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kostenloses Benutzerkonto, Essen

Nachts im Museum

Scan von einem sehr dunklen Papierbild.

Als Nachtheizer übernehme ich den Dienst. Nach dem Abschlammen habe ich mit dem Injektor runtergespeist und die Kohlen nass gemacht. Mit der nassen Kohle wird jetzt das Ruhefeuer aufgebaut. Zum Schluss noch mal den Aschkasten genässt und den Wasserstand kontrolliert. Der Regler wird verschlossen, Tenderbremse angelegt, Pumpen und Lichtmaschine abgestellt, zu letzt noch die Lok verschlossen und dann kann ich mich in einen der Wagen für 4 Stunden zur Ruhe begeben.

Unbarmherzig rappelt der Wecker und holt mich aus dem tiefsten Schlummer. Kontrolle ist fällig. Also Augen reiben und die Handlampe suchen. Schlaftrunken wandele ich zur Lok. Der Wasserstand könnte höher sein. Kesseldruck steht bei 6 bar, Feuer ist gut. Da kann ruhig mit dem Injektor nachgespeist werden. Aber das Biest will nicht. Alle Tricks sind vergebens. Mit ein bißchen Gefühl springt ein gut einstellter injektor bei 3 bar an und das Manometer zeigt doppelt soviel. Mir bleibt nichts anders übrig, als die Kohlen auf dem Rost auszubreiten und mit dem Hilfsbläser den Druck aufzubauen. Denn auch die Fahrpumpe verbraucht mehr Dampf, als sie Wasser in den Kessel fördert. Bei 9 bar zieht der Injektor endlich. Die Prozedur für den Aufbau des Ruhefeuers wird erneut fällig. Das schlaucht.

Ziemlich müde mache ich es mir auf meinem Hocker bequem. Es dauert nicht lange und ich bin wieder eingeschlafen.

Kommentare 14

  • makna 30. Juli 2014, 14:14

    Eine herrliche Stimmung - und dazu die Beschreibung
    samt der weitergehenden Diskussion: Erste Sahne !!!
    BG Manfred
  • Thomas Reitzel 30. Juli 2014, 13:09


    Ja, bei der Eisenbahn war die Devise "handeln" ! und zwar umsichtig, aber mit der dem Eisenbahnbetrieb innewohnenden und deshalb erforderlichen Raschheit!

    Heinz, nimm irgendein Bild und erzähl uns was - aber nicht vom Pferd, sondern bestenfalls vom Eisernen Pferd!

    BG, Tom


  • Krimhilde. W. 30. Juli 2014, 13:02

    Bochum-Dahlhausen brennt!! Das war mein erster Gedanke, als ich das Foto sah. Dank deiner Geschichte weiß ich nun mehr über dieses "Feuer".
    In solchen Situationen heißt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Du bist, entschuldige, ein alter Hase und hast viel Erfahrung. Das kommt dir in einer solchen Lage zu Gute.
    Deine Geschichte ist spannender als mancher Tatort Krimi.
    Ich würde gerne mehr davon lesen.
    Liebe Grüße Krimhilde
  • Ralf Göhl 30. Juli 2014, 10:26

    @ Heinz,
    aus der Erfahrung heraus dachte ich mir da steckt mehr dahinter als ich deine Beschreibung ließ.
    Und war auf dem richtigen Dampfer.
    Es spielen bei so was immer viele Faktoren eine Rolle.
    Letztendlich muss man entsprechend umsichtig handeln.
    Grüße aus MR,
    Ralf
  • summertime1 30. Juli 2014, 8:46

    "Das war kein Heldenstück, Octavio!" mit diesem Satz aus Schillers Wallenstein möchte ich eine Schlußbemerkung beginnen. Schiller meinte zwar etwas anderes, aber der Wortlaut paßt einfach.

    Erst einmal ein Dankeschön für alle Anmerkungen. Einen Satz von @Thomas Reitzel möchte ich aber noch einmal aufgreifen:

    Eine Dramatik, die sich den allermeisten Dampflokfreunden kaum jemals erschließen wird...

    Auch wenn dieses geschilderte Ereignis spektakulär war, es gibt viele Vorkommnisse, die weitreichende Folgen haben können. Das Eisenbahnpersonal, egal an welcher Position, hat immer beherzt und umsichtig gehandelt, um Schlimmerers zu vermeiden. Nicht immer war man erfolgreich. Trotzdem galt die Eisenbahn über Generationen hinweg als das sicherste Verkehrsmittel. Nicht mehr aber auch nicht weniger wollte ich sagen.

    Noch ein Wort in anderer Sache. Ich habe noch reichlich Geschichten aber keine Bilder mehr auf Lager. Wenn es euch recht ist, würde ich mit den Geschichten weitermachen aber mit Fotos, die nicht in einem direkten Zusammenhang stehen z.B. ein Foto von irgendeinem Tunnel und eine Geschichte zu einem speziellen Tunnel. Wenn nicht, dann laß ich's.
  • BR 45 29. Juli 2014, 20:36

    Puhh da macht aber jemand "dicke Backen" und das im wahrsten Sinne des Wortes.
    Eine sehr gute Erklärung und vor allem Ergänzung zu dem Foto.
    Das ist einer der Gründe warum ich bei Nachtwache zwar auch mal kurz "mich von innen betrachte" aber auf der Lok bleibe.
    Grüsse Andy
  • Thomas Reitzel 29. Juli 2014, 18:41


    Erst mit Deiner ergänzenden Beschreibung wird richtig klar, welche Gefahren mit dem Betrieb eines Dampfkessels verbunden sein können und welche Entscheidungen in solchen Fällen zu treffen sind, völlig allein auf sich gestellt und mitten in der Nacht!

    Eine Dramatik, die sich den allermeisten Dampflokfreunden kaum jemals erschließen wird...

    VG, Tom
  • summertime1 29. Juli 2014, 17:47

    @ Ralf, da muß ich ja noch etwas ergänzen.

    Erinnerst du dich an deinen Besuch bei uns in Dahlhausen? Da hat dir ein schlacksiger junger Mann Löcher in den Bauch gefragt. Er hatte, weil er noch Heizer der Spätschicht war, grad abgeschlammt, als ich das Foto machte.

    Dann habe ich aber die Schicht übernommen. Und alles lief in der geschilderten Reihenfolge. Der Wasserstand war fast in der oberen Mutter verschwunden.

    Es folgte noch der üblich Rundgang um die Maschine. Es tropfte noch vorne auf Höhe des Stehkessels, aber das ist nicht schlimm, es war, so glaubte ich jedenfalls, nur noch ablaufendes Wasser vom Nässen des Aschkastens. Es war so dunkel, man sah nicht wo das Wasser herkam.

    Als ich dann um 3:30 Uhr geweckt wurde fand ich den Wasserstand nur noch knapp über NW. Weniger als einen Zentimeter. 1 bis 1 1/2 m³ waren aus dem Kessel raus. Jetzt , wo auch alles still war, hörte ich ein leichtes Plätschern unter der Lok. Da habe vorher garnicht drauf geachtet. Da hatte sich im Schotterbett ein richtiger See gebildet. Das Gestra hatte beim Abschlammen nicht richtig geschlossen, deshalb ist so viel Wasser ausgelaufen.

    Wie sich später herausstellte war der Düsenstock des Injektors durch das kalkhaltige Speisewasser, welches wir vor einigen Tagen benutzen mußten, zugesezt und der Injektor zog erst bei hohen Kesseldruck und die Fahrpumpe soll ja nicht unbedingt kaltes Wasser einspeisen, was bei den 6 bar ohnehin nicht funktionierte.

    Ja, wieder eingeschlafen! Du kennst die Situation, wenn man auf einem Pulverfaß sitzt und die Lunte brennt. Sprich der Wasserstand sinkt weiter. Kühlen Kopf bewahren heißt es doch so schön. Na klar habe ich ja auch, aber bis der Kessldruck 9 bar erreicht hat, ist der Wasserstand natürlich nicht gestiegen sondern hat sogar die NW-Marke unterschritten. Aber er war noch immer im Schauglas zu sehen. Wäre das nicht mehr der Fall gewesen, hätte ich jetzt das Feuer rausgerissen. Was einem alles in dieser Situation durch den Kopf geht, ist unglaublich. Zu aller erst habe ich von Hand den Reserveverschluß des Gestra zugedreht, was sogar einen gewissen Erfolg brachte. Dann wollte ich mit der Luftpumpe den Haupluftbehälter auffüllen um mit reichlich Druck das Gestra richtig zu schliessen. Schon der Gedabke war zum Scheitern verurteilt. Läuft die Speisepumpe nicht kannste die Luftpumpe gleich vergessen. Na ja alles in allem war ich danach so fertig, daß nichts mehr mit Augenpflege war. Das kam einem Wachkoma schon sehr nahe!
  • Steffen°Conrad 29. Juli 2014, 17:18

    Der reinste Bühnennebel.
    Die Aufnahme spricht an.
    Und Dein Text zeugt von der Mühe um Dampfloks..
    Der Fahrgast merkt nichts davon.
    Wie einfach hats man da bei der Elektrischen...
    vgconni
  • Ralf Göhl 29. Juli 2014, 16:43

    Hallo Heinz,
    oh man ganz Berlin ist ene Wolke und ich steh mitten drinn.
    Ach nee ist ja Bochum Dahlhausen bei Nacht.

    >>> Wasserstand könnte höher sein ?
  • Dieter Jüngling 29. Juli 2014, 13:36

    Ups, ich dachte erst an ein Großfeuer.
    Gute Langzeitbelichtung mit feiner Erläuterung.
    Gruß D. J.