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Nachtschwärmer oder ein Foto ohne Sonnenschein

Nachtschwärmer oder ein Foto ohne Sonnenschein

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Nachtschwärmer oder ein Foto ohne Sonnenschein

Allen Freunde sowie Liebhaber meiner kleinen Geschichten aus dem Dampfalltag vergangener Zeiten wünsche ich hiermit ein frohes hoffentlich sonniges Pfingstfest
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Eisenbahn, - sie fährt nicht nur am Tag und bei Sonnenschein allein zur Freude all der Jäger mit der Kamera am Schienenstrang.
Rund um die Uhr drehen sich die Räder bei den Bahnen auf der ganzen Welt auch wenn die meisten Menschen Nachts in ihren Träumen liegen.

So geschehen auch am 20. August 1980 fast 30 Jahre her, als wir unsere Kollegen in Feierabendstimmung von Leipzig mit dem E 805 gekommen an der Drehscheibe in bester Laune ablösten.
Es war die Altbau 01 2204-4 die sich bereits vorher in Dresden als Museumslok heraus gemausert hatte. Jetzt wieder im normalen Plandienst ihr Brot mit den anderen noch vorhandenen Kohle 01ern verdienen musste.
Also eine Kohle 01 die da leichtfüßig sachte quer über die Weichenstraße Richtung Bw angerollt kam. Gleich ohne Halt an dem wohl Weltbekannten Wasserkran zwischen Gl 6/7 frech vorbei fuhr wo in der Regel das Wasserfass erst mal gefüllt wird.

Wie sagt da einer immer in der Werbung so schön, - „Ich möchte das nicht“.
Aber in unseren Falle,- „Wir brauchten das nicht“.
KWF (Kohle, Wasser, Feuer) stand erst viel später auf unseren extra Lokumlaufplan für Kohlemaschinen.
Wasser einschließlich Kohlen reichten allemal für unseren nächtlichen Katzensprung im untergeordneten Diensten mit den Nahgüterzügen 66 490/491 nach Rudolstadt Güterbahnhof und Zurück.
Arbeiten wie Gewinde schneiden (Steuerung ständig Vor u. Zurück drehen) war da angesagt unter vollen Körpereinsatz bis die Arme erschlaffen. Was mitunter sehr nervig und anstrengend werden kann.
So bekam die Steuerspindel von mir immer eine kräftige Überdosis Spezialöl eigener Mischung verpasst.
Denn überall gab es irgendetwas zu rangieren, oft zweifelte man an dem was sich ein Rangierer so alles dabei ausdenken konnte.
Ob das wohl immer alles wirklich so richtig war?
Wollte er die Wagen nur nach Farbe, Schönheit oder was weiß ich sortieren?
Wie dem auch sei der Mann hatte nun mal die Pfeife im Mund nach der wir unweigerlich tanzen mussten. Vor, zurück, zur Seite lang.
Sicherlich kam es hin und wieder auch mal vor das wir sein Tun anzweifelten und setzten uns damit auseinander. Mitunter gab der Rangierbesessene sogar nach oder wir hatten den Sinn seines Spiels verstanden das Modelleisenbahner so viel Spaß bereitet.
Selbst mir im Maßstab HO auch ohne Ende :-)

Das Rangieren lag endlich hinter uns der Zug war gebildet genauso wie die Bremsprobe in Rudolstadt– Schwarza. Auch einer von dem vielen Bahnhöfen die heute kaum noch wieder zu erkennen sind.
Zu viel wurde verändert wenn nicht abgerissen, entfernt wurde wie z. B. das kleine reizende Stellwerk Si das im dunklen deutlich durch seine hell leuchtenden Fensterrahmen aber auch Beschriftung gut zu erkennen ist.
Dort werden wir in der Nacht noch einmal vorbeikommen. Jedoch das gute Stück dann links liegen lassen mit einen allmorgendlichen Personenzug den Abzweigt rechts nach Bad Blankenburg befahren.
Auch diese Verbindung gibt es inzwischen nicht mehr. Die ein Dreieck darstellte über das zur Not Loks gedreht werden konnten. Nicht nur das sondern die Strecke auch als Umleitung oder Abkürzung Richtung Rottenbach / Arnstadt diente.
Noch ist es nicht soweit, bis dahin fließt erst mal eine Menge Wasser die Saale runter die Zeiger der Uhr müssen einige Umdrehung absolvieren.

Links im Bild sind Teile des riesigen VEB Chemiefaserkombinates Schwarza zu erkennen wo ganz früher mit Thermosflasche (Feuerlosen Loks) rangierten wurde.
Doch mehr in Erinnerung habe ich da die Werksdiesellok der Reihe T334 aus der tschechischen Republik die dort ständig herum wuselten.
Die planmäßige Abfahrtzeit kam immer näher somit standen wir jetzt da wie der Ochs vorm Scheunentor.
Die Kohlebretter waren zwischenzeitlich entfernt worden, mit dem Zweizahn kratzen wir die benötigte Kohle vor.
Keine Angst hinten im Tender war noch genug von dem Zeug das eben nur vor geholt werden musste.
Vorteil für mich dadurch war es mir überhaupt möglich das Foto in der Art zu schießen.
Warmes Licht erstrahlt unseren ganzen Führerstand, gewährt zugleich einen kleinen Einblick in eben diesen.
Das Feuer lodert schon mit hellen Schein, Michas Kaffeetopf steht traditionsgemäß auf der Ablage über der Feuertür so bliebt seine Brühe immer schön warm.
Gefährlich leichtsinnig wurden die Frachtbriefe auch dort abgelegt, kaum auszudenken wenn die ins Feuer gefallen wären. Dann natürlich hätte ich alt ausgesehen, einer der vielen Schutzengel für die Schwarzen war wie so oft auf meiner Seite.

Mein Arbeitsplatz auf der 01 2204
Mein Arbeitsplatz auf der 01 2204
Ralf Göhl

Einen Blick über den Kesselscheitel nach vorn zum Schornstein dort sehen wir immer noch einen kleinen roten Punkt der uns die Ausfahrt verweigert.
Es geht stark auf 23.00 Uhr zu, lang kann es nicht mehr dauern bis das rot da vorn sich in ein erfreuliches grün verwandeln wird.
Dann nichts wie weg hier schnell auf nach Saalfeld wo KWF ansteht danach die Kantine ruft.
Also zuerst die Arbeiten mit Schweiß und Augen brennen beim Rauchkammer reinigen, Ausschlacken, Nachschau oder Pflegearbeiten.

Die ganz großen Ohren
Die ganz großen Ohren
Ralf Göhl

Dann die Erholungsphase in der Betriebsküche die selbst in der Nacht nicht ihre Pforten schließt.
Kurz noch mal in der Reservestube vorbei geschaut ein Schätzchen mit den Lokleiter und Kollegen ehe wir so gegen 3.00 Uhr wieder raus müssen an den Zug.
Wie bereits angedeutet noch einmal zur Endrunde mit Personenzügen ums Dreieck, Saalfeld – Rudolstadt – Bad Blankenburg – Saalfeld, das es nun nicht mehr gibt.

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Begünstigt wurde mein Beitrag durch das miese Wetter der letzten Tage doch verbunden mit der Hoffnung das es nun aber endlich besser werden wird.

Euer Ralf

Kommentare 13

  • Volker Thalhäuser 26. Mai 2010, 18:05

    Danke für das Foto und den Text

    Das Ende des Rudersdorfer Tunnels ....
    Das Ende des Rudersdorfer Tunnels ....
    Volker Thalhäuser
    so sieht es ja heute aus

    Weitermachen Volker
  • Roland Martini 25. Mai 2010, 23:58

    Genial, Foto und Text.
    Danke Ralf!
    Gruß
    Roland
  • Jan-Henrik Sellin 23. Mai 2010, 10:16

    Wie immer, ein Genuß!
    Frohe Pfinsten,
    Jan
  • Hartmut Wohlfarth 22. Mai 2010, 16:35

    Was soll man hier noch schreiben, hier wurde schon alles geschrieben, ich war auch mal heiß auf den Job, Denke mir aber so im Stillen das die Wahl auf ein Stellwerk meine Weiche zu Drehen Richtig war, lach ;-)) !!!
    VG Hartmut
  • Ralf Göhl 22. Mai 2010, 9:43

    @ Heinz (Vir Tuell),
    Zu " :-) Automatische Kohlevorräumeinrichtung ".
    Da war ja nur ein böses Beispiel, witzig gemeint.
    Aber mit deinen Beispiel hast du natürlich auch vollkommen recht.
    Obwohl es noch mehr davon gibt eins möchte ich noch schmunzelnd aufführen.
    Wir bekamen einmal für einige Zeit die 41 054 zugeteilt dort stimmte der schädliche Raum nicht mit gleicher Wirkungen.
    Im damaligen Sprachgebrauch sagten wir (man verzeihe mir den Ausdruck) nicht das ist geil sondern die Lok "fickt" wegen der extremen ruckel Bewegungen im Leerlauf.
    Es war so schlimm das sich sogar Fahrgäste aus den ersten Wagen darüber beschwerten. Um Wirkung zu steigen musste man nur Lok und Wagen recht eng miteinander kuppeln :-(((
    Jetzt reicht es, bin schon still.

    Schöne Pfingstfeiertage
  • Steffen°Conrad 22. Mai 2010, 0:20

    Wieder ein herrlichen Insiderbild und Insideranmerken dazu ;-)
    Eigentlich strahlt das Bild Ruhe aus-
    die aber ringsum vor Arbeit eigentlich nicht aufkommen kann, wenn man weis was alles laufen muss damit es fährt.
    Mein erster Gedanke war aber auch gleich..die OL.. soweit isses schon ;-)
    Und den Disput mit den Rangierern, ja in klein gibts und gabs den auch bei der Elektrischen...

    Euch auch schöne Pfingsten
    conni
  • Vir Tuell 21. Mai 2010, 22:54

    ;-) Automatische Kohlevorräumeinrichtung? Oh ja das kenne ich auch. Und es geht auch ohne Flachstellen. Hatten wir bei unserer Preußin! Da hatte ein auf Qualität achtendes Ausbesserungswerk, dessen Namen ich hier nicht nenne, Lok und Tender nach der HU gekuppelt. Aber mit so schwacher Federvorspannunung, daß ab etwa 30 km/h die Kohlen von allein auf dem Tender nach vorne hüpften. Fuhr man etwa 70 km/h, da standen der Meister und sein Linksaußen bis an die Knöchel in den Kohlen und das ist nicht gelogen. Die Heizer schaufelten mehr Kohle zurück auf den Tender als in die Feuerkiste! Erst nachdem wir 40 mm starke Beilagen hinter die Stößel setzten, hatte diese Sache ein Ende.

    @ Ralf, Du schreibst: Das artete in Schwerstarbeit aus. 4 Tonnen bereits in das Feuerloch befördert und eine Tonne liegt noch ganz hinten, die muß nicht nur ins Loch, die muß auch noch nach vorne zur Schaufel. Da bewegt ein Heizer mal ganz locker 6 Tonnen während einer Schicht. Ich denke, wenn man sich dessen bewußt ist, bekommt man doch etwas mehr Respekt vor der körperlichen Anstrengung die ein Heizer verkraften muß. Und heute bei den Museumsbahnen kommt noch das Lösche ziehen und Ausschlacken hinzu.

    Manches mal habe ich mich gefragt, warum sammele ich eigentlich nicht Briefmarken?
  • Klaus Kieslich 21. Mai 2010, 22:24

    Eine fantastische Präsentation
    Gruß Klaus
  • Dr. Ralf Bitter 21. Mai 2010, 22:22

    Ein super Klasse Foto mit einem ebensolchen Stimmungsbericht. Und das ganze an meinem Hochzeitstag aufgenommen auf meiner Lieblings - 01 Altbau. (Sie fuhr ja kurze Zeit bei uns im Norden durch Doberan und Rostock. Da habe ich ihr immer nachgestellt)
    VG und schöne Pfingsten
    Ralf
  • D.R. Dark 21. Mai 2010, 21:24

    Immer wieder druckreif, Deine Geschichten und ein stimmungsvolles Foto dazu - ein Gesamtkunstwerk. Heute kann sich keiner mehr solche Arbeitsbedingungen vorstellen - jedenfalls nicht in unserer 'zivilisierten' Welt.
    Gruss Harald
  • Gerhard Strelow 21. Mai 2010, 17:59

    Sehr interessantes Foto. Aber noch spannender finde ich die Geschichte(n) dazu. Kann ich natürlich nicht mitreden. Habe aber sehr großen Respekt vor den Männern die diese Schwerstarbeit geleistet haben. Die meisten kamen ja nicht einmal bis zum Rentenalter weil das ganze natürlich die Gesundheit angegriffen hat.
    Trotzdem faszinieren mich Dampfloks immer wieder.
    Herzliche Grüsse und
    Frohe Pfingsten
  • Ralf Göhl 21. Mai 2010, 17:34

    @ Heinz (Vir Tuell) < da kann ich mich nicht daran gewöhnen.

    Eigentlich hast du ja recht mit dem Kohlen vor räumen doch das war nur bei der Tour nötig.
    Wie geschrieben wurde danach bekohlt. Glaube mir auch bei der 01 kommen die Kohlen alleine aus ihren Versteck vorausgesetzt das richtig gefahren wird. Was hier kaum möglich ist auf gut 11 Km Entfernung mit dazu noch einen Zwischenhalt bei Hg 60 Km/h.

    Ganz anders war es Mitte der 60er Jahre auf der 44er nach und von Weißenfels als es vorwiegend nur eingleisige Strecke war. Wir mehr Halte als im Plan dazu längere Ausbleibezeiten verkraften mussten.
    Da wurde es oft mehr als knapp, der Tendervorrat fasst am Ende. Das artete in Schwerstarbeit aus wenn dann nicht beide auf einer Welle waren na dann.
    Mit einen alten Lokführer (Spitzname- Brocken Paul) fuhr ich z.B. auf unseren damaligen Planlok der 44 1590. Er war ein Urvieh, heute noch habe ich seine Worte im Ohr wenn er nach hinten in die Grube ging um Kohlen vor zu räumen, - "Kleener pass mal auf die Signale auf", und schon war er weg.
    Da stand ich junges Heizerlein ängstlich da die Fuhre aber rollte unweigerlich dahin. Warf schnell ein paar Kohlen rein, sprang kurz mal nach recht um nach der Signalen zu schauen und war selig wenn Paul wieder an seine Platz stand.
    Das war Stress pur mit späteren Jahren gar nicht mehr vergleichbar.

    Übrigens es gibt auch eine automatische Kohlevorräumeinrichtung, gute Flachstellen im Tender :-)))



  • Vir Tuell 21. Mai 2010, 16:46

    Hurra Erster!

    Zum Foto muß ich ja nichts sagen, daß ist wie immer "allererste Sahne". Deshalb zwei Anmerkungen zum schriftlichen Teil.

    Mit der Geschichte hast Du einem Zweig im Betriebsdienst ein Denkmal gesetzt, der es verdient hat. Viel zu oft hat man den Rangieren es nicht gedankt, wenn sie bei Kälte oder Regen auf den Trittbrettern mitgefahren sind und die Handweichen stellten oder die Wagen kuppelten. Klar manchmal konnten die Jungs da stur wie Hammelköppe sein, aber oft genug haben sie mit ihrem geprüften Sinn für Wagenlängen es optimal gestaltet, damit das Rangiergeschäft schnell über die Bühne ging.
    Manchmal haben sie auch einen Knoten gebaut, den es dann mit gemeinsamen Geschick durchzuhauen galt.

    Und dann das Kohlen vorziehen mit dem Zweizahn. Nichts habe ich so sehr gehaßt wie diese Tätigkeit. Wenn man die ganze Schicht schon gelöffelt hatte und die Bretter bereits in der Ecke standen. Dann war es eine fast übermenschliche Anstrengung die Kohlen von hinten nach vorne zu hohlen. Da lobe ich mir meine Preußin mit ihrer langen Rutsche. Trotzdem, das Vorziehen macht keiner gerne. Da ist man froh, wenn es einen Jungspund auf den Führerstand verschlägt, der die Arbeit macht. Aber heutzutage ist es wegen der Oberleitung nicht ungefährlich.

    Schöne Pfingsten allerseits.