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Sarah Tustra


Premium (Complete), Berlin

Hermannplatz 04

Der Hermannplatz.

Hier prallen die Bezirke Neukölln und Kreuzberg, unterschiedlichste Kulturen und Formen der Mobilität aufeinander. Es ist kein Platz zum Verweilen, kein Ort zum Flanieren, wer hier her kommt, will meist woanders hin.
Oben duellieren sich Autofahrer, Radler und Fußgänger, unten bieten die U Bahnlinien 7 und 8 Fluchtmöglichkeiten, oder spucken Arbeiter Partyvolk und mutige Touristen aus. Flankiert vom Karstadtgebäude, dessen Türme den Endsiegphantasien der SS im Strassenkampf zum Opfer fielen, wird unter der Woche nebst Obst und Gemüse, allerlei Restpostengeschrammel angeboten. Wer seinen kulinarischen Bedarf mit Grillhähnchen, Tapas, Nudelboxen, einem Super Döner, oder Backfisch nicht gedeckt sieht, verliert sich vielleicht gegenüber in einem schmuddeligen MC Don, oder versorgt sich nebenan mit Donuts einer bekannten Ladenkette. Im Cafe Süß, und auf der Busspur davor, steht morgens die Polizei zur Frühstückpause Schlange um die begehrten Croissants an. Die Tanke nebenan, über die sich der Fußweg bequem, um 20 Meter abkürzen ließ, so lange man nicht den Fehler gemacht hat, sich kurz vorher eine Kippe anzuzünden, ist seit ein paar Jahren geschlossen und verrammelt. Manchmal bietet sie Obdachlosen einen Unterschlupf, bis der Wachdienst sie wieder vertreibt. Der wunderbare „Karneval der Kulturen“ startete früher von hier, und auch zahlreiche Demos nehmen hier ihren Anfang. Einmal im Jahr laufen die Teilnehmer des Berlin Marathons hier an Absperrgittern entlang. Bananen gabs am Kotti, und bald ist die halbe Strecke geschafft. Nicht unweit rekrutierte Turnvater Jahn seine Truppen in der Hasenheide, und wird dafür mit einem, gern immer wieder um interessante Assessoires bereicherten Denkmal beehrt. Neben der „Neuen Welt“ haben sich die Hindus, in jahrelanger Arbeit einen imposanten Tempel gebaut. Unermüdlich kämpfen sich Dezibel starke Krankenwagen durch den Stau, um dem Urban Krankenhaus neue Kunden zu liefern. Die Busfahrer müssen auch erst einmal die Falschparker weghupen, bevor sie ihr neckisches Kaffeepausenschild einschalten können. Nachts ist es hier vergleichsweise leer – die Party startet um die Ecke, in der Weserstrasse. Hier ist nur der Durchlauferhitzer der Stadt, der Verteilerkasten der Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte, und Nöte.
Seinen Namen hat der Platz vom Hermann, dem Cherusker. Man ahnt, auch hier hätte Varus auch auf verlorenem Posten gestanden. Die Römische Armee war zu diszipliniert, sie wären die Einzigen gewesen, die an den roten Ampeln stehen geblieben wären, und dort hinterrrücks von der Kavallerie der E-Scooter niedergemäht worden.


Als Motivation gegen Uploadmüdigkeit, habe ich mich entschlossen, mich mal auf einen Ort zu konzentrieren, und eine kleine Serie zu starten. Da wird viel banales dabei sein – spektakulär ist hier nix. Mal schauen, wie lange ich das zeitlich schaffe, und ob es mir nicht bald schon wieder langweilig wird. Immerhin ist es auch ein Ansporn, mich nun dort öfter mit der Kamera hin zu bewegen.

Kommentare 10

  • Bernadette O. 28. August 2021, 15:16

    Vielleicht sollten wir das öfters tun, einfach einmal anderen applaudieren ...
  • Bea Dietrich-Gromotka 15. August 2021, 13:53

    ..ich würde sagen, du warst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort;-)
  • Sarah Tustra 15. August 2021, 7:08

    Danke euch, für den Applaus.
    Wer hinter der Aktion steckte, kann ich nicht sagen. Bin selber zufällig in den Flashmob geraten, hatte aber zu wenig Zeit, das länger zu verfolgen. Die sind halt bei jeder Grünphase los, und haben die Passanten beklatscht. War kein schlechter Start in den Tag.
  • felixfoto01 14. August 2021, 20:07

    Eben noch am rummäkeln, stehe ich jetzt am Rand und applaudiere. 
    Ich denke allerdings, dass ein etwas engerer Beschnitt im Seitenverhältnis dem Bild helfen könnte, in der Klarheit.
    zum Inhalt: was für ein seltsames Gefühl muss es wohl sein, wenn man hier durch das Spalier geht und beklatscht wird?  Der Anlass wird durch das Bild ja nicht beantwortet. - Am Rand zu stehen und zu klatschen wäre vermutlich die einfachere Position.
  • Photomann Der 14. August 2021, 13:45

    Den Alltag beklatschen
    "normalen" Menschen Beifall geben, die mit wenig Geld täglich durchkommen,
    Ein schöner Einfall
  • Gerhard Hucke 14. August 2021, 10:38

    :-))
    Dreharbeiten zur Versteckten Kamera? Kann nicht sein, denn man sieht sie ja. Jedenfalls eine witzige Idee, verblüffte Gesicher zu erzeugen!
  • --M. J.-- 14. August 2021, 9:45

    Das war wohl an einem Freitag.
  • Hellmut Hubmann 14. August 2021, 9:15

    Hauptsache tanzen, kreischen, hopsen.
    Schön.
  • Lumiguel56 14. August 2021, 8:46

    Das sieht doch ziemlich spannend aus. So ganz genau kann ich nicht nachvollziehen, was da los ist. Es scheint aber so, als ob der Mann, der dieses Spalier durchschreitet, ziemlich irritiert ist, ob der ungewohnten Ehrung. Und einen anderen Fotografen gibt es auch. Und hinten scheint ein Kameramann nebst Crew zu warten, der das Ganze filmt.
  • oilhillpitter 14. August 2021, 8:06

    Klasse. So möcht man auch am Morgen begrüßt werden.

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