Zurück zur Liste
Transsib 2019 (LXXVI)

Transsib 2019 (LXXVI)

8.709 8

makna


Premium (World), München

Transsib 2019 (LXXVI)

Lenin ist auch 2019 in Russland noch fast allerorten zu sehen - hier am 02.05.19 in Nowosibirsk vor der Oper.

Der Begründer der Sowjetunion geniesst zwar nicht mehr die abgöttische Verehrung wie zu Zeiten des
"real existierenden Sozialismus", doch verblassen die Greueltaten, die die Bolschewiki den Menschen
nach der Revolution 1917 angetan haben, gegenüber den heutzutage sogar mit Gedenkstätten
bedachten Säuberungen der Stalin-Ära, den Lagern (Gulag) und ihren Toten.

Da steht Lenin also im Vergleich gut da, und es gibt im heutigen Russland schon so etwas wie
eine Art "Sowjet-Nostalgie", denn damals ging es zwar insgesamt ärmlicher
und diktatorischer zu, aber irgendwie eben doch gerechter.

Im Zusammenhang mit dem Sieg im "Großen Vaterländischen Krieg" 1941-45, der (freilich nicht ganz
aus eigener Kraft) Beendigung des Zweiten Weltkriegs, wird dann selbst Stalin wieder als Held
gefeiert, obwohl man um die Greuel unter seinem Regime nun weiß: Von 1930 bis 1953 waren
in den Lagern mindestens 18 Millionen Menschen inhaftiert. Mehr als 2,7 Millionen starben
im Lager oder in der Verbannung. In den letzten Lebensjahren Stalins erreichte
der Gulag mit rund 2,5 Millionen Insassen seine größte quantitative Ausdehnung.

Doch was sind diese Millionen gegen die noch größere Zahl an Toten des Zweiten Weltkriegs, die die
Sowjetunion zu beklagen hatte: Weit über 20 Millionen Tote - aktive Soldaten, Kriegsgefangene,
Zwangsarbeiter und Zivilisten - hat der von Nazi-Deutschland betriebene Krieg unter den
Völkern der UdSSR gekostet (manche sprechen gar von über 30 Millionen
Todesopfern - die genaue Zahl wird sich wohl nie ermitteln lassen;
bei der Leningrader Blockade 1941-1944 gehen Schätzungen
von 1,1 Millionen Zivilpersonen aus, die in dieser Zeit
des Hungers ihr Leben verloren hatten).

Gerade deshalb ist es für mich als Deutschen umso erstaunlicher, wie groß die Deutschfreundlichkeit
der Russen im generellen, und eben ganz besonders auch im persönlichen Umgang, ist. Natürlich
wird man als erkennbarer Vertreter der Nachkriegs- und eben nicht der Täter-Generation
(so wie übrigens auch in Israel) anders behandelt wie jemand, dessen Hände
vielleicht mit gewirkt haben ... doch das Verhältnis von den Russen
zu den Deutschen wird als traditionell gut geschildert,
und eben genauso auch von mir nun erlebt.

Da kann man dann - so wie es die Russen tun - die Lenin-Denkmäler als Teil der eigenen geschichtlichen
Verarbeitung betrachten, und so wie viele Russen hinter vorgehaltener Hand (teils sarkastisch,
teils respektvoll) vom "neuen Zaren" sprechen, der ihr Land regiert, muß man sich selber
fragen, wie wohl die Bismarck-Denkmäler* im eigenen Land auf Fremde wirken ?!?

* ... um nur ein Beispiel zu nennen, das natürlich,
wie wohl jeder Vergleich, hinkt ...

Kommentare 8

  • Roni - raildata.info 25. Juli 2019, 10:58

    Hallo!

    Stark inszeniert! :-)

    lg,
    Roni
  • Dieter Jüngling 20. Juli 2019, 19:46

    Der "Kleine" ist doch noch der "Größte"!
    Gruß D. J.
  • Rainhard Wiesinger 19. Juli 2019, 10:15

    die denkmäler sind perse ein unangebrachte anachronismus, der wohl hoffentlich früher oder spãter flächdeckend verschwinden wird!
  • Rainhard Wiesinger 19. Juli 2019, 10:14

    eine sehr gut nildkomposition!
  • Klaus Kieslich 19. Juli 2019, 10:09

    Nachdenklich machende Worte von Dir und Thomas Reitzel zu zwischenmenschlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen
    Gruß Klaus
  • Thomas Reitzel 19. Juli 2019, 9:49

    Zu Lenin und Stalin hast Du soweit eigentlich erschöpfend geschrieben, wenngleich man zumindest Stalin doch als den zweitgrößten Massenmörder(nach Mao und noch vor Hitler&Consorten)bezeichnen muß.
    Das stark heroisierende dieser Denkmäler stört mich dennoch, ebenso übrigens wie auch gleichartige Denkmäler in Deutschland - um nur eines zu nennen: Das Denkmal für Blücher in Kaub, das an seine Überquerung des Rheins und den Feldzug gegen Frankreich erinnert. Leider aber gibt es auch in Frankreich sehr oft entsprechende Denkmäler, wie wohl sowieso überall auf der Welt.
    Daß die Menschen dennoch freundlich, sogar äußerst freundlich miteinander umgehen(gerade erst in England, Schottland und Irland erlebt) mag wohl wirklich daran liegen, daß es nun überwiegend die Nachkriegsgenerationen sind, die da aufeinandertreffen.
    Unrühmliche Ausnahme: Im Hausruckgebiet im Westen Österreichs an der Grenze zu Niederbayern wird man als Deutscher sehr herablassend, wenn nicht unhöflich und abweisend behandelt. Selbst erlebt, kein Einzelfall, leider.
    BG, Tom