warum strassenfotografie in einer krise steckt

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Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 91 von 177
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Zitat: Dame Eda 03.10.15, 19:52Zum zitierten BeitragGut, aber hat nicht im Grunde genommen jedes Bild einen geometrischen Aufbau?
Oder anders gesagt, wenn ich ein Bild "malen" will - egal, ob mit Bleistift, Pinsel, Computer oder mit Licht bzw. der Kamera - habe ich ja gar keine andere Wahl, als Punkte, Linien oder Flächen zu malen, die in geometrischen Relationen zueinander stehen.


Nein haben sie nicht. Linien werden unterbrochen, Dreiecke unharmonisch abgehackt, Winkel schlecht gewählt und das schlimmste von allen - menschen oder dinge überdecken sich gegenseitig. ausserdem - bei guten fotos ist das bild gefüllt, bei schlechten fotos nur ein teil des bildes. vom fehlenden entscheidenden moment ganz zu schweigen.
Dame Eda Dame Eda   Beitrag 92 von 177
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Zitat: Thomas Bregulla 03.10.15, 22:34Zum zitierten BeitragZitat: Dame Eda 03.10.15, 19:52Zum zitierten BeitragGut, aber hat nicht im Grunde genommen jedes Bild einen geometrischen Aufbau?
Oder anders gesagt, wenn ich ein Bild "malen" will - egal, ob mit Bleistift, Pinsel, Computer oder mit Licht bzw. der Kamera - habe ich ja gar keine andere Wahl, als Punkte, Linien oder Flächen zu malen, die in geometrischen Relationen zueinander stehen.


Nein haben sie nicht. Linien werden unterbrochen, Dreiecke unharmonisch abgehackt, Winkel schlecht gewählt und das schlimmste von allen - menschen oder dinge überdecken sich gegenseitig. ausserdem - bei guten fotos ist das bild gefüllt, bei schlechten fotos nur ein teil des bildes. [...]


Wo steht geschrieben, dass Linien nicht unterbrochen werden sollen, dass sich Menschen oder Dinge nicht überdecken sollen oder dass gute Bilder keine leeren bzw. 'nicht gefüllte' Bereiche haben sollten? Es würde mich aber noch weit mehr interessieren, ob irgendwo geschrieben steht, weshalb das so sein soll.

Und (wie) können Dreiecke harmonisch abgehackt werden? Welche Winkel sind wann gut, welche schlecht?
_visual_notes_ _visual_notes_ Beitrag 93 von 177
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Zitat: Dame Eda 04.10.15, 01:21Zum zitierten BeitragWo steht geschrieben, dass Linien nicht unterbrochen werden sollen, dass sich Menschen oder Dinge nicht überdecken sollen oder dass gute Bilder keine leeren bzw. 'nicht gefüllte' Bereiche haben sollten?
Alles was Thomas schreibt, hätte ich nicht besser formulieren können. Ich habe allerdings auch oft Frager und Zweifler in Workshops erlebt, die keinen Sinn darin sehen, dass in einem Bild beispielsweise bestimmte Linien oder Formen zu sehen waren. "Form und Inhalt" zusammen macht jedoch, finde ich, ein gutes Foto aus, nicht nur "der entscheidende Moment" ohne ästhetisches Zusammenspiel von Farben, Formen, Kontrasten etc.

Ein Beispiel nicht-fotografischer Art ist das FEDEX-Logo, das nicht nur den Inhalt, also den Namen transportiert, sondern auch einen sehr clever gesetzten Pfeil beinhaltet. Das ist für mich der Unterschied zwischen beliebigem und sehr gutem Design. In der Fotografie gilt das m.E. genauso.

Es kommt natürlich immer auf den Zusammenhang an. Wenn ich eine Person vor dem Hintergrund "freistelle", macht das meistens Sinn, aber einen Soldaten in Camouflage in einem Versteck "freizustellen" ist inhaltlich vermutlich unsinnig.

Wo steht das geschrieben? Leute, die Wahrnehmungspsychologie betreiben, so etwas geschrieben. Zum Beispiel die "Gestalttheorie" / "Gestaltpsychologie" vor knapp 100 Jahren.
Kai_R Kai_R Beitrag 94 von 177
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Der allseits bekannte Herr Mante beschreibt so etwas übrigens auch in seinem Werk "Das Foto" Bildaufbau & Farbdesin. Sehr akademisch aber ausführlich.

Das Dinge sich nicht überdecken sollen - klar, auf einem zweidimensionalen Medium muss ich ja tricksen, um einen räumlichen Eindruck zu erzeugen. Klassisches Beispiel dafür, dass sich "Dinge" nicht überdecken sollen ist wohl di Straßenlampe, die einer abgebildeten Person aus dem Kopf wächst... es sieht in der Regel bescheuert aus ;-).
Romana T. Romana T. Beitrag 95 von 177
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Mir ist grade spontan die Idee gekommen: wenn jemand seit 3000 Jahren alle 10 Jahre von ein und demselben Standpunkt aus wahllos ein Foto von der Gegend gemacht hätte, wäre das die interessanteste Streetfoto-Sammlung aller Zeiten. Die Fotos könnten auch unscharf, schlecht belichtet, verwackelt und ohne jeden grafischen Aufbau etc. sein. Es wäre einfach ein Blick auf die Geschichte des menschlichen Alltags in 300 Bildern, eine Sammlung von unermesslichem Wert, weil sie proppenvoll von einmaligen Informationen über den Wandel des menschlichen Lebens wäre.

Bei einer solchen Serie wäre man ziemlich verärgert, wenn die Fotos nicht neutral die gesamte Umgebung zeigen würden, sondern zB mit langer Brennweite einen Gothen, der formatfüllend in die Wurst beisst, während das Drumherum in einem weichen Bokeh verschwindet. Man will ja auch sehen, wie die Umgebung des Menschen in dieser Zeit ausgesehen hat, welche Häuser, welche Transportmittel, was sich sonst noch auf der Strasse tummelt, wie der Zustand der Strasse ist, ob es Händler, Geschäfte usw. gibt. Man will einfach sehen, wie gelebt wurde.
Das könnte für heutige dokumentarische Streetfotografie ein Anhaltspunkt sein: so viel Info wie möglich über die Zeit ins Bild packen. Und, wie Jürgen das beschrieb, rechtzeitig mit der Cam da sein, wenn man spürt, dass sich eine Änderung, ein Modernisierungsschub anbahnt. Dann muss man nicht ganz so lang warten, bis das Foto als historisches Zeitdokument interessant geworden ist.

Und dann gibt es da natürlich noch die anderen Aspekte der Streetfotografie, wo durch geschickte Auswahl einer ganz alltäglichen Strassenszene eine Aufnahme entsteht, die verblüfft und überrascht. Sei es, dass dabei ein Kunstwerk mit ganz besonderer Grafik entstanden ist, oder eine besonders originelle Szene festgehalten wurde.
N. Nescio N. Nescio   Beitrag 96 von 177
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Die freistellungsdiskussion basiert wohl hauptsächlich auf fotoamateur-wettbewerbsbewertungsklischees.

Jedes Bild, das nicht nach situativ-sinnvollen Kriterien komponiert ist, ist zwanghaft schematischer oder zufällig belangloser Kitsch/Schrott.

Das Thema Reportage, News oder Konzept oder von mir aus fotokunst haben andere Kriterien als sich auf die Straße zu stellen und krampfhaft auf freistellungsopfer zu lauern.

Auch heute gibt's wie zu allen Zeiten gute Streets - nur löscht niemand den sie verdeckenden belanglosen streetmüllberg und drum sieht man sie schwer.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 97 von 177
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Zitat: Dame Eda 04.10.15, 01:21Zum zitierten BeitragZitat: Thomas Bregulla 03.10.15, 22:34Zum zitierten BeitragZitat: Dame Eda 03.10.15, 19:52Zum zitierten BeitragGut, aber hat nicht im Grunde genommen jedes Bild einen geometrischen Aufbau?
Oder anders gesagt, wenn ich ein Bild "malen" will - egal, ob mit Bleistift, Pinsel, Computer oder mit Licht bzw. der Kamera - habe ich ja gar keine andere Wahl, als Punkte, Linien oder Flächen zu malen, die in geometrischen Relationen zueinander stehen.


Nein haben sie nicht. Linien werden unterbrochen, Dreiecke unharmonisch abgehackt, Winkel schlecht gewählt und das schlimmste von allen - menschen oder dinge überdecken sich gegenseitig. ausserdem - bei guten fotos ist das bild gefüllt, bei schlechten fotos nur ein teil des bildes. [...]


Wo steht geschrieben, dass Linien nicht unterbrochen werden sollen, dass sich Menschen oder Dinge nicht überdecken sollen oder dass gute Bilder keine leeren bzw. 'nicht gefüllte' Bereiche haben sollten? Es würde mich aber noch weit mehr interessieren, ob irgendwo geschrieben steht, weshalb das so sein soll.

Und (wie) können Dreiecke harmonisch abgehackt werden? Welche Winkel sind wann gut, welche schlecht?


Man kann sicher immer alles hinterfragen, und nach dem Begründer der Regel suchen. Oder man schaut sich Bilder an, die voll sind, voller Ebenen, mit zufälligen Anteilen, die man nicht so planen kann.
Dann im Vergleich schaut man sich die Bilder an, bei denen der Fotograf weniger Aufmerksamkeit darauf spendiert hat, das Bild zu gestalten. Dann braucht es keine Begründungen mehr, kein wo ist das geschrieben.
Und, klar, dass man auch bewusst dagegen verstossen kann und mit leerem Raum fragen stellen, Druck erzeugen kann, was dann ein Bild besonders macht.
Aufmerksamkeit für das Bild, wie und womit fülle ich "den Rahmen" - das ist, was gute Fotografie und natürlich auch die Fotografie auf der Strasse ausmacht.

Ich möchte hier an eine andere Diskussion anknüpfen, bei der es um meine negative Einstellung zum Lernen ging. Lernen ist nicht nur Theorie, sondern kann auch und besonders durch eigene Erfahrung geschehen. Man spürt es dann nicht als lernen, sondern durch die sich einstellende Erkenntnis. Lernen durch Erfahrung ist jedoch schwerer zu beschreiben, weil der Lerneffekt nicht durch Worte, sondern durch Gefühl sich einstellte.
Daher bin ich nicht der richtige Ansprechpartner für "warum ist etwas harmonisch oder nicht", mir reicht es schon, wenn ich etwas als harmonisch ansehe.
Gefühl gehört meiner Ansicht nach mindestens genauso zur Fotografie, wie Gehirn. Wenn nicht sogar mehr.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 98 von 177
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Zitat: N. Nescio 04.10.15, 09:16Zum zitierten BeitragAuch heute gibt's wie zu allen Zeiten gute Streets - nur löscht niemand den sie verdeckenden belanglosen streetmüllberg und drum sieht man sie schwer.

Die Auswahl aus den eigenen Bildern ist der schwierigste Punkt. Man muss das Bild von der eigenen Emotion zum Bild trennen. Häufig suchen Fotografen Bilder aus ihren eigenen Bildern aus, die sie von anderen Fotografen nicht aussuchen würden. Die Ursache liegt darin, dass man mit dem Bild auch die Emotion und die Erinnerung an den Zeitpunkt ablegt. Wenn man das Bild dann erneut betrachtet, kömmt diese Emotion, die man nur als Fotograf hat, zurück - man betrachtet das Bild mit anderen Augen.
Hier ist es wichtig, diese emotionale Erinnerung zu unterdrücken und rein nach erzählerischen, gestalterischen Aspekten in einem Bild zu suchen, um die wirklich guten Bilder zu selektieren.

Eigentlich sollte eine Fotoplattform wie die fc eine strengere Selektion unterstützen, im Vergleich zu Flickr, wo man die komplette Serie als Batch hochladen kann, aber dennoch gelingt es nicht immer. Das unterstreicht, meines Erachtens nach den eben beschriebenen Punkt zusätzlich.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 99 von 177
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Zitat: Thomas Bregulla 03.10.15, 17:22Zum zitierten Beitrag

Tobias Kruse im Interview zu 25 Jahren Ostkreuz und der Fotografie im öffentlichen Raum, was eine weitaus größere Krise beschreibt, als viele schlechte Fotos.
http://www.deutschlandradiokultur.de/fo ... _id=332828



Zitat von oben verlinkter Seite
Zitat:Der Rechtsstreit, in den der Ostkreuz-Fotograf Espen Eichhöfer immer noch verwickelt ist, ein weiteres. Eichhöfer hatte eine Frau in Berlin beim Überqueren der Straße abgelichtet - sie verklagte ihn.
Dieser einführende, polemische Satz sagt doch alles.

Die Frau hat meines Wissens nach nicht geklagt, weil sie abgelichtet wurde, sondern weil sie durch das Foto, weil zur Kunst "erklärt", zum Objekt öffentlichen Interesses wurde.
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 100 von 177
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Zitat: Frank Dpunkt 04.10.15, 11:46Zum zitierten BeitragDie Frau hat meines Wissens nach nicht geklagt, weil sie abgelichtet wurde, sondern weil sie durch das Foto, weil zur Kunst "erklärt", zum Objekt öffentlichen Interesses wurde.

die Frau hat geklagt, weil sie sich erhofft hatte, auf diese Weise einige Euros herauszuschlagen.
Der entstandene Schaden ist weitaus größer, als hier einige vermuten oder akzeptieren werden.
Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, wird es keine Bilder aus dieser Epoche geben, die den Zeitgeist beschreiben. Es geht hier nicht um die Hobby Bressons, die die Welt zumüllen, sondern um wahre Dokumente.

Aber so hat sich unsere Gesellschaft eben entwickelt. Da wird der öffentliche Raum auch zur Privatshpäre umgedeutet.
Markus Hack Markus Hack Beitrag 101 von 177
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Ob es der Frau nur um ein paar Euro ging ist Interpretationssache.

Ich beobachte dazu höchst widersprüchliche Verhaltensweisen.

Da gibt es Menschen die alleine beim Vorhandensein eines etwas größeren Fotoapparates um ihre Persönlichkeitsrechte fürchten und bei der nächsten Party sich volltrunken und halbnackt vor jede Linse werfen, um sich am nächsten Tag in einer Online-Zeitung zu finden.
0x FF 0x FF   Beitrag 102 von 177
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Dass Fotografie im öffentlichen Raum zunehmend kritisch gesehen wird, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Mit dicker Knipse auf der Wiesn ist man mittlerweile an jeder zweiten Ecke Anfeindungen ausgesetzt. Meist kommen die von Dritten, die gar nicht fotografiert werden, aber denken, sie müssten sich für die Opfer der Fotografieattacke einsetzen und diese notfalls mit Gewalt unterbinden. Dabei reichen die Vorwürfe von "sensationsgeiler Presse" bis zu "pädophiler Sau". Allgemein herrscht die Überzeugung, dass es gesetzlich in jedem Fall verboten wäre, Menschen ohne deren Einverständnis zu fotografieren.

Interessanterweise sind es ausschliesslich Deutsche, die sich echauffieren und interessantwerweise scheint sich niemand aufzuregen, wenn mit dem Handy unter Dirndlröcke oder direkt in die Gesichter von besoffen Herumliegenden geknipst wird.
xxx xxx Beitrag 103 von 177
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Zitat: Thomas Bregulla 04.10.15, 12:35Zum zitierten BeitragSollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, wird es keine Bilder aus dieser Epoche geben, die den Zeitgeist beschreiben.

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so isses!
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 104 von 177
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Zitat: Thomas Bregulla 04.10.15, 12:35Zum zitierten BeitragZitat: Frank Dpunkt 04.10.15, 11:46Zum zitierten BeitragDie Frau hat meines Wissens nach nicht geklagt, weil sie abgelichtet wurde, sondern weil sie durch das Foto, weil zur Kunst "erklärt", zum Objekt öffentlichen Interesses wurde.

die Frau hat geklagt, weil sie sich erhofft hatte, auf diese Weise einige Euros herauszuschlagen.


Woher hast du die Beweise für diese Behauptung?
Ehemaliges Mitglied Ehemaliges Mitglied Beitrag 105 von 177
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Zitat: 0x FF 04.10.15, 12:59Zum zitierten Beitrag... Mit dicker Knipse auf der Wiesn ist man mittlerweile an jeder zweiten Ecke Anfeindungen ausgesetzt. ...

Richtig.
Was hat sich seit HCB in der Medienwelt getan?
Was hat sich verändert?

Die Frage dürfte jeder hier ziemlich schnell beantworten können.
Seit web2.0 ist es nicht mehr nötig über ein Lektorat zu gehen wenn jemand veröffentlichen möchte, auch Kuratoren sind nicht mehr nötig.
Da wehrt sich eben wer objektiviert wird.

Ich hab mittlerweile Verständnis dafür.
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