Mira Culix


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Meine Mutter und ihre Brüder

Ein Bruder fehlt hier auf dem Bild, und von der ganzen Kinderschar lebt nur noch meine Mutter.

Die Familie wurde gegen Kriegsende ausgebombt.
Mein Großvater kam in Berlin um.
Bis auf den jüngsten Bruder, der hier auf dem Schoß des ältesten sitzt, sind alle Söhne Ende 1944 und Anfang 1945 gefallen, der mit dem etwas helleren Anzug sogar noch einen Tag nach dem offiziellen Kriegsende, weil sich an der Front noch nicht herumgesprochen hatte, dass es aus war. Der jüngste Bruder starb erst vor wenigen Jahren.

Ohne Mann und Haus und mit den beiden überlebenden Kindern in der Schule musste meine Großmutter sehen, wie sie durchkam, denn eine Witwenrente bekam sie erst Jahre später, weil auch irgendwelche wichtigen Papiere in Berlin verloren gegangen waren. Meine Mutter hätte gern Kinderärztin werden wollen, aber an ein Studium war unter den Umständen nicht zu denken, zumal meine Großmutter auf dem Standpunkt stand, dass die Ausbildung des Sohnes wichtiger sei, da der ja irgendwann eine Familie ernähren müsste. So wurde sie nicht Kinderärztin, sondern Kindergärtnerin.


Wie meine Großmutter das alles verkraftet hat, weiß ich nicht. Sie hat nie offen geweint, vielleicht manchmal heimlich. Meine Mutter erzählt, sie habe gesagt, sie habe in ihrer Angst um die Söhne im Krieg so oft in durchwachten Nächten alle Qualen durchlitten, dass sie, als die Todesnachrichten kamen, natürlich sehr traurig war, aber nicht in fassungslosem Schmerz versank. Und sie hatte ein Lieblingsgedicht, das auch viel verrät:


Ein treu Gedenken, lieb Erinnern,
das ist die herrlichste der Gaben,
die wir von Gott empfangen haben,
das ist der goldne Zauberring,
der auferstehen macht im Innern,
was uns nach außen unterging.

(von Friedrich von Bodenstedt)


Und das ist sicher auch der Grund, warum sie so viel von der Familie erzählte.

Kommentare 19

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  • Ruth U. 20. Dezember 2011, 19:10

    Das war ja wirklich eine ganz schlimme Zeit für Deine Großmutter, wir können uns das heute gar nicht mehr vorstellen, wie das während des Krieges war, ganz so schlimm war es für meine Großeltern nicht, mein Großvater mütterlicherseits war für den letzten Krieg schon zu alt und in ihrer Heimatstadt Celle sind nicht viele Bomben gefallen, ihr einziger Sohn, mein Onkel, kam unversehrt aus dem Krieg zurück.
  • Fotogenchen 20. Dezember 2011, 11:39

    schön gescheitelt sitzen sie da die großen Jungs in Anzügen mit weißen Krägen,...
    aber unten rum shorts? heiße Kombination,..


    Wo nahm die Frau nur die Kraft zum Weiterleben her?
    4 Söhne und den Mann verloren, ...ich bin sehr betroffen von dieser Lebensgeschichte
    vg Regina
  • wosai 19. Dezember 2011, 19:56

    Ich kann's nicht in Worte fassen.
  • DxFx 19. Dezember 2011, 12:43

    ich zähle irgendwie 5 Jungs???
    was diese Generationen an Leid erfahren hat, kann man wohl nie ganz erfassen. das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann, ist wohl, wenn ihre Kinder vor ihr gehen müssen.
    LG Dorit
  • BLACKCOON 19. Dezember 2011, 12:28

    Man muss mit schmunzeln, fröhlich und ein wenig verschmitzt :) schauen sie !
    ..... wie gut es uns doch geht, das denke ich auch so jeden Tag !!!!
    lg bc
  • Annemarie Quurck 19. Dezember 2011, 8:28

    Auch ich habe so ein Schatzkästlein mit Familienporträts. Daraus habe ich für meine Mutter zum 70. Geburtstag eine Familien-Chronik erstellt.
    Bei den Recherchen bin ich auf ähnliche Schiksale gestoßen.

    lg annemarie
  • ..findus. 18. Dezember 2011, 21:33

    bewegend*
  • Janne Jahny 18. Dezember 2011, 21:30

    Das ist unfassbar. Lange habe ich mir diese Kinderaugen angeschaut, die so vertrauensvoll in die Kamera lächeln. 5 von 7 Kindern zu verlieren, das muss wirklich die härteste Prüfung sein, die eine Mutter jemals erleben kann. Vor allem auch, weil es zeitlich so dicht beeinander lag.
    Tief berührte Grüße an dich und schöne Feiertage
    Janne
  • Petra I. Henning 18. Dezember 2011, 21:00

    Schönes Bild ... aber traurige Geschichte ...
    sicher kein Einzelfall zu dieser Zeit ...
    LG Petra
  • Sonja.A 18. Dezember 2011, 21:00

    Ich habe Gänsehaut am ganzen Körper,
    was für ein unvorstellbares Schicksal musste deine Großmutter erleben,
    schaut euch diese Kinderaugen an die zu dieser Zeit nicht wussten was ihnen wiederfahren wird.
    ...ich bin schon wieder traurig....
    ich danke dir für diese...wenn auch traurige Geschichte.
    Liebe Grüße
    Sonja
  • Christine L 18. Dezember 2011, 20:50

    berührend....wie hat das deine grossmutter nur verkraftet...
    ciao
    christine
  • MacMaus 18. Dezember 2011, 20:36

    ...das zu lesen macht traurig und erschüttert, auch wenn ich schon öfter von ähnlichen Schicksalen gehört habe. -- Danke Mira, das du uns teilhaben läßt an deiner Familiengeschichte.
    Tschüßken mit lieben Grüßen
    :-)) Gaby
  • Ilse Jentzsch 18. Dezember 2011, 19:56

    Du bist jetzt mit Deinen Familienfotos in einer Zeit angekommen, an die auch ich nur noch mit Grausen denke. Auch ich bin ohne Vater groß geworden, denn er wurde wenige Tage vor Kriegsende schwer verwundet und starb dann im britischen Lazarett.
    Das grauenhafte Schicksal Deiner Großmutter berührt mich sehr.
    LG Ilse
  • Foto Püppi 18. Dezember 2011, 19:54

    Die Generation ist wirklich zu bewundern.
    Eine schöne Familienaufnahme
    Liebe Adventsgrüsse von Gina
  • Mira Culix 18. Dezember 2011, 19:51

    @ Dieter
    Danke!

    @ Renate
    Ja, die Ohren sind bemerkenswert. :-)

    @ Karl
    Ja, böse Zungen behaupteten, meine Großeltern hätten so lange geübt, bis sie endlich ein Mädchen zustande brachten. Und als sie dachten, sie könnten es jetzt, probierten sie es ein gutes Jahr später nochmal, und es wurde wieder ein Junge. :-)

    Und wie man auf die Idee kommen kann, Hitler zu loben und Krieg gut zu finden, geht mir nicht in den Kopf. Wahrscheinlich geht das nur in Köpfe, wo sonst nichts drin ist.

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