"Ja! Ähnlich wie bei Shakespeare lassen seine Texte viel Platz für Interpretationen. Wenn man als Künstler etwas Kreatives schafft, ist es doch großartig, wenn jeder Zuhörer oder Betrachter etwas anderes darin sieht."
Der Fotograf Jerry Schatzberg im Interview über Bob Dylan, den er oft fotografiert hat. (Spon, Eines Tages)
Der "Tod des Autors" (respektive des Fotografen), gut, gut.
Intellektuell kann ich dem problemlos folgen, und doch sagt mir mein Bauch (und auch mein Kopf), dass es auch einen anderen, weniger beliebigen Zugang gibt, indem man den Spuren folgt, die der Fotograf hinterlässt. Das ist natürlich mühsamer, denn man muss sich um Hintergrund bemühen.
So kam bei "Rhein 2" früher ständig der Kommentar "kann ich auch", ohne dass die betreffenden verstanden hätten, dass es um die Ursprungsidee geht (wer je in einer Gursky-Ausstellung war, kann dem Fotografen jedenfalls nicht vorwerfen, er würde das Handwerk nicht überaus perfekt beherrschen!)
Und Martin Parr wurde beim Erscheinen seines Buches über "New Brighton" vor allem aus dem Süden Englands angefeindet, er würde sich böse über die Menschen im Norden lustig machen. Natürlich hat Parr einen ironischen Blick, aber auch einen sehr menschenfreundlichen, und im Süden wusste man einfach nicht, wie übel die Situation im Norden aussah.
Kunstrezeption hat also meiner Meinung nach zwei Seiten, die gleich wichtig sind: Man kann den Autor töten oder man kann ihn leben lassen und erkunden. Ersteres verlangt eigene Fantasie, letzteres verlangt vor allem Hintergrundwissen.
Ist das nicht in etwa das, was R. Barthes in der hellen Kammer mit punctum und studium meint?
Der Fotograf Jerry Schatzberg im Interview über Bob Dylan, den er oft fotografiert hat. (Spon, Eines Tages)
Der "Tod des Autors" (respektive des Fotografen), gut, gut.
Intellektuell kann ich dem problemlos folgen, und doch sagt mir mein Bauch (und auch mein Kopf), dass es auch einen anderen, weniger beliebigen Zugang gibt, indem man den Spuren folgt, die der Fotograf hinterlässt. Das ist natürlich mühsamer, denn man muss sich um Hintergrund bemühen.
So kam bei "Rhein 2" früher ständig der Kommentar "kann ich auch", ohne dass die betreffenden verstanden hätten, dass es um die Ursprungsidee geht (wer je in einer Gursky-Ausstellung war, kann dem Fotografen jedenfalls nicht vorwerfen, er würde das Handwerk nicht überaus perfekt beherrschen!)
Und Martin Parr wurde beim Erscheinen seines Buches über "New Brighton" vor allem aus dem Süden Englands angefeindet, er würde sich böse über die Menschen im Norden lustig machen. Natürlich hat Parr einen ironischen Blick, aber auch einen sehr menschenfreundlichen, und im Süden wusste man einfach nicht, wie übel die Situation im Norden aussah.
Kunstrezeption hat also meiner Meinung nach zwei Seiten, die gleich wichtig sind: Man kann den Autor töten oder man kann ihn leben lassen und erkunden. Ersteres verlangt eigene Fantasie, letzteres verlangt vor allem Hintergrundwissen.
Ist das nicht in etwa das, was R. Barthes in der hellen Kammer mit punctum und studium meint?
Die meisten Menschen sind zu ungeduldig, um sich ein Bild anzusehen, sie sind auch zu ungeduldig Interpretationen und auch Wissen zu lesen. Ein Foto oder ein anderes Kunstwerk hat keine technischen Daten dran stehen, wie eine Linse, ohne Exifinformation. Die komplexe Welt von Shakespeare in diesem Zusammenhang anzuführen, finde ich ausgesprochen nett ;)
Es ist nicht unbedingt eine Tugend mit etwas Geduld zu haben, das einen nicht interessiert oder man nicht für gut befindet nach dem ersten Augenschein.
Und die wenigsten Fotos sind Kunstwerke.
Und die wenigsten Fotos sind Kunstwerke.
Zitat: nutzer1951 13.02.19, 08:10Zum zitierten Beitrag
Ungeduld und Desinteresse sind gute Verwandte, die sich prima miteinander verstehen. Denkt man da etwas darüber hinaus, dann werden die Kriterien gut, schlecht, schön und häßlich uninteressant.
Ungeduld und Desinteresse sind gute Verwandte, die sich prima miteinander verstehen. Denkt man da etwas darüber hinaus, dann werden die Kriterien gut, schlecht, schön und häßlich uninteressant.
Glaube ich Dir nicht , dass Du generell alle Fotos geduldig und interessiert zur Kenntnis nimmst, als Grundeinstellung sozusagen.
Wie jeder andere auch wirst Du Deine Präferenzen haben.
Wie jeder andere auch wirst Du Deine Präferenzen haben.
Zitat: nutzer1951 15.02.19, 12:39Zum zitierten Beitrag
Generell irrst Du. Prinzipiell ist das Genredenken nicht meine Baustelle. Und mit Glaubensfragen über andere, beschäftige ich mich eigentlich weniger.
Generell irrst Du. Prinzipiell ist das Genredenken nicht meine Baustelle. Und mit Glaubensfragen über andere, beschäftige ich mich eigentlich weniger.
Was wären denn Deine "darüber hinaus denken " Kriterien?
Von schön und hässlich hatte ich übrigens garnicht geschrieben.
Von schön und hässlich hatte ich übrigens garnicht geschrieben.
Von Genres auch nicht.
Ich glaube Du nimmst kaum Bezug auf das was ich schreibe.
Ich glaube Du nimmst kaum Bezug auf das was ich schreibe.
Zitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
aber von gut befinden.
Zitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
Bildliche Inhalte z.B. zusammenhänge zu anderen Bildern in einem Essay z.B. ... Zitate von anderen Arbeiten, generell die Arbeiten des Autoren, eine erkennbare Handschrift, thematische Richtlinien, dokumentarische oder dekorative Intentionen ... etc.
aber von gut befinden.
Zitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
Bildliche Inhalte z.B. zusammenhänge zu anderen Bildern in einem Essay z.B. ... Zitate von anderen Arbeiten, generell die Arbeiten des Autoren, eine erkennbare Handschrift, thematische Richtlinien, dokumentarische oder dekorative Intentionen ... etc.
"I am afraid that there are more people than I can imagine who can go no further than appreciating a picture that is a rectangle with an object in the middle of it, which they can identify. They don't care what is around the object as long as nothing interferes with the object itself, right in the centre. Even after the lessons of Winogrand and Friedlander, they don't get it. They respect their work because they are told by respectable institutions that they are important artists, but what they really want to see is a picture with a figure or an object in the middle of it. They want something obvious. The blindness is apparent when someone lets slip the word 'snapshot'. Ignorance can always be covered by 'snapshot'. The word has never had any meaning. I am at war with the obvious." (W. Eggleston, Democratic Forest)
Ich fürchte, die meisten Menschen betrachten ein Bild als Rechteck mit einem Gegenstand in der Mitte. Und den können sie erkennen. Es interessiert sie nicht, was sich um den Gegenstand herum befindet, solange es den Gegenstand in der Mitte nicht stört. Auch nach den Lektionen von Winogrand und Friedlander begreifen sie es nicht. Deren Arbeit respektieren sie, weil sie von respektierten Institutionen gesagt bekommen, dass sie wichtige Künstler sind, aber eigentlich wollen sie nur ein Bild sehen mit einer Gestalt oder einem Gegenstand in der Mitte. Sie wollen etwas Offensichtliches, etwas Eindeutiges. Die Blindheit offenbart sich, wenn jemandem das Wort "Schnappschuss" herausrutscht. Mangelndes Wissen kann man immer mit "Schnappschuss" kaschieren. Das Wort hatte noch nie eine Bedeutung. Ich liege im Krieg mit dem Offensichtlichen, dem Eindeutigen.
Der Beitrag ist nicht von mir, aber ich finde, er passt trotzdem gut hierher. Für mich ist Egglestons Begleittext zum Democratic Forest eine der erhellensten Äußerungen eines Fotografen zu seiner Arbeit, die ich je gelesen habe.
Ich fürchte, die meisten Menschen betrachten ein Bild als Rechteck mit einem Gegenstand in der Mitte. Und den können sie erkennen. Es interessiert sie nicht, was sich um den Gegenstand herum befindet, solange es den Gegenstand in der Mitte nicht stört. Auch nach den Lektionen von Winogrand und Friedlander begreifen sie es nicht. Deren Arbeit respektieren sie, weil sie von respektierten Institutionen gesagt bekommen, dass sie wichtige Künstler sind, aber eigentlich wollen sie nur ein Bild sehen mit einer Gestalt oder einem Gegenstand in der Mitte. Sie wollen etwas Offensichtliches, etwas Eindeutiges. Die Blindheit offenbart sich, wenn jemandem das Wort "Schnappschuss" herausrutscht. Mangelndes Wissen kann man immer mit "Schnappschuss" kaschieren. Das Wort hatte noch nie eine Bedeutung. Ich liege im Krieg mit dem Offensichtlichen, dem Eindeutigen.
Der Beitrag ist nicht von mir, aber ich finde, er passt trotzdem gut hierher. Für mich ist Egglestons Begleittext zum Democratic Forest eine der erhellensten Äußerungen eines Fotografen zu seiner Arbeit, die ich je gelesen habe.
Zitat: Asander 15.02.19, 14:22Zum zitierten Beitrag
Egglestons Aussagen in aller seiner Knurrigkeit erreichen mich seit längerem wie seine Fotos. Eine Faszination, die für mich bleiben wird. ... lustiger Weise musste ich bei diesen erkenntnisreichen Zeilen auch an den grad verstorbenen Tomi Ungerer denken, der mit der menschlichen Mitte das Lustzentrum beschrieb zwischen zwei gesunden Händen. Und auch damit lag er wohl eindeutig im Krieg ... weiter führend könnte man sagen, wie über Ungerer geschrieben, der eben im übertragenen Sinne auch "Fotograf" war, dass in der Idylle der Abgrund liegt.
Egglestons Aussagen in aller seiner Knurrigkeit erreichen mich seit längerem wie seine Fotos. Eine Faszination, die für mich bleiben wird. ... lustiger Weise musste ich bei diesen erkenntnisreichen Zeilen auch an den grad verstorbenen Tomi Ungerer denken, der mit der menschlichen Mitte das Lustzentrum beschrieb zwischen zwei gesunden Händen. Und auch damit lag er wohl eindeutig im Krieg ... weiter führend könnte man sagen, wie über Ungerer geschrieben, der eben im übertragenen Sinne auch "Fotograf" war, dass in der Idylle der Abgrund liegt.
Zitat: Matthias von Schramm 15.02.19, 14:42Zum zitierten Beitrag
Es ist ja immer die Kombination, die mich fasziniert.
Es ist ja immer die Kombination, die mich fasziniert.
Zitat: Asander 15.02.19, 14:22Zum zitierten Beitrag
Diese Worte sind wie Balsam zum Lesen. Vielen Dank!
Da werde ich an die Einleitung von Peter C. Bunnell erinnert, in der er beschreibt, wie er den ersten Chefredakteur des Aperture Magazins kennenlernter und der ihm sagte, schau doch mal dieses Bild an, ich komme in 2 Stunden wieder und möchte dann mit Dir über diesen Bild sprechen.
und auch die anderen Essays in der Aperture Anthology sind sehr lesenswert:
https://aperture.org/shop/aperture-maga ... logy-book/
Diese Worte sind wie Balsam zum Lesen. Vielen Dank!
Da werde ich an die Einleitung von Peter C. Bunnell erinnert, in der er beschreibt, wie er den ersten Chefredakteur des Aperture Magazins kennenlernter und der ihm sagte, schau doch mal dieses Bild an, ich komme in 2 Stunden wieder und möchte dann mit Dir über diesen Bild sprechen.
und auch die anderen Essays in der Aperture Anthology sind sehr lesenswert:
https://aperture.org/shop/aperture-maga ... logy-book/
Im folgenden befindest du doch selbst alles mögliche
Für gut. Also mal wieder Nonsens auf der ganzen Linie.
Zitat: Matthias von Schramm 15.02.19, 13:50Zum zitierten BeitragZitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
aber von gut befinden.
Zitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
Bildliche Inhalte z.B. zusammenhänge zu anderen Bildern in einem Essay z.B. ... Zitate von anderen Arbeiten, generell die Arbeiten des Autoren, eine erkennbare Handschrift, thematische Richtlinien, dokumentarische oder dekorative Intentionen ... etc.
Für gut. Also mal wieder Nonsens auf der ganzen Linie.
Zitat: Matthias von Schramm 15.02.19, 13:50Zum zitierten BeitragZitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
aber von gut befinden.
Zitat: nutzer1951 15.02.19, 13:08Zum zitierten Beitrag
Bildliche Inhalte z.B. zusammenhänge zu anderen Bildern in einem Essay z.B. ... Zitate von anderen Arbeiten, generell die Arbeiten des Autoren, eine erkennbare Handschrift, thematische Richtlinien, dokumentarische oder dekorative Intentionen ... etc.
Zitat: nutzer1951 16.02.19, 11:39Zum zitierten Beitrag
Wenn Du einer simplen Logik und Erklärung nicht folgen magst, dann ist das nicht das Problem der anderen.
Wenn Du einer simplen Logik und Erklärung nicht folgen magst, dann ist das nicht das Problem der anderen.