4.010 9

Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Wasser...

Am 16. August 1942 wurde das Frauenlager in den Birkenauer Lagerabschnitt BIa verlegt. Hilda Horakova beschrieb die erste Zeit dort: "Es gab nur einen Brunnen. In diesen waren Leichen hineingefallen. Wir haben die Toten hinuntergedrückt, um Wasser herausnehmen zu können". Anna Palarczyk erinnert sich an diesen Brunnen, der zur Küche gehörte. Es waren allerdings nicht Tote in den Brunnen gefallen. Nachts schlichen von Durst gequälte Frauen hin, obwohl es ihnen verboten war. Es kam vor, dass eine Geschwächte bei dem Versuch, heimlich Wasser zu schöpfen, in den Brunnen fiel und ertrank. Anna Palarczyk, die Mitte August 1942 deportiert worden war, hat sich das erste mal vor Weihnachten waschen können. Das war nur deshalb möglich, weil eine Freundin einen Kessel Wasser organisieren konnte.
Dounia Ourisson-Wasserstrom, die einen Monat vor Palarczyk nach Auschwitz gekommen war, schreibt: "Zuerst habe ich mich mit Tee gewaschen, das war irgendeine bräunliche Flüssigkeit. Im Winter habe ich mich mit Schnee gewaschen."
Am 27. Januar 1943 wurden Französinnen in das Frauenlager eingeliefert, das damals fast ein halbes Jahr lang bewohnt war. Unter ihnen befand sich auch Maria-Claude Vaillant-Couturier, die über die Wasserversorgung in Nürnberg (Auschwitz Prozess) aussagte: "Bei unserer Ankunft gab es für 12.000 Häftlinge nur einen einzigen Wasserhahn, das Wasser war nicht trinkbar und floß nur ab und zu. Da sich dieser Wasserhahn in den Waschräumen für Deutsche befand, konnte man sich ihm nur nähern, wenn man an einer Wache vorbeiging, die aus deutschen Verbrecherinnen bestand, die uns entsetzlich schlugen. Es war daher fast unmöglich, sich zu Waschen oder die Wäsche zu reinigen. Mehr als drei Monate vergingen, ohne dass wir reine Wäsche anziehen konnten. Wenn es Schnee gab, ließen wir den Schnee schmelzen, um uns Waschen zu können. Später im Frühling benützten wir auf unserem Weg zu Arbeit dieselbe Wasserlache am Straßenrand zum Trinken und zum Waschen unserer Hemden und Hosen. Dann wuschen wir uns die Hände in diesem schmutzigen Wasser."
Zofia Litwinska sagte unmittelbar nach Kriegsende aus: "Ich wurde zum reinigen der Latrinen eingeteilt. Die Latrinen mußten wir mit den Händen waschen. Um diese Arbeit riß man sich, weil man sich dabei selbst etwas waschen konnte."
Kitty Hart fand noch im April 1943 folgende Zustände vor: "Beim Ausgang wurde etwas zum Trinken ausgeschenkt. Es war schon lange her, dass ich das letzte mal getrunken hatte, und ich war schrecklich durstig. Endlich kam ich an die Reihe und man goß mir etwas in meine Menageschale. Es war ein faulig riechendes, dunkles, blaubraunes Gebräu aus Kräutern. Ich roch daran, kostete und bekam Brechreiz. Zwei Mädchen neben mir berieten: "Sollen wir heute trinken oder sollen wir uns damit waschen" ? Sie beschlossen, eine Portion gemeinsam auszutrinken und sich mit der anderen zu waschen. Mich warnten sie, nicht zuviel zu trinken, weil man sonst Durchfall bekäme."
Wie es im Zigeunerlager aussah, hat Hermine Horvath beschrieben: "Da es kein Wasser gab, kam es oft vor, dass die Fiebernden den Urin tranken. Aus den Kübeln, in welche wir die Notdurft verrichteten. bekamen wir später das Essen. Sie wurden vorher ausgewaschen."
Im Birkenauer Quarantänelager sah es selbst im Frühling 1944 nicht viel anders aus. Andre Blecourt schildert, wie er sich nachts aus einer Baracke geschlichen hat, um mit Genuß Wasser aus einem benachbarten Graben zu trinken, in den uriniert worden war und in dem tote Ratten lagen.

(Quelle: Menschen in Auschwitz von Hermann Langbein)

Unterwegs in Auschwitz-Birkenau mit meinem FC Freund Joachim Irelandeddie

Kommentare 9

Informationen

Sektion
Ordner Auschwitz-Birkenau
Views 4.010
Veröffentlicht
Sprache
Lizenz

Exif

Kamera NIKON D5100
Objektiv ---
Blende 5.6
Belichtungszeit 1/125
Brennweite 10.0 mm
ISO 100

Gelobt von