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Aus dem Reich der Schatten

Aus dem Reich der Schatten

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KGS


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Aus dem Reich der Schatten

KZ Buchenwald, Museum (Auslage in einer Vitrine), 16.09.2009
http://www.buchenwald.de/index.php?pageid=101

(Canon 400 D, f/5,6 bei 55 mm, 1/8 s, ISO 1600, Teilbereichsmessung, mittenbetont, Bearbeitung: Adobe Photoshop 7.0, selektive Farbkorrektur, Tonwertkorrektur, Rahmen)
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Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene;
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das Letzte wär' das Höchsterrungene.

(Goethe: Faust. Der Tragödie zweiter Teil, 11559-62)

Kommentare 40

  • KGS 12. November 2014, 13:40

    Gert, den Wahnsinn kann man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen, wenn man nichts Vergleichbares am eigenen Leibe erfahren musste ... Bestie Mensch ist schon der richtige Ausdruck für die SS-Verbrecher.
    LG. Kerstin
  • Gert Rehn 12. November 2014, 9:54

    Kerstin, dort sind ja 56000 Menschen umgekommen, auch durch unmenschliche Arbeit im Steinbruch. (SS-Devise: Vernichtung durch Arbeit) Die mussten die vollen Karren ziehen und dabei singen (singende Pferde). Das KZ hat von 1938.1945 existiert, da kann man sich ausrechnen, dass im Monat dort etwa 700 Menschen krepierten.

    Lg Gert
  • KGS 12. November 2014, 9:22

    Lieber Gert, finde ich sehr bemerkenswert, dass Du die Strecke abgelaufen bist! Ich stellte mir während der Busfahrt vom Bahnhof in Weimar nach Buchenwald hin vor (Ich war in den letzten Jahren mehrfach dort.), das laufen zu müssen und es kam mir unendlich weit vor. Schwache und ältere Leute dürften bereits das nicht geschafft haben. Und dann die Kälte dort oben. Ich erinnere mich an einen Besuch im Oktober mit relativ dünner Jacke, aber immerhin mit Jacke. Es war eisig, ich hatte blaue Lippen vor Kälte und konnte mich erst im Museum überhaupt wieder ein wenig aufwärmen. Ich hätte das dort damals keine drei Tage überstanden, ganz abgesehen von all den Gräueltaten, die die Menschen dort erleiden mussten.
    Das Buch von Kogon kenne ich natürlich auch (und natürlich viele andere zum Thema); als Kind lasen wir in der Schule das Buch von Bruno Apitz 'Nackt unter Wölfen', waren auch zur Vorbereitung der Jugendweihe mit der Schule in Buchenwald. Ich kenne diese Gedenkstätte also schon lange, bin aber immer wieder aufs Neue betroffen, wenn ich dort bin.
    Und ja, Gert, ich glaube, dass etwas Vergleichbares wiederkommen kann, wenn man nicht gut aufpasst.
    LG. Kerstin
  • Gert Rehn 12. November 2014, 0:14


    Ich wohnte von 1963 bis 92 in Weimar. Eines Tages bin ich die Bahnstrecke abgelaufen die von Weimar Nord ins KZ führte. Dann bin ich das KZ am Außenzaun durch den wilden Wald umrundet und habe zu erfühlen versucht, wie dort SS-Bestien an wehrlosen menschen ihr mütchen gekühlt habe. dann Eugen Kogon dazu und mich gefragt: kann da wieder kommen?
    Wir in unserer Spaßgesellschaft können uns das erst mal nicht vorstellen.
    Lg Gert
  • R.eklov 22. August 2012, 23:43

    Deine Präsentation über Buchenwald ist sehr bewegend.
    Der Besuch des KZ sollte für alle Schüler im Geschichtsunterricht Pflicht sein.
    Viele Grüße
    Volker
    KZ Buchenwald .... Betroffenheit
    KZ Buchenwald .... Betroffenheit
    R.eklov
  • Margot Bock 19. Mai 2010, 20:05

    Nun wollte ich dir zu dem schönen Herz
    eine Anmerkung machen, aber dann habe
    ich gelesen und jetzt fehlen mit die Worte......
    Margot
  • Tassos Kitsakis 23. Dezember 2009, 22:13

    Frohe Weihnachten im Gedenken, Euch allen…

  • ston 22. Dezember 2009, 22:31

    scheinbar habe ich diese Aufnahme verpasst...

    Ich wünsche Dir Kerstin, ein schönes und ruhiges Weihnachtsfest und ein schönes neues Jahr.

    Schön Dich hier getroffen zu haben.

    LG Stefan
  • Arnd U. B. 19. November 2009, 11:20

    Nur Knöpfe, aber.....
  • Andreas Denhoff 15. November 2009, 22:14

    Dein Bild kommt scheinbar so harmlos daher, wenn man es für sich alleine gestellt sieht, aber wenn man den Ort weiß, wo du es aufgenommen hast, dann...
    Gruß Andreas
  • Nora F. 15. November 2009, 18:38

    das wissen um die herkunft dieser gegenstände
    läßt mich sehr nachdenklich werden. mal wieder
    eine sehr gefühlvolle präsentation von dir!
    lg, nora
  • Sabine Jandl-Jobst 15. November 2009, 9:59

    Ja, es ist unbegreiflich.
    Und trotzdem ist Vergessen und Verdrängen nicht der richtige Weg.
    Aber es ist ein harter Weg.
    Gut, dass du diesen Weg unterstützt.
    LG Sabine
  • erich w. 14. November 2009, 17:41

    ein kleines leuchtendes herz, abgerissene knöpfe..
    wer kann das je begreifen. was menschen menschen antuen können..
    man wird wütend.-
    und schweigend vor trauer..
    lg.e.
  • KGS 13. November 2009, 10:23

    Lieber Eckhard, danke für die umfangreiche und überaus interessante Besprechung. Ich antworte darauf wieder etwas später.
    Kerstin
  • E. W. R. 13. November 2009, 8:46

    Liebe Kerstin,

    Du hast das Foto oder vielmehr das Ensemble zum 71. Jahrestag der sogenannten Reichspogromnacht eingestellt. Die an diesem Tag organisierte Zerstörung von Eigentum, Verbrennung der Synagogen, Ermordung von Menschen bildete „bekanntlich“ den Auftakt zur organisierten Menschenvernichtung durch Erschießen, Verhungern, Krankheiten, Vergasen und Verbrennen. Sie war jahrelang propagandistisch vorbereitet worden, indem man den für den Menschen überhaupt nicht angängigen Begriff der Rasse im Sinne einer minderwertigen Rasse auf die Juden anwandte. Aber es gibt keine Menschenrassen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie durch sprachliche Manipulation Scheintatsachen geschaffen werden, die es gar nicht gibt.

    Ich nehme an, dass wir in Buchenwald im Großen und Ganzen die gleichen Dinge gesehen haben, so wie ich auch dieses Herz unter Knöpfen, Brillen und Kämmen, die man vermutlich in der Erde der ehemaligen Baracken gefunden hat. Wie so vieles Andere ist es in dem Museum aufbewahrt und präsentiert, das als eines der wenigen Gebäude dieses Lagers noch real steht. Aus dem Plan beziehungsweise dem topographischen Modell, der bzw. das einem bei der Führung gezeigt wird, geht hervor, dass das Meiste, was dieses Lager ausmachte, nicht mehr steht. Sei es, dass es vor der Befreiung des Lagers vernichtet wurde, sei es, dass es während der „Umnutzung“ durch die russische Besatzung nach dem Ende des Hitlerreichs geändert wurde, sei es, dass es nach Beendigung dieser Umnutzung in dem herrenlosen Interregnum, der Zeit, bevor es in der DDR auch zur Gedenkstätte wurde, abhanden kam. So ist es eigentlich fast erstaunlich, wie viel von den Zeugnissen der Mordanlage noch vorhanden ist oder nachgebaut wurde,

    Non omnis moriar (4): In der Hölle
    Non omnis moriar (4): In der Hölle
    E. W. R.


    und man wird der Stiftung der Gedenkstätte dankbar sein, dass das Verbleibende so erhalten wird, dass man aus ihm geistig den Ort ohne Trost erwachsen lassen kann.

    Dass man eine Phantasie aufbringen kann, die das Vergangene und das darin aufgehobene Geschehen wieder zum „Leben“ erweckt – man müsste ja eigentlich sagen: zum Sterben – hat natürlich auch damit zu tun, dass nach einer Periode des Verdrängens und Verschweigens in den späten vierziger, in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dieses Thema im Zuge des Aufstands der Achtundsechziger-Generation gegen ihre Väter wieder ins Bewusstsein rückte, übrigens das größte Verdienst dieser ansonsten an Verdiensten weniger reichen Generation, die der StaSi mit größtem Vergnügen manipuliert hat. Das Buch „Der SS-Staat“ von Eugen Kogon, das zum ersten Mal 1974 erschien, ist ein Meilenstein auf dem Weg der öffentlichen Aufarbeitung des Holocaust in der alten Bundesrepublik, die in diesen Jahren mit Macht begann und nicht mehr zu stoppen war. Wie breitenwirksam dann die spätere Fernsehserie „Holocaust“ war oder der Film „Schindlers Liste“, ist ja allgemein bekannt. Das fürchterlichste Buch ist für mich immer noch Claude Lanzmanns „Shoah“ von 1986, also eine Sammlung von Erlebnisberichten aus der Hölle. Wer dieses Buch ernsthaft gelesen hat, dem hat sich das Inferno ein für allemal eingebrannt, und er wird wissen, was er von bestimmten Parolen zu halten hat, die noch immer in einigen verirrten Köpfen herumspuken.

    Seit diesen Jahren ist die Erforschung und Dokumentation des „SS-Staates“ noch weiter vorangekommen; davon hast Du dich sicherlich in der ausgezeichneten Buchhandlung von Buchenwald überzeugt. Wer das Grauen auch sehen will, kann sich mit Videos die Dinge auf den Bildschirm holen, etwa den Auschwitz-Prozess, den Eichmann-Prozess, die Nürnberger Prozesse und vieles mehr.

    Das alles kann man lesen, hören, sehen und daraus lernen. Eventuell auch das Gelesene, Gehörte und Gesehene weitergeben, sei es in der Erziehung oder im Unterricht. Unsere Generation tritt diesen Vorgängen aus dem Deutschland der dreißiger und vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts mehr oder weniger genauso entsetzt als Geschehnissen der Vergangenheit gegenüber wie die übrige Welt, nur mit dem Unterschied, dass es eben in dem Land geschah, in dem wir leben, und dass die Verantwortung dafür bei Einigen oder Vielen aus der Generation unserer Großeltern lag.

    Seitdem hat es auf der Welt anderswo Massenmorde gegeben, deren Namen jeder als Schibboleth kennt. Auch Stalin soll ja zehn Millionen Menschen umgebracht haben. Gegeneinander aufrechnen lässt sich natürlich nicht, sondern es muss addiert werden. Für mich stellt sich bei allen diesen Dingen immer wieder die Frage, wie Angehörige einer eigentlich intelligenten und auch akkulturierungsfähigen Spezies, wie es der Mensch doch ist, was er ansonsten vielfach beweist, soweit gebracht werden können, dass nicht nur Einzelne jede Mitmenschlichkeit über Bord werfen, wie wir es bereits einmal besprochen haben,

    Schwarzes Eis
    Schwarzes Eis
    E. W. R.


    sondern kollektiv.

    Eigentlich ist das grausigste Foto in diesem Zusammenhang gar keine Hinterlassenschaft aus der Hölle der Häftlinge, sondern ein Foto, das den Lagerkommandanten mit seinem Sohn zeigt. Darunter steht: „Papi macht Witzchen“.

    Non omnis moriar (6): Papi macht Witzchen
    Non omnis moriar (6): Papi macht Witzchen
    E. W. R.


    Wie das in Buchenwald und anderswo, wovon Vergleichbares berichtet wird, gehen konnte, dass die Bewacher ein „normales“ Leben mit Liederabenden, Zoo und Tannenbaum zu Weihnachten führen konnten, während wenige Meter weiter ihre Mitmenschen verhungerten, erfroren, an Krankheiten starben, erschossen oder vergast und durch den Schornstein gejagt wurden, hat die Psychologie intensiv beschäftigt. Dir sind sicher die einschlägigen, auch verfilmten Experimente (Elektroschock-Experimente Stanley Milgrams) bekannt, bei denen man Versuchspersonen dazu brachte, anderen Leuten (fingierte) Stromstöße immer größerer Stärke zu geben.

    „Stromstoß-Experiment

    So leicht werden Menschen zu Folterknechten

    Von Christian Stöcker

    Die Elektroschock-Experimente Stanley Milgrams sind legendär. Sie gelten bis heute als Beleg dafür, dass auch ganz normale Menschen schnell zu erbarmungslosen Folterknechten werden können. Nun wurde die historische Studie wiederholt - mit ernüchterndem Ergebnis.

    Was Stanley Milgram seinen Versuchspersonen im Jahr 1961 antat, darf heute kein Forscher in der westlichen Welt mehr - und seien seine Absichten auch noch so lauter. Nun wurde die Studie über Gehorsam und Gnadenlosigkeit in einer Light-Version wiederholt. Und wieder zeigte sich, wie leicht Menschen dazu gebracht werden können, andere zu quälen. Wie in der Originalstudie ging es eigentlich nur darum, einen "Schüler" - der in Wahrheit ein Helfer des Forschers war - mit Bestrafung zum besseren Lernen von Wortpaaren zu bringen.

    Milgrams legendäres Experiment veränderte das Selbstbild der Menschheit auf Dauer, weil er mit einer schlichten Methode vorführte, wie leicht normale Menschen zu Folterknechten gemacht werden können, zu gehorsamen Erfüllungsgehilfen einer zerstörerischen Autorität. Der Großteil seiner Versuchspersonen verteilte Elektroschocks, bis eine vermeintliche Versuchsperson im Nebenraum zunächst vor Schmerzen brüllte und dann plötzlich, aber dauerhaft verstummte.

    "Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen", sagte der Herr im weißen Kittel, und die Versuchspersonen drückten noch einmal auf den Knopf. Wollte der Proband erneut abbrechen, sagte der Versuchsleiter: "Es ist unbedingt notwendig, dass Sie weitermachen." Und die Mehrheit tat das auch. Auch wenn der durch jeden Knopfdruck vermeintlich mit Elektroschocks traktierte "Schüler" im Nebenraum schon schrie, scheinbar vor Schmerzen.

    Ist die Menschheit heute gnädiger als vor 50 Jahren?

    Die Mehrheit der Versuchspersonen ging mit den Elektroschocks bis zum Ende der Skala, bis 450 Volt, in 15-Volt-Schritten. Diese Kombination aus ungewohnter Situation, nicht hinterfragter Autorität und Salamitaktik betrachtete Milgram als Kernfaktoren, die zum erbarmungslosen Verhalten seiner Testpersonen beitrugen. Gerade in den Jahren seit dem 11. September 2001, in denen Folter plötzlich wieder zum Mittel der Politik zu werden schien, wurden Milgrams Ergebnisse oft zitiert, um etwa die Greuel von Abu Ghureib zu erklären. In verschiedenen Varianten ist die Erkenntnis immer wieder erneuert worden - in (fast) jedem steckt ein Folterknecht.

    Nun versuchte sich der Psychologe Jerry Burger erneut an Milgrams Versuchsaufbau. Seine implizite Kernfrage: Sind wir heute besser? Hat die Menschheit dazugelernt, lassen wir uns nicht mehr so einfach zu Folterern machen wie damals in den frühen Sechzigern? Das hat schon lange niemand mehr probiert - aus ethischen Gründen: Experimente wie das Original, in dem den Versuchspersonen suggeriert wurde, sie hätten einen Menschen gequält und womöglich dauerhaft geschädigt, gelten heute als nicht mehr vertretbar. In manchen Varianten der Originalexperimente verwies der "Schüler" im Nebenraum schreiend auf eine Herzerkrankung und verstummte dann. Probanden solchem Stress auszusetzen, widerspricht heutigen Ethik-Richtlinien für Experimente.

    Weiterdrücken, auch wenn das Opfer nicht mehr reagiert

    Also setzte Burger einen niedrigeren Abbruchpunkt an: Bei 150 Volt, im Original wie in der neuen Studie, schrie der "Schüler" zum ersten Mal vor Schmerzen auf. Bei Milgram zögerten die Versuchspersonen hier und wurden zum ersten Mal wirklich unsicher. Wer jenseits von 150 Volt weitermachte, tat das meist bis ganz ans Ende. Mehr als 80 Prozent der Probanden, die 150 Volt verabreicht hatten, drückten bis 450 Volt weiter auf die Knöpfe - auch wenn der Proband irgendwann weder auf die Fragen noch auf die Elektroschocks reagierte.

    Burger ließ deshalb nur virtuelle Stromstöße bis 150 Volt austeilen. Wenn Probanden danach weitermachen wollten, hielt der Versuchsleiter sie davon ab. Es handele sich um "Gehorsam light", schreibt Alan Elms, der in den Sechzigern mit Milgram zusammenarbeitete, in einem Kommentar zu Burgers Studie. "Wenn man den Mann schreien hört 'lasst mich raus, ich halte es nicht mehr aus', ist das der Punkt, an dem der Stress, für den man Milgram kritisiert hat, einsetzt", sagt Burger über seine Studie, die nun im "American Psychologist" erscheint.

    In der "Light"-Version waren nicht ganz so viele Versuchspersonen bereit, nach dem Schmerzensschrei noch weiterzumachen - 70 Prozent hätten auch den Knopf für 165 Volt noch gedrückt. Die Abweichung zum Original ist jedoch nicht einmal statistisch bedeutsam.
    Um zu überprüfen, ob der mäßigende Einfluss einer zweiten Person daran etwas ändern würde, schleuste Burger in einem zweiten Experiment eine vermeintliche Co-Versuchsperson ein. Sie weigerte sich ab einer Spannung von 90 Volt, weitere Schocks zu verteilen. Doch trotz des guten Beispiels übernahmen die meisten der Versuchspersonen an dieser Stelle freiwillig die Aufgabe des Knöpfedrückens - und 65 Prozent der Teilnehmer hätten auch unter diesen Bedingungen nach dem Hilferuf noch weitergemacht. Ein "überraschendes und enttäuschendes" Ergebnis sei das, sagt Burger.

    "Ernstzunehmende Lücke"

    Eins mache seine Studie jedoch deutlich: Die "Vorstellung, dass die Menschen in den frühen sechziger Jahren irgendwie einfacher zu Gehorsam zu bewegen waren", sei nicht haltbar.
    Milgrams früherer Mitarbeiter Elms zeigte sich einerseits schockiert von Burgers Ergebnissen. Er habe in Interviews immer wieder der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die Ergebnisse aus den Sechzigern heute nicht mehr replizierbar wären, schreibt Elms in einem Kommentar. "Da gehen meine hoffnungsvollen Erwartungen über deutlich geringeren Gehorsam dahin!"

    Er verweist jedoch auf Vorsichtsmaßnahmen, die Burger getroffen hat und die in seinen Augen das Ergebnis schwächen: Burger akzeptierte nur Versuchspersonen, die das Milgram-Experiment eigenen Angaben zufolge nicht kannten. Und er ließ von Psychiatern Interviews durchführen, um Menschen auszuschließen, denen die Stresssituation des Experimentes hätte Schaden zufügen können. Die nach dieser Doppelauswahl übriggebliebenen Probanden könnten möglicherweise "beträchtlich gehorsamer sein" als Durchschnittsmenschen, spekuliert Elms.

    Ein zweiter Kommentator, der Psychologe Arthur Miller, spricht in der gleichen Ausgabe des "American Psychologist" sogar von "ethischem Overkill" in Burgers Studie. Man könne die Arbeit mit den Originalexperimenten nicht sinnvoll vergleichen. Dennoch seien Studien wie die Burgers gerade heute wieder dringend nötig, sie "füllen eine ernstzunehmende Lücke". Miller: "Die Bedingungen und Gründe zu verstehen, die Menschen dazu bringen, physischen Schmerz zu verursachen und Strafen bis hin zu Mord zu verteilen, insbesondere auf Befehl innerhalb einer Organisationshierarchie, ist heute vielleicht wichtiger als je zuvor."“

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,597501,00.html

    Der psychologische Mechanismus ist ganz einfach. Der Mensch ist unter geeigneten Bedingungen dahingehend manipulierbar, dass er seine Verantwortung an eine scheinbar kompetente Autoritätsperson delegiert, so dass er selbst von Verantwortung frei ist. Die Nationalsozialisten haben sich diese Einsicht in Verbindung mit den Erkenntnissen der bereits in den dreißiger Jahren bekannten Psychologie der Masse zunutze gemacht, um ein ganzes Volk durch jahrelange gezielte Propaganda so weit zu bringen, dass es Juden nicht mehr als vollwertige Menschen ansah. Die Konsequenzen sind bekannt.

    „Le Bon wurde neben Scipio Sighele (1891) mit seinem berühmtesten Buch Psychologie der Massen (Psychologie des foules, 1895) zum Begründer der Massenpsychologie und für die Soziologie bedeutsam.

    Er vertritt die Auffassung, dass der einzelne, auch der Angehörige einer Hochkultur, in der Masse seine Kritikfähigkeit verliert und sich affektiv, zum Teil primitiv-barbarisch, verhält. In der Massensituation ist der Einzelne leichtgläubiger und unterliegt der psychischen Ansteckung. Somit ist die Masse von Führern leicht zu lenken.

    In der Psychologie der Massen vertritt Le Bon die Thesen, dass

    • die Masse im Gegensatz zum dazugehörigen Individuum ihre Kritikfähigkeit einbüße
    • die Masse nicht durch Argumente überzeugt werden könne
    • die Masse uneigennützig, gegebenenfalls auch tugendhaft oder heroisch handle
    • die Masse gegen Veränderungen sei
    • sich die Grundüberzeugungen der Masse nur sehr langsam veränderten
    • die Masse leicht erregbar sei
    • die moralischen Urteile einer Masse unabhängig von der Herkunft oder dem Intellekt ihrer Mitglieder sei

    Le Bon begründet seine Thesen mit vielerlei historischen Fallbeispielen, vor allem aus der Zeit der Französischen Revolution.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Gustave_Le_Bon

    Es gehört zu den widerlichsten Episoden aus der Kulturgeschichte der Menschheit, dass eine Bewegung, die die Freiheit des Dritten Standes zum Ziel hatte, in Mord und Totschlag endete. Und dass ausgerechnet Anhänger des absolut Bösen wie die Nationalsozialisten daraus lernen konnten. Eckhard