruhigung unterbunden. Die Ausgezogenen gingen dann in die Räume hinein, je nach Größe 200-300 Menschen. Die Türen wurden zugeschraubt und durch kleine Luken je ein bis zwei Büchsen Zyklon B hineingestreut; es handelt sich dabei um eine körnige Masse von Blausäure. Die Wirkungsdauer, je nach Witterung, 3-10 Minuten. Nach einer halben Stunde wurden die Türen geöffnet und die Leichen durch ein Kommando von Häftlingen, die ständig dort arbeiteten, herausgezogen und in Erdgruben verbrannt. Vor der Verbrennung wurden die Goldzähne und Ringe entfernt, zwischen den Leichen wurde Brennholz geschichtet, und wenn ein Stoß von ca. 100 Leichen drin war, wurde mit Petroleum getränkten Lappen das Holz entzündet. Wenn die Verbrennung dann richtig im Gange war, wurden die anderen Leichen dazugeworfen. Das sich auf dem Boden der Gruben sammelnde Fett wurde mit Eimern dem Feuer wieder zugegossen, um besonders bei nasser Witterung den Verbrennungsprozess zu beschleunigen. Die Dauer der Verbrennung dauerte 6-7 Stunden. Der Gestank der verbrannten Leichen konnte bei Westwind selbst im Lager bemerkt werden. Nach Räumung der Gruben wurden die Aschenreste zerstampft. Dies geschah auf einer Zementplatte, wo Häftlinge mit Holzstampfern die Knochenreste pulverisierten. Diese Reste wurden dann mittels Lastwagen an einer abgelegenen Stelle in die Weichsel geschüttet."

(Quelle: www.deathcamps.org)

Kommentare 5

  • Nebelhexe 23. Februar 2016, 12:17

    Ich habe den Text dazu gelesen und es ist unbeschreiblich was damals geschah.
    Mir gefallen deine Bilder von Auschwitz sehr gut, besonders aber, wenn sie mit einem Text versehen sind. Man kann sich dann die Grausamkeiten viel besser vorstellen und es macht sehr nachdenklich.
    LG
  • Sichtweite 22. Februar 2016, 13:55

    Diese genaue Schilderung ist das
    perverseste was ich je über die
    Vernichtungslager gelesen habe.
    Selbst die gefährlichsten und wildesten
    Tiere wären zu solchen Handlungen nie
    fähig...warum waren es MENSCHEN ?
    Die Kollage zeigt niederschmetternde
    Aufnahmen, du zeigst sie sehr realistisch.
    Gruß
    Jochen
  • Mary.D. 22. Februar 2016, 10:20

    Sehr gut,daß du die Info dazu zeigst,da werden deine Bildinterpretationen noch verständlicher!
    LG Mary
  • Frank G. P. Selbmann 22. Februar 2016, 9:33

    deine collage und vor allem der beigefügte text lassen einen sprachlos und erschüttert zurück. danke fürs zeigen!
    lg franKS
  • Joachim Irelandeddie 22. Februar 2016, 9:31

    Eine erschütternde Geschichte die du hier zu deiner Collage aufgeschrieben hast. Für mich ist das immer noch und immer wieder unbegreiflich wie die Spezies "Mensch" so unmenschlich sein kann!

    lg eddie