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Tobias Becq


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Bögen

Linksbelichten bezeichnet eine Technik, das ganze Bild nur so lange zu belichten, wie es den hellsten Motiven innerhalb des gesamten Ausschnitts noch ohne 'Ausfransen' gerecht würde. Danach vertraut man beim, bzw. für's Tonemapping einfach auf die ISO-Invarianz Fähigkeiten seines Sensors/Bildprozessors, auch aus den unterbelichteten Bereichen der Rohdatei die, für einen passablen Gesamteindruck nötigen Farb- und Detailinformationen retten zu können, idealerweise ohne dabei ein evtl. in den Schatten verstecktes Verstärkerrauschen oder Bandingartefakte zu potentieren bzw. sichtbar zu machen. Manche Sensoren sind darin sehr gut, andere eher weniger, nicht jedes Muster ist - unabhängig vom klinischen Wert des Dynamikumfangs - gleichermaßen dazu befähigt, heißt iso-invariant, wie ich mit der Alpha 6000 ernüchtert feststellen musste. Die ist darin nämlich nicht besonders gut. Eine 5D Mk III war darin allerdings schon gleich so schlecht, dass ich sie, bei meinen fotografischen Interessen (nix People&Skin oder Nägel mit dem Body in die Wand einschlagen) gewandelt gehabt hätte und sogar für jede~ 1000€ Wettbewerbs-APC Kamera aus dieser Zeit getauscht hätte, kein Scherz, also nicht die mir eigene, überzeichnende Polemik, sondern bitterer Ernst. Die A7rII ist in diesem ISO-Invarianz Feld aber ganz ausgezeichnet, auch wenn es zahlreiche Nikons und Pentaxe geben mag, die es sogar noch besser beherrschen. Die nachträglich aufgehellten Bereich sind bei solchen Kameras, bzw. Sensoren und ihren Rohdateien nicht oder nur unwesentlich schlechter, als hätte man sie schon während des Fotografierens mit - der Wunschhelligkeit entsprechenden - höheren ISO-Werten beaufschlagt.

Wenn man einen entsprechenden Sensor hat, verstecken sich natürlich gerade in unterbelichteten oder (zu) dunklen Bildern bald eine Größenordnung mehr an verwert- bzw. rettbaren Informationen, als in Bildern alter Sensortechnologie mit nachgeschalteter Signalwandlung. Deswegen ist der klinische Wert des Signalrauschabstandes nicht direkt proportional zur ISO-Invarianz, der eine Signalwandlung schon auf Chipebene zugrunde liegt. Eine Analogie aus der Ballistik wäre das Verhältnis der Rasanz zur V0. Hier spielt nämlich noch die Querschnittsbelastung mit rein, auch wenn die V0 einen maßgeblichen Anteil an der Gestrecktheit einer Flugbahn hat, analog zur 'Gestrecktheit' der verwertbaren Dynamik. Das ist besonders bei mir als Gewitterfotografen und Freund von nächtlich illuminierter Architektur von entscheidender Wichtigkeit, da ich es mir in Abhängigkeit der Gewitterentfernung, also der zu erwartenden Blitzhelligkeit und/oder der zu grellen Baudenkmal- bzw. Umgebungsbeleuchtung oft gar nicht leisten kann, korrekt zu belichten. Noch entscheidender mag diese Eigenschaft für Zeitrafferleute sein, die sich nicht immer gleich ganze Belichtungsreihen für jeden späteren Einzelframe antun können oder wollen, einfach weil dazu entweder die Zeit nicht reicht oder der Rechenaufwand, der Speicherbedarf und der Kameraverschleiß unermesslich groß würden. Die Idee oder die Motivation hinter Linksbelichten bzw. dem sog. 'iso-less' Fotografieren ist also sehr simpel. Belichtete ich bei limitierter Zeit (oder auch sonst) anfänglich richtig, also etwa mittig im Histogramm, so könnten mir schnell die Lichter unrettbar ausfransen. Ein Sensor ist ein analoges Bauteil. Wenn der Eimer für Helligkeitsinformation mal voll ist, dann ist er eben voll und nach fest kommt ab, er läuft über. Darüber kann einem bei mittiger Belichtung schon mal das Motiv davonlaufen bzw. das Bild verwackeln. Ginge ich nun anfänglich gleich mit dem ISO-Wert nach oben, um das Zeitlimit oder verwischte Motive bzw. verwackelte Bilder zu umschiffen, so würde ich doch erheblich an Dynamikumfang einbüßen, der Eimer wäre nämlich von Anfang an limitierter als bei Basis-ISO, was man bei dynamisch delikaten Landschaftssituationen schon sehr schnell zu spüren beginnt, also auch schon bei ISO 800."


Dann gibt es noch eine Komlikation, für die Canonfotografen mangels wettbewerbsfähiger Ausrüstung gerne taub sind, sog. Dual-Gain Sensoren. Im Vergleich zu einem doppelt so lang belichteten Basis-ISO-Bild fallen einem beim zweiten nativen, wesentlich empfindlicheren 'Gain' zwei Sachen auf. Die Kamera geht trotz höherem ISO Wert besser mit dem Rauschen um, als ich es beim stärker nachbelichteten Basis-ISO Bild zu tun im Stande wäre, allerdings fehlt dann bereits Dynamik. Es saufen die Lichter tatsächlich schon ab, die ich zuvor mit Basis-ISO noch auflösen konnte. Trotzdem kann man bei einem vergleichbar hellen 'Second Gain' ISO 640 Bild auch nicht mehr Details aus den Schatten retten oder herausarbeiten.

Das Rauschen auf dem zweiten 'Gain' ist vermutlich so gut, weil die A7rII und auch die Nachfolgerin etwas haben, das sich mit Honda's VTEC vergleichen lässt. Entweder ich habe beim Verbrenner eine scharfe Nockenwelle für hohe Drehzahlen und den Sporteinsatz, analog zur hochisostabilen Actionkamera, dann ist aber der Leerlauf unrund und die Elastizität untenrum dürftig, analog zu einer vergleichsweise schlechteren Basisdynamik auf dem Boden eines schlechteren SNR. Habe ich eine sehr zahme Nockenwellenflanke des Ventiltriebes fürs niedertourige und ökonomische Cruisen, dann habe ich einen vorbildlichen Leerlauf, der Motor tritt untenrum schon anständig an und ist sehr elastisch, analog zu einer Landschaftskamera mit hohem Dynamikumfang, resp. einem guten SNR bei Basis-ISO. Da dieses Profil aber die Zylinder obenrum, also bei hohen Drehzahlen grade nicht mehr so gut spült, wirkt der Motor dort zäh und müde, entsprechend einer, bei hohen ISOs in die Knie gehenden Landschaftskamera im Sporteinsatz. Sony hat seinen Sensoren eine Art VTEC spendiert, also zwei verschiedene 'Nockenwellen' mit geänderten Steuerzeiten und Flanken. Was das technisch genau ist oder macht, konnte ich nicht recherchieren. Ich weiß es schlicht nicht. Sind es nur höhere ISO-Spannungen und - auf Kosten von Details und Linienpaaren - rigider werkelnde Rauschfilter? Ken&Barbie, resp. Tony&Barbie sind auf jeden Fall nicht die Quellen der Wahl, wenn es um seriösen Fotojournalismus geht und erst recht nicht, wenn es um elektrotechnische, digitaltechnische oder halbleiterphysische Frage- & Problemstellungen geht. Sie sind halt vom selben Schlag wie die meisten ziemlich geltungsbedürftigen Youtube-Narzissten, die einzige Gruppe übrigens, die 'vloggingtaugliche' Displays wirklich vermisst. Die DPReview Leute sind technisch etwas aufgeweckter und auch fachlich neutraler und seriöser, aber auch die können nur tüfteln und interpretieren. Wissenschaftlich tragfähige Artikel habe ich im Netz noch keine gefunden, auch nicht bei einem Dr. Schuhmacher, der genau wie ich auch viele Dinge sehr frei und mutig interpretiert.

Jedenfalls schaltet z.B. meine Alpha7rII Kamera ab ISO 640 einfach auf ein anderes 'Profil' und zieht damit obenrum eben auch sehr gut. Somit ist sie nicht nur ein guter Landschaftscruiser, sondern wäre auch ein hervorragender Rennstreckenracer, würde man ihr die Serienbildrate und den Autofokus einer Sportkamera spendieren. Das erklärt vermutlich auch, warum sie so lange die Sensorscore Liste bei DXO angeführt hat, wo es damals doch auch schon sagenhafte Nikon Kameras mit sogar knapp 15 Stopps Basis-ISO-Dynamikumfang gab (das waren damals noch Toshiba Linien und Muster, etwa D750 oder D7200) und eben auch Sportspezialisten bzw. ISS-Arbeitstiere, wie die D4/D5. Der Mehrwert dieses bzw. eines Dual-Gain-Sensors ist wohl, dass er auf beiden Partys tanzen könnte. Vereinfacht könnte man sagen, dass es Sinn macht sich bei der Alpha 7 Klasse zwei Manuell-Profile auf der Kamera zu konfigurieren, eines mit ISO 100 und eines mit ISO 640. Das reicht, den Rest kann man dann daheim am Computer machen, was sich bei DPReview und deren Foto Tapete oder auch im ein oder anderen Artikel schön nachvollziehen lässt. Canon hat bis heute nichts im Rennen, das die Fähigkeiten der 2014er Sensoren des Wettbewerbs errreicht. Meine A77II etwa hatte seinerzeit für ISO 50 einen eigenen Gain, sie war also eine nativ ISO-50 stabile Kamera, was sie für die Landschaft - sofern man Zeit hatte - interessant gemacht hat. Alle anderen Kameras, mit Ausnahme der sahneleckeren D850 (da ISO 64) haben kein natives ISO 5O. Das ISO 50 dort kann man sich eher als digitaltechnischen ND-Filter vorstellen. Richtig schlecht geht es in diesem Kontext jenen Leuten, die etwa auf 6D ( incl. Mk II)oder 5D bis incl. Mk. III und s(r) unterwegs sind. Für die gilt das gesagte nicht, die müssen richtig, mittig belichten, bzw. wenn die Zeit nicht reicht, schon beim Fotografieren die ISO-Spannung hochschrauben. Ihnen fehlen wesentliche Post-Production- und Tonemapping Potentiale. Bereits die 5D MkIV und EOS R können aber mit Einschränkungen (Banding Artefakte) auf dieser Party spielen.

Natürlich belichtet niemand global um ganze fünf Stopps nach, aber Landschaftfotografen tun das bei Gegenlicht-, Nacht- und Innenraumfotografie dann doch selektiv in den dunkelsten Bildbereichen. Allerdings wirkten Bilder jenseits von 15 Stopps, also dem Wert den neueste Nikons und Sonys schaffen, in Abhängigkeit des zu verwendenden Ausgabemediums (moderne 4k Fernseher oder Monitore und OLED-Displays) irgendwie zu künstlich HDR-artig.

Kommentare 11

  • Harald Nachtmann 23. März 2019, 9:09

    Man sollte Fujis GFX 50S oder 50R nicht vergessen.
    • Tobias Becq 28. März 2019, 11:12

      Das stimmt! Die Fujis sind sowohl im Halbformat als auch im Mittelformat spitzenmäßige Optionen, zumal die für die Cropsensoren auch gutes Glas liefern, etwas das alle anderen Hersteller hinsichtlich meiner Bedürfnisse nicht so ernst genommen hatten. Mich hatte diese Lücke bei meinen (stadt)landschaftlichen Ambitionen und dem entspr. Wunsch nach einem tragbaren UWW-Zoom, das auch bei Blenden um f4 schon liefert, ins FF gepresst. Da bei mir die 'Lowlight&Sports' Fähigkeiten einer Kamera nachrangig sind, genügte mir grundsätzlich auch ein kleinerer Sensor (bzw. wäre der genannte 50S und 50R Sensor ob seiner landschaftlichen Fähigkeiten sehr attraktiv). Aber wenn es keine fahrrad- und rucksackverlastbare UWW-Reiselinse dazu gibt, die mir gefällt bzw. nur solche die jenseits der tolerablen Beugung und Belichtungszeit abgeblendet werden müssen, um die Ecken angemessen scharf zu kriegen, dann bleibt mir nur der 35mm Sensor, wo man im f2.8er Bereich bei den Spiegelkameras ein tolles Tamron Zoom kriegt oder eben im spiegellosen Sektor ein sehr anständiges - hier verwendetes - f4/16-35. Mit dem 24-105 und den beiden 70-200 wurde das E-Mount ja dann wirklich für die breite Masse attraktiv.

      Wir Fotografen sind mit unserem Hyperfokus auf wenige Marken und Sensorklassen schon auch selber schuld, dass sich der Markt nicht genügend diversifiziert und wenige Player alles andere erdrücken. Auch Pentax ist für den Landschaftler ein hervorragend liefernder und noch hervorragender bepreister Hersteller und bestimmt verdiente auch die L-Allianz viel mehr Aufmerksamkeit, als ihr medial zuteil wird. Selbst die m4/3 punkten durch ihre Vielseitigkeit und raffinierte Funktionen wie Pixelshift in der Landschaft weit mehr, als dass sie ernst genommen würden.
  • Eifelpixel 8. März 2019, 7:41

    Eine gute gelungene Nachtaufnahme
    Immer gutes Licht wünscht Joachim
  • christoph1380 7. März 2019, 7:49

    Gefällt mir sehr gut, das Bild. Den Begleittext muss ich mir gerade einmal wegkopieren, um ihn zu gegebener Zeit nochmal und nochmal zu lesen. Ein derartiges Feuerwerk an technischen Informationen/Überlegungen, gebündelt mit phantastischen Analogien verdient es, genauer gelesen und verstanden zu werden!
  • CODY M 7. März 2019, 7:29

    für ISO 100 ist der Himmel aber nicht der Burner
    • Tobias Becq 7. März 2019, 7:58

      Wenn du Posterisation oder Clowding meinst, das liegt an der Kompression, was bei zu kontrastarmen Flächen - wie langweiligem Himmel - zu den Rändern der Dichtekurve ob der geringen Bittiefe im Web entstehen kann. Man kann das ironischerweise dadurch erschlagen, dass man nachträglich Rauschen hinzufügt bzw. von Anfang an nicht entrauscht. Das Bild ist jedenfalls aus einer unkomprimierten RAW-Datei herausgerendert, Vielleicht sollte ich ein .tiff hochladen. Unterstützt die Plattform das?
    • CODY M 7. März 2019, 9:44

      ich verstehe das Ganze nicht, was ist denn so schwer daran solch eine Aufnahme zu erstellen,
      in RAW aufnehmen, in einem ordentlichen Programm entwickeln und fertig, muss man kein Physiker sein.
    • Tobias Becq 7. März 2019, 9:57

      Genau, ein gescheites Programm, eine gescheite Kamera und dann ran an den Speck, das war die Botschaft. Es gibt aber eben noch Leute, die Tonemapping oder Dynamikkompression und die entsprechender Vorteile iso-invarianter Sensoren, die dazu eben notwendig sind, noch gar nicht auf dem Schirm haben und weiter mit Belichtungsreihen oder Verlaufsfiltern hantieren, was natürlich umständlich ist, was Zeit kostet und ob bewegter Motive oder ungünstig verteilter Lichtquellen nicht in jedem Setting funktioniert. Am besten geht es dieser Tage wohl mit einer 850iger/Z7 oder mit einer A7(r)III. Nicht so gut geeignet sind andere Kameras, die aber mit feinsten Menues und Skintones glänzen. So hat jeder seinen Schwerpunkt

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Exif

Kamera ILCE-7RM2
Objektiv FE 16-35mm F4 ZA OSS
Blende 9
Belichtungszeit 30
Brennweite 16.0 mm
ISO 100

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