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Gabriela Ürlings


Premium (World), Köln

Ulrike....

Jetzt erzähl ich dir die Geschichte der kleinen Schneeflocke,

die sich nichts sehnlicher wünschte, als zu Weihnachten die Erde gemeinsam mit ihren Schwestern und Brüdern sanft zu bedecken. So stand sie in ihrem hübschesten weißen Kleid bereits seit den ersten kühlen Tagen ungeduldig in den Startlöchern und nervte sich und den Rest der weißen Pracht mit ihrer sorgenvollen Miene. Ununterbrochen seufzte sie vor sich hin und murmelte dabei: " ob das wohl was wird mit dem Hinunterschweben? Hoffentlich wird es schön kalt! Was werden wir denn nur tun, wenn urplötzlich ganz ganz stark die Sonne scheint?? Dann ist es aus mit uns, aus der Traum, zack bumm, dann schmelzen wir alle!"
Dieses Wörtchen "schmelzen",hatte eine fatale Wirkung auf die anderen kühlen Mitstreiter, denn alle wussten, dass das ja letztendlich ihr feuchtes Schicksal sein würde. Doch niemand sprach es offen aus, denn das war DAS Tabuwort der Schneeflockengesellschaft. So etwas dachte man nicht einmal! Dieser Wicht hatte jedoch nichts besseres zu tun, als es ohne Unterlass vor sich hinzujammern: "Schmääääälzen werden wir alle - ja ja ja - und das tut sicher sehr weh."

So kam es dann auch, wie es anscheinend kommen musste. Einer seiner verunsicherten Brüder wollte endlich Ruhe habe und wusste sich nicht weiter zu helfen, als den Unglücksraben noch vor der bestimmten Zeit vom Firmament zu stoßen - schubs - und schon schwebte diese kleine ängstliche Flocke der Erde entgegen. Unglücklicherweise war erst der 23.12, also eindeutig ein Tag zu früh. Außerdem - wie wir es ja fast schon vorhersahen - war es an diesem Tag viel zu warm für so ein Flöckchen. Es war ein durchaus sonniger Vorweihnachtstag und die wärmenden Strahlen kitzelten zuerst die eiskalten Füße unseres Freundes - die daraufhin immer mehr an Kontur verloren - auch das Kleidchen und der darin steckende Rest erwärmten sich langsam aber sicher. Er war bereits fast vollkommen tröpfelig!

Jetzt aber kommt das eigentlich Bemerkenswerte dieser kleinen Geschichte.
Dieses "Vergehen" , "Verwandeln","Erneuern", ES SCHMERZTE NICHT! Es tat überhaupt nicht weh und dem Kleinen kamen diverse philosophisch tiefschürfende Gedanken.
" Schmelzen macht Spaß, " dachte er fröhlich, "es kitzelt und macht mich neugierig und warum überhaupt, sollte ich auf ewig ein kühles Etwas sein? ". Laut begann er zu singen" heute weiß, morgen heiß". So glitt er als Tropfen zur Erde hinab, glänzte und glitzerte einfach wunderschön im Sonnenlicht und tausende Strahlen spiegelten sich in ihm. Er dachte noch:" so ist es gut", und schon war es passiert, der Sänger war am vorläufigen Ziel seiner Reise angelangt. Einem Stausee in Ostwestfalen Lippe - ich weiß, ich weiß, sehr unromantisch, aber leider Fakt. Wir werden damit leben müssen! Er hatte nicht die Kaspische See oder das Saragossa Meer bereichern dürfen......war das im Grunde aber nicht unerheblich?

Denn inmitten des gleitenden Eintauchens verspürte er die Freude des Gemeinsamen, des Verbindens mit Gleichem und versöhnt mit seinem Schicksal gab er sich einfach hin. Tauchte ein, fühlte sich aufgenommen und sehr zufrieden. Er hatte das erlebt, was ständig um uns herum geschieht, was jeder von uns bereits hinter und auch gleichzeitig noch vor sich hat....

Liebe Ulrike, ich wünsche dir, dass du dich jetzt nicht mehr einsam fühlst, sondern verbunden und aufgehoben!

Text: Gabriela Ürlings
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