Alfons Gellweiler


Premium (Pro), Aalen (BW)

Musée Rodin II

Musée Rodin I
Musée Rodin I
Alfons Gellweiler



Nathalie begleitete Georg ins Musée Rodin, wo sie gemeinsam versuchten zu begreifen, was die alte Dame gemeint hatte, als sie betonte, sie habe viel von Rodin gelernt. Georg hatte Nathalie von seiner Begegnung erzählt. Natürlich bekam Georg keine eindeutige Antwort auf seine Frage, aber eine Ahnung immerhin nahm er mit.
Rodins Skulpturen ließen nach innen blicken, und was man dort sah, war von der Fülle des Lebens durchdrungen: Man sah Schmerz und Wille, Liebe und Leidenschaft, Lust und Laster. Was sie in den Kunstwerken fanden, waren keine Posen. Alles strahlte Vitalität und Kraft und Klarheit aus. Diese Menschenbildnisse vermittelten Würde. – Georg glaubte zu verstehen. – Allein dieser mit dem ganzen Körper Denkende! Das war genial! – Auch er vermisste ihn in dieser Welt der Zahlen und Tabellen, in der willenlose Spielfiguren Minuten addierten und Profite, Stunden und Gehälter, Jahre und Dividenden. Und kurz vor dem Finale verwiesen sie stolz auf die vielen Summen ungelebten Lebens. Würde Rodin heute überhaupt noch Modelle finden können für seine Plastiken? Das ungefähr waren Georgs Gedanken, als sie das Ausstellungsgebäude verließen und noch ein wenig in der Gartenanlage davor zusammen am Fuße des großformatigen Denkenden verweilten
»Kannst du dir vorstellen, Rodin könnte sich an einem Investment-Banker abarbeiten? Oder an einem dieser überwiegend zahnlosen Politiker? Was würden wir hinter ihrer äußeren Hülle sehen können außer Leere? Das Wesen dieser Zeitgenossen ist doch die Pose. Außer Anzug, Frisur und anderen Symbolen, die den Status nach außen erkennbar dokumentieren, ist doch da häufig nichts. – Das erfordert eine ganz andere Kunst. Der Künstler müsste schiere Masse in einem von Kameras umstellten dreidimensionalen gesellschaftlichen Raum darstellen. – Keine Ahnung, ob so etwas realisierbar wäre.«

(Textauszug, Blende acht, die Sonne lacht)

https://www.fotocommunity.de/photo/titeltb-alfons-gellweiler/47463887

Kommentare 20

  • Roland Göhre 17. Januar 2024, 19:05

    Großartige  Anordnung der Bildelemente. Man sieht viel in diesem Bild...
    VG Roland
  • Dragomir Vukovic 17. Januar 2024, 2:01

    * great one *
  • Udo Straßmann 12. Januar 2024, 18:26

    Vor dem Bronzeguss steht das Gipsmodell...
    VG Udo
  • Alfons Gellweiler 12. Januar 2024, 11:20

    Vielen Dank allen für das Interesse

    Alfons
  • Lucy Trachsel 12. Januar 2024, 9:00

    Das ist verwirrend. So viel ist hier zu sehen! Aber wohin ist die Person verschwunden, die vor der Skulptur steht? Geistreich, auch dein Text.
  • Bernadette O. 11. Januar 2024, 15:43

    Hier kann man sich fragen, wer eigentlich ausgestellt ist und wer betrachtend? Die Dame sitzt irgendwie unbeteiligt da, aber sie ist von den Statuen so umgeben, dass man die Betrachtersituation gut umkehren könnte. Die Blickrichtungen stimmen nur nicht wirklich. Aber die Figuren sind alle aktiver und spannungsvoller als sie.
    Spannende Museumsfotografie!
  • Mario Fox 10. Januar 2024, 12:02

    Menschen betrachten Menschen und also sich selbst- dein Bild ist so vielschichtig wie dein Text
  • J.K.O. 10. Januar 2024, 11:12

    Er sieht so aus als müsse er sich für irgendwas entschuldigen ... stellvertretend für die Menschheit ?
    fragt sich jürgen
  • Norbert Borowy 10. Januar 2024, 10:55

    eine dieser Begegnungen
  • Tassos Kitsakis 9. Januar 2024, 17:56

    Was wollt‘ihr? Ich bin so, wie ich bin!
    Ein Genuss, das Photo und dabei die kleine Prosa aus Alfons‘s Buch.

    Gruss
    Tassos
  • Lumiguel56 9. Januar 2024, 15:38

    Ich fühlte mich beim Lesen des Textes an die Überlegungen erinnert, die sich angesichts der "Menschen des 20. Jahrhunderts" von August Sander anstellen lassen. Wäre es in der heutigen Zeit möglich, ähnlich prägnante Fotos von Menschen in verschiedenen Berufsständen und Lebenssituationen zu machen? Ich weiß, dass es immer mal wieder Versuche in dieser Richtung gegeben hat, ohne dass sich sagen ließe, sie hätten eine ähnliche Wirkung entfaltet, wie die Originale.
    • Alfons Gellweiler 10. Januar 2024, 10:46

      Über den Verweis auf August Sander in diesem Kontext freue ich mich. Für mich ist sein Werk »Menschen des 20. Jahrhunderts« der bedeutendste deutsche Beitrag zur Photographie. Seine Bedeutung ist vielleicht nicht ganz der Rodins vergleichbar, aber seine Arbeit ist für die Photographie zweifellos epochal. 
      Alfred Döblin schreibt zu seinem Werk: »Wer blickt, wird rasch belehrt werden, besser als durch Vorträge und Theorien, durch diese klaren, schlagkräftigen Bilder und wird von den anderen und von sich erfahren.“
      Herlinde Koelbls Arbeiten sehe ich schon in der Tradition August Sanders. Sie zeigen überdies, dass man sogar Investmentbanker und Politiker klar und schlagkräftig porträtieren kann.
  • ShivaK 9. Januar 2024, 13:38

    Unterhaltsam, was Du schreibst ...
    Und fotografisch ist das Bild witzig; insbesondere, was man so durch seine Beine hindurch sieht. Die andere Dame scheint auch grad weniger Interessa an der Skulptur zu haben, und was die Gespiegelten sehen, wissen wir nicht. Museumsfotografie ist doch immer wieder gut anzusehen und scheint auch Spaß zu machen.
    • Alfons Gellweiler 10. Januar 2024, 10:49

      Danke. – Ja, es macht Spaß, in Museen zu photographieren. Ich habe unzählige Photos an solchen Orten gemacht und gebe noch nicht auf.
  • Caroluspiel 9. Januar 2024, 12:49

    klasse Museumsszene.
    Ciao Philipp

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