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Weihnachtsgeschenke die zu spät ankamen

Weihnachtsgeschenke die zu spät ankamen

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Weihnachtsgeschenke die zu spät ankamen

Ralf durfte Weihnachten 1980 am Heiligabend einschließlich des 1. Weihnachtsfeiertags zu Hause bei seiner Familie bleiben.
Planmäßig hatte ich ja Ruhe, so bin den Personallokleiter bewußt aus dem Wege gegangen. Allein gesehen werden konnte einen schon zum Verhängnis werden.
„Gehe nicht zu deinen Fürst wenn du nicht gerufen wirst“.
Damit bin ich immer recht gut gefahren die ganzen Jahre. Auch hasse ich es mir eine Unmenge Ausreden einfallen zu lassen, eine Sache die ein Lokführer selbstverständlich beherrscht. Nur in dem Falle hatte ich einfach keine Lust dazu.
Der 2. Feiertag ist zugleich der Geburtstag meiner Tochter die dieses Jahr 40 wurde.
An diesen Tag mußte ich stramm stehen für 100% Feiertagszuschlag, eine Päckchen „Rondo“ Bohnenkaffe (125 g) und eine Zigarre als Nichtraucher.
Unchristlicher Dienstbeginn 5.50 Uhr, also aufstehen 4.15 Uhr in Ruhe frühstücken dann der Pappe die Sporen geben von Pößneck nach Saalfeld. Auf der damals noch freien Rennbahn – der B 281 - davon kann man heute nur träumen.
Ablösen die Kollegen am Bahnsteig zum P 8012 der Gera als Ziel hatte.
Eine Kohle 01 war laut Plan vorgesehen, die letzten Tage war es die 01 1512.
Wie sollte es auch anders seien, es gab so was wie einen Plan daneben die Wirklichkeit wo genau dieser zur Makulatur wurde.
Irgendwo her hatte der listige Lokleiter eine 110 für den P 8012/8015 aufgetrieben die ja vollkommen reichte zu der Leistung. Weil Feiertag war fiel die Restleistung Sl. P 3036 Pößneck und zurück P 8017 Saalfeld ohnehin aus.
Ein Mann wurde bei dem Deal gleichzeitig eingespart.
Meinen Heizer und mich hat der Kollege in der Lokleitung so zu sagen frei geschaufelt für eine Sonderleistung die sich bereits auf Saalfeld zu bewegte.
Der weiter nach Rudolstadt Güterbahnhof gebracht werden mußte zum Auslieferungslager für Autos.
Ein ganzer Zug voller Weihnachtgeschenke die nun leider zu spät angekommen sind. Eine Menge DDR Bürger hätten nach oft 12-14 Jahren Wartezeit in den Zustand der Glückseligkeit versetzt werden können.
Aus was für einen Grund auch immer, es sollte nicht seien.
Ob dafür jemand zur Verantwortung gezogen wurde werden wir wohl nie erfahren.

Die Dienstälteste 44er = 44 0104 und genau so sah sie aus wurde uns zugesprochen. Keine Lok womit man sich sehen lassen kann, da war nichts mit Stolz sich zum Fenster raus lehnen.
Um wenigstens etwas besser da zu stehen habe ich schnell so gut wie möglich das Führerhaus mit Diesel abgewischt. Etwas von dem ursprünglichen Schwarz kam so zum Vorschein.
Die Lok war dankbar für die Streicheleinheiten in dem sie trotz ihres schlechten Aussehens dann durchgehalten hat bis zum Schluß.
Wir aber insgeheim froh diesen wenn auch äußerlich unansehnlichen Öler an den Tag zu haben es herrschte die Kälte. Öllok = Wärme auf dem Führerstand zu der Jahreszeit.
Nicht das nun jemand auf den Gedanken kommt wir hätten angehängt um Lz zurück nach Saalfeld zu fahren.
Nein jetzt ging es erst richtig los mit der Arbeit die wir auch Hobeln nennen. Abgehangen haben wir schon doch nur um mal drum herum zu fahren.
Um den langen Zug auseinander zu rupfen in mehrere kleine Teile, diese dann vorsichtig an die Rampe zu drücken. Wo die Trabbis dann mit reng, peng, peng auf die Ladestraße rollten.
Es brauchte schon seine Zeit bis alle der begehrten Autos den Zug verlassen hatten. Wir danach schließlich die Wagen zu einer langen leeren Wagenschlange wieder zusammen gebastelt hatten.
Der Zug fertig zur Abfahrt nach Saalfeld war.
Jetzt ging alles ein bisschen schneller, es wurde der Tender getestet und glaubt mir er läuft rückwärts mehr als 50 km/h.
In Saalfeld angekommen gab es nur eins, abhängen durch Gl. 7 hörbar gefahren mit Wasserhalt an bekannter Stelle. Bei der Vorbeifahrt am Stellwerk – Achtungspfiff - und der Zuruf „von vorne auf den Friedhof“. Aus dem Lautsprecher plärrt es „Lok zum Friedhof kann kommen“ – noch mal bekommt die Pfeife Dampf um mitzuteilen wir haben verstanden. Die Luftpumpe ist schon geschlossen, überhaupt die Lok zum abstellen fertig und Schüß.

Das war’s der 2. Weihnachtsfeiertag vor 26 Jahren an dem auch kein Schnee lag wie dieses Jahr, es nur sehr kalt gewesen ist.
Den Rest des Tages feierte ich mit der Familie den 14. Geburtstag meiner Tochter doch schon am nächsten Tag ging es 7.30 Uhr weiter mit E 802 Leipzig / E 805 Saalfeld und der 01 1512.

2006 wurde diesmal würdiger, den Anlass entsprechend im Bad Wildungen im vornehmen Quellenhof Hotel nun der 40. Geburtstag meiner Tochter gefeiert ohne dass mich irgendein Dienst drängelte oder erwartete.

Bleibt mir nur noch all den treuen Anhängern meiner alten Fotos und Geschichten hier ein gutes neues Jahr 2007 zu wünschen.

Ralf


Kommentare 16

  • CyranoPuschkin 25. Dezember 2007, 13:38

    Bin neu hier;
    und von Deiner - mit Bild garnierten - Geschichte sehr angetan.
    Hoffe es gibt noch mehr(ere) hier ;-) ... !!!
    ALLES Gute auch für ...
    ... inzwischen schon 2008 !
  • Fred Apostel 6. Februar 2007, 17:40

    Hallo, sitze gerade mit Matti Geist zusammen und wir bestaunen deine tollen Fotos. Klasse finden wir deine Bildbeschreibungen. Da kommt unter Eisenbahnern Wehmut auf. Erinnerungen an die gute alte DR-Zeit. Hab dich mal auf meine Buddyliste gesetzt und werde öfters mal bei dir vorbeischauen.
    Gruß Fred
  • Michaela Heckers 1. Februar 2007, 15:21

    HI Ralf,
    daß Du "Nichtraucher" bist, ist ja wohl eine Halbwahrheit - wenn ich mir so einige Deiner Bilder anschaue... ;-)))
    Und was die werdenden Trabi-Fahrer angeht, so war für die doch die Ankunft des ersehnten Gefährts sowieso wie Weihnachten, denen hat´s sicherlich nichts ausgemacht, wenn das Auto einige Tage nach Weihnachten ankam, die haben dann sicherlich nochmal gefeiert... ;-)
    Das Bild mit dieser langen Reihe Trabibeladener Rungenwagen finde ich jedenfalls faszinierend, das ist so ein richtiges Symbolfoto...
    LG, Michaela
  • Anja Pfeifer 3. Januar 2007, 5:32

    Und wieder eine sehr lebendige Schilderung zu einem sehr interessanten Photo - Danke Dir.

    Liebe Grüße von Anja, die versucht wieder öfters hier zu sein ...
  • Matti Geist 2. Januar 2007, 23:24

    Ein geschichtlich in jeder Hinsicht interessantes und vergangenes Bild. Als alter Trabifan begeistert mich besonders, diesen Zug zu sehen. In der Nähe des Rudolstädter Güterbahnhofs war das IFA-Auslieferungslager, kann mir gut vorstellen, wie Ihr den Zug aus dem Gleis 4 hier stückchenweise weggesetzt habt.
    Ich gebe dir absolut recht, den Zustand der 44 0104 kenne ich eigentlich auch nicht anders...;-)
    Der Blick auf die Heidecksburg ist von deinem Fotostandpunkt seit einigen Wochen besser, alle Stellwerke in Rudolstadt wurden nach der ESTW-Inbetriebnahme nun abgerissen...
    im letzten Winkel versteckt
    im letzten Winkel versteckt
    Matti Geist

    Gruß
    Matthias
  • Ralf Göhl 31. Dezember 2006, 11:32

    Kurz vor Toresschluß möchte ich allen hier Dankeschön sagen für die lieben Anmerkungen.
    Mit hoffentlich einen Wiedersehen im Jahr 2007 - an gleicher Stelle, Freitags wenn möglich.
    http://img263.imageshack.us/my.php?image=fst010522ioy9.jpg
    Guten Rutsch wünscht Ralf
  • Thomas Reitzel 30. Dezember 2006, 13:47

    Wie schön, hier genüßlich den Text zu Deinem Bild zu lesen. Dein Dienst an diesem Tag wird alles andere als gemütlich gewesen sein, Rangierarbbeit ohne Ende mit quälenden Pausen dazwischen - alles vorbei!
    Auch Dir ein gesundes, dampfreiches Neues Jahr, allzeit gute Fahrt und zum Fotografieren immer das richtige Licht!

    Tom
  • Till Mosler 30. Dezember 2006, 12:59

    Tolles Zeitdokument! Es gibt einen schönen Blick zurück auf die damalige Lage wieder. Für die Fuhre würde man sich heute am Bahndamm Stunden in den Bauch stehen. Auch eine interessante Beschreibung der Situation dazu!

    Ich bin gespannt auf weitere!

    Einen guten Start ins Jahr 2007 wünscht

    Till
  • Jean Albert Richard 30. Dezember 2006, 7:15

    Ein wertvolles Zeitdokument mit passender
    Dokumentation dazu.
    Danke, Ralf, und Dir auch ein gutes neues Jahr.
    Liebe Grüße,

    Jean
  • Christian Kruse 29. Dezember 2006, 21:16

    Hallo Ralf, soll ich mich nun freuen über das schöne Foto oder amüsiren über deine Geschichte? Ist auch egal, denn beides ist gut.
    LG und nen guten Rutsch Christian
  • Gerhard Jacobs 29. Dezember 2006, 19:45

    Die sind ja noch nicht einmal auf doppelstöckigen Wagen.
    Tolles Foto!

    Da hast du aber wieder was erlebt.

    VG Gerhard
  • Herr Ring 29. Dezember 2006, 16:07

    Also ich hätt gern einen Trabant in beige, oder doch lieber zweifarbig abgesetzt in beige/beige oder anders herum in beige/beige vielleicht ?
    Ich weiß nicht recht, wie er aussehen sollte - kann mich immer so schlecht entscheiden ...

    Gruß Sven
  • Steffen°Conrad 29. Dezember 2006, 16:05

    Auf solche Geschenke hätt man auch noch eine Woche länger gewartet...
    Für den Erhalt einen nagelneuen Trabbis wär eh ein Fest gefeiert worden ;-))

    Dies Foto ist garantiert ein Highlight-
    solche Züge gab es nicht so oft zu sehen wie heute!!
    Deine Geschichte versteht man als Verkehrsarbeiter besonders gut-
    es galt selten was auf dem Kalender stand-
    der Dienstplan bestimmte das Leben.

    Die Perversion des Spritsparens ging mit solchen Fuhren z.B. soweit, das in Magdeburg Autos von der Bahn umgeladen wurden auf extra umgebaute Güterloren der Straba-
    und damit die Plastebomber in die Auslieferungsstelle gekarrt wurden...

    Guten Rutsch
    Steffen
  • S Carstens 29. Dezember 2006, 13:01

    Einfach nur Danke für Deine Beiträge hier und im HiFo. Dir (und allen anderen) ein gutes neues Jahr.
    Grüße aus HH
    Stefan
  • Jörg-M. Seifert 29. Dezember 2006, 12:34

    Wunderbare Geschichten mit historischen Aufnahmen garniert....

    Mahlzeit!

    :-)