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Constantin Koparanidis


kostenloses Benutzerkonto, Warendorf (NRW)

Wolkenverhangen

Es ist Sonntag. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel. Es kribbelt im DSLR-Auslöseknopf-Finger. Zeit um den Fotorucksack samt Inhalt (Leere Speicherkarte in der Cam? Akku geladen bzw. überhaupt eingepackt? etc.… ) zu satteln um feine Motive abzulichten. Nur wohin? Eine Frage die ich mir in den letzten Wochen immer öfter stelle, denn so langsam hat man seine Hot-Spots in der Umgebung abgeklappert. Zudem sind an schönen Wochenendtagen die Wälder, Seen und andere Sehenswürdigkeiten mit Menschen bevölkert, die einem das Fotografenleben so manches Mal schwer machen können. Alle Naselang wird man angesprochen, argwöhnisch begutachtet oder von einem freilaufenden Hund beschnüffelt. Wenn man dann zufällig in verrenkter Pose auf dem Boden liegt, um den - ach so - schönen Pilz abzulichten … tja, da hab ich schon Verständnis für meine Mitmenschen und Tiere die dann kopfschüttelnd, grinsend oder schwanzwedelnd (Hunde! Ich meine Hunde! Vierbeiner sind gemeint!) vorbeilaufen.

Mir fiel eine verlassene Lichtung in einem nahe gelegenen Wald ein, an dem früher mal Holzstämme gelagert wurden, bevor diese nach dem Fällen im Sägewerk ihrem Schicksal ins Auge blicken. Da iss´ nie was los - da hab ich meine Ruh´. Also, auf geht’s …

Dort angekommen, begrüßt mich die Lichtung mit allerlei hohem und vertrocknetem Gras. Die Bäume drum herum hatten das meiste Laub bereits abgeworfen und zeigten keine interessanten Formen oder Farben. Ich lief ein bissel umher und entdeckte eine großzügige Fläche überwuchert von verblühten Disteln, wilden Karden, Bärenklau und den nun im Herbst puscheligen Wasserdost.

Direkt fiel mir ein Thema ein, über dass ich in einem großen, bekannten Fotoforum gelesen hatte. Dort gibt es einen noch immer aktiven Naturfoto-Workshop, in dem Radomir Jakubowski, mein Vorbild in Sachen Fotografie, ziemlich zu Anfang die Thematik „Hindurch fotografieren“ vorstellt. Die hundertfach vorhandenen, pusteblumenartigen Wasserdost-Puschel, luden quasi dazu ein, als schleierhafter Vorder- und Hintergrund zu dienen. Ich suchte mir eine verdorrte Distelblüte, eine passende Perspektive und startete damit, das gelesene in die Praxis umzusetzen. Ich Schlauberger hatte die kurze Mittelsäule im Stativ verbaut (die lange lag selbstredend zu Hause) und konnte das in Augenhöhe befindliche Motiv so nicht erreichen. „Freihand“ war nun mehr oder weniger angesagt. Und so knipste ich bis zu 100 Bilder in allen erdenklichen Variationen.

Geschlagene VIER Stunden verbrachte ich auf dieser Wiese (nur unterbrochen von einer kurzen Brotzeit + Schokoriegel-Nachtisch) und fand das gewählte Thema großartig. Irgendwann wurde das Licht immer schlechter und ich schaute auf die Uhr. 16.20 Uhr. Winterzeit. Der Sonnenuntergang naht. Ich packte meine sieben Sachen und fuhr an ein nahegelegenes Feld, um den Tag mit einem sensationellen Sonnenuntergang zu verabschieden. Herrlich. Ich atmete tief durch. Die Luft war kalt, Nebel stieg auf und ich fing an zu frösteln. Ich zog meine Handschuhe an und merkte das er nicht mehr kribbelt … der DSLR-Auslöseknopf-Finger. Gute Dienste hatte er geleistet und war froh (wie auch der Rest meines Körpers) nun Richtung heimisches Sofa zu radeln. Für den Rest des Abends war faulenzen angesagt …

Die oben zu begutachtende Aufnahme, ist nun eine von wenig scharfen und zufriedenstellenden in Sachen Blickwinkel, Farben und Komposition. Da rächte sich das nicht so wirklich einsatzbereite Stativ. Das Motiv ist weder von der Tonung noch von der Weichzeichnung bearbeitet (auch wenn dies naheliegt). Unglaublich was man für Ergebnisse erzielen kann, wenn man durch etwas hindurch fotografiert. Beim Motiv „Pilz-Idylle“ war ich seinerzeit ähnlich vorgegangen. Lediglich der schmale Bildschnitt (an dem ich eine Ewigkeit hin und her probiert habe – 1:1? 3:2? 16:9? etc.) Sättigung und Schärfe wurden im Workflow angepasst. Rahmen hab ich weg gelassen, da er irgendwie nicht passte oder ablenkte. Der Bildschnitt könnte von der Höhe und Breite ggf. noch schmaler sein, doch dann sah´s in meinen Augen zu gedrungen aus. Ich hab´s einfach so gelassen. Wollte nicht zu viel Korrekturen via Software anwenden, da ich mir angewöhnen möchte, die letztendlich gewünschte Aufnahme und Wirkung schon beim Fotografieren zu ca. 80 – 90 % zu erreichen. Nicht später via Photoshop alles lieblos zusammen schustern. Schließlich will ich fotografieren und kein Grafikdesigner werden. :-) Ohne bissel Makulatur geht es dann aber doch nicht. Da machen wir uns nix vor. Da die Aufnahme schon so – für meinen Geschmack - gelungen aussieht, ist weniger wieder mehr …

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