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Der geplagte Bahnhof

Der geplagte Bahnhof

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kostenloses Benutzerkonto, Essen

Der geplagte Bahnhof

Hallo, da bin ich mal wieder. Ich will nur ein Lebenszeichen abgeben, Ich habe mal eine kurze Auszeit vom Videoschneiden genommen und was geschieht?

Der werde ich doch glatt wieder zum Dampflokdienst eingezogen. Dem Kollegen Dienstplaner sind reihenweise die festeingeplanten Leute ausgefallen und dann muß improvisiert werden. Aber er hat seine Manschaft doch noch zusammenbekommen.

Schon in der Woche zuvor hatten Sohnemann und ich die Lok geputzt. Glücklicherweise hatten zwei andere Kollegen schon gut 14 Tage zuvor angefangen, so daß uns einiges an Arbeit erspart blieb. Trotzdem war noch reichlich zutun. Am Vortag war wie immer das Anheizen und mein Kollege von der Frühschicht jubelte, als er am nächsten Morgen das Feuer langmachte. Koks, richtiger Koks hatte sich aus der Kohle des Ruhefeuers gebildet. Da war auch ich froh und gleich zeitig etwas bedrückt. Wie wird es mit der Schlacke sein? Aber das war noch fern. Erst einmal mußten wir unsere Fahrt nach Bonn über die Runden bekommen. Ja und das erste Hindernis war Essen Hbf. Wie durch die Presse ging, ist dieser Bf bis 2014 für alle ICE und IC gesperrt. Wegen des oberflächennahen Bergbaus aus alten unkartierten Zeiten. besteht die Gefahr von Tagesbrüchen und man muß durch Sondierungsbohrungen den Verlauf und die Größe der vorhandenen Hohlräume erkunden. Die man anschließend noch mit Flüssigbeton verfüllen muß. Das beeinträchtigt den Fernverkehr erheblich. Doch, wie das Foto meines Sohnes zeigt, der Bahnhof ist trotzdem voller Fahrgäste.

Es war reiner Zufall, aber im Vorfeld ist Essen nur als Fahrtrichtungswechsel geplant worden. Somit war die erste Verspätung nicht besonders. Die kam erst in Hagen. Ein Fahrgast mußte medizinisch versorgt werden. Da wir seit geraumer Zeit immer zwei Sanitäter auf unsren Touren dabei haben, war auch für diesen Notfall vorgesorgt worden. Der Mann mußte aber ins Krankenhaus. Wir hoffen, daß es ihm mittlerweile wieder besser geht. Doch das brachte auf den Fahrplan gerechnet ein plus von 40 Minuten. Beim Wasserhalt inOpladen konnten noch ein paar Minuten rausgeholt werden. Die zerschlugen sich aber in Köln. Die Dampflok sollte hier eine Drehfahrt machen. Wenn alles nach Plan läuft, war der Vorgang in Zwanzig Minuten erledigt. Aber es konnte nicht nach Plan laufen, weil wir ja schon eine halbe Stunde darüber waren. So kamen noch einmal fast 60 Minuten zu unserem bisherigen Manko hinzu.

Die Verspätungen bis zum Abstellen in Hürth-Kalscheuren reihten sich auf gut 120 Minten. Von den vorgesehenen vier Stunden zum Restaurieren blieben uns nur noch zwei. Also mußte ich in der Zeit den Rost säubern, Aschkasten entleeren, Wasser nehmen, Lok abschmieren und Kohle vorziehen. Unmöglich! Es kam Hektik auf. Zum Glück gab es zupackende Hände, die mir viel Arbeit abgenommen hatten, trotzdem reichte die Zeit nicht ganz. Den Aschkasten konnte ich nicht mehr komplett leeren. Auch ließ sich der Rost nicht so säubern, wie ich es erhofft hatte. Die Schlacke im hinteren Rostbereich konnte ich nicht entfernen, was sich noch bitter rächen sollte.

Aber pünktlich fuhren wir wieder nach Bonn. und legten mit drei Minuten Verzögerung eine Abfahrt hin, die sich gewaschen hatte. Ich hatte schon auf der Zufahrt nach Bonn bemerkt, daß die Dampfentwicklung nicht so war, wie ich es gerne gehabt hätte. Gegen die Lehrmeinung öffnete ich darum auch die hintere Aschkastenklappe und siehe da, der Druck stieg wieder.

Nach fast 15 Jahren stand unsere P8 mal wieder im Hbf Köln. Ein erhabenes Gefühl. Bei der Ausfahrt gelang es mir kaum, das Sicherheitsventil zu bändigen. Langsam aber sicher kam das Unvermeidliche. Die vorgezogene Kohle auf dem Schaufelbrett ging zu Ende. So sehr ich mich auch bemühte noch etwas Brennbares zufinden, es gelangte nur noch zermahlene Feinkohle in die Schaufel. Bange Minuten zwischen Opladen, wo wir vom Planhalt zum Wassernehmen immerhin 20 Minuten einsparten, und Wuppertal Hbf folgten. Hier konnte ich wieder etwas sehen und auch ein paar Kohlebrocken fanden noch ihren Weg in die Feuerkiste. Es reichte dank Unterstützung mit der Diesellok den Berg bei Milspe zu schaffen.

Schwerte aber schlug das Schicksal zu. Wir mußten nach Dortmund und da war wegen des Bundesligaspiels die Hölle los. Unser Vorsprung schmolz dahin wie eine Schneeball in der Hölle. Zu allem Unglück hielt uns ein Fahrdienstleiter für einen Fußballsonderzug und leitete uns fehl. Alles in Allem sind wir dann mit plus 20 in Dahlhausen angekommen.

Kommentare 9

  • Maschinensetzer 29. November 2013, 0:06

    Schön zu lesen, dass Du doch noch aktiv bist!

    Deine spannende Geschichte habe ich mit Freude gelesen, und mir stand auch der Schweiß auf der Stirn...

    Viele Grüße
    Thomas
  • summertime1 28. November 2013, 22:21

    Hallo liebe Freunde,

    mittlerweile gibt es für den Bahnhof eine kleine Entwarnung. Es darf jetzt ein IC/ICE pro Stunde die Strecke passieren. Wie ich heute in der Zeitung las, sind bereit 370 m³ Flüssigbeton verfüllt worden. Man schätzt daß man etwa ein Drittel der erforderlichen Menge schon eingebracht hat. Das Problem ist nicht der Stollen der die Gleise quert. Der wäre schnell verfüllt. Von diesem Stollen gehen aber nach oben, unten sowie seitlich Hohlräume aus die fast senkrecht sind. Da es sich um insgesammt 4 Flöze handelt, die hier um 1750 bis 1800 abgebaut wurden und man so gut wie nichts über diese Tätigkeiten weiß, ist es schwierig abzuschätzen wie lange sich die Arbeiten noch hinziehen werden.

    Für meine Person kann ich sagen, die Schlacht ist geschlagen und es geht weiter. Danke für eure Anmerkungen.
  • Dieter Jüngling 28. November 2013, 21:14

    Ich muss hier nichts hinzufügen.
    Super Beschreibung zum Foto.
    Gruß D. J.
  • makna 27. November 2013, 12:47


    Au weia - war das eine Tour !!! Was sich hier vor dem Bildschirm einfach nur spannend liest, hat bei Euch zu manchem Schweißausbruch geführt ! Dass dann fast die Kohle ausging, hätte ja noch schlimmer enden können ... also alles gut gegangen, weil erfahrene Kräfte am Werk waren ! Mein Respekt !!!

    Das Malheur in Essen ist für die DB schon schlimm ... aber Du hast uns ja in früheren Serien mit den Unwägbarkeiten des Bergbaus gut vertraut gemacht, so dass man sich nur wenig wundert, was da vielleicht noch alles kommen kann ...

    ... immerhin zeigt das Morgen-Motiv Deines Sohnes die fröhliche Foto-Freude der Fans, und denen habt ihr wieder eine sehr schöne Fahrt geboten !

    BG Manfred
  • Krimhilde. W. 27. November 2013, 8:38

    Oh wei, das war ja ein ereignisreicher Tag für euch.
    Dein "Tagesbericht" ist wunderbar geschrieben, ich musste einige Male herzhaft lachen.
    Wie schön, dass ihr in eurer Freizeit so viel auf euch nehmt, um anderen Menschen, ob Mitfahrer oder Fotografen, Freude zu bereiten.
    Liebe Grüße Krimhilde
  • Steffen°Conrad 26. November 2013, 17:59

    Oha..wenn einer eine reise tut..
    Der Fahrgast hinten bekommt nix mit und wundert sich ( im geringsten Fall) was die da vorn machen, wenns nicht weitergeht.
    Das das Lokfahren kein Zuckerschlecken ist
    schildert die Erzählung sehr plastisch.
    Wie gut gehts mir auf der Elektrischen,-)
    vg c.
  • summertime1 26. November 2013, 15:10

    Ja Andy, es war an einem grauen trüben und noch ziemlich dunklen Samstag Morgen. Es ist grade mal 7:58 Uhr.
  • BR 45 26. November 2013, 14:59

    Na lieber Heinz, da ham`se Dich ja wieder zu ner "Krawllfahrt" verdonnert ;-)) aber nur gut das Du als "alter Hase" dabei warst, wer weiss wie die Fahrt sonst verlaufen wäre ???
    Warum ist das Bild so verrauscht, wars da so dunkel??
    Grüsse Andy