Bleibt das auch alles so?

Bleibt das auch alles so?

"Mama sagt, ich bin jetzt genau vier Wochen hier und ich soll mich endlich mal selbst vorstellen.

Also, was soll ich sagen? Hier heiß ich Shirley, manchmal sagt Mama auch Shirl oder das Shirl zu mir, das klingt lustig. Dann gibt es noch meine drei Freunde, Leroy, der ist Mamas Nummer eins, aber mit ihm stimmt was nicht, Mister Right, den sie fast nur Mister nennt, der ist so ein Bangschiß, und die dicke Iris, die immer nur essen will. Das find ich klasse, das will ich auch.

Wir wohnen alle zusammen drinnen und abends gehen wir auch zusammen schlafen. Nach dem Essen.

Das ist alles ganz anders als früher und als ich gehört hab ich komm weg aus dem Heim, ganz ganz weit weg, da war mir schon komisch, aber es waren viele von uns und eine Frau hat mir gesagt ich muß nicht Angst haben.

Angst hatte ich früher oft, bevor ich im Heim war. Das war nicht schön und manchmal muß ich dran denken, dann kneif ich ganz fest die Augen zu, bis ich nur noch Sternchen sehe, dann kann ich wieder an was anderes denken. Mama sagt dann immer Süße, ist Dir das zu hell? Sie weiß das ja nicht.

Ich hab auch ganz viel gelernt. Daß ich warten muß, bis ich an der Reihe bin und daß immer genug von allem da ist. Daß die anderen nicht verstehen, daß ich beim Spielen knurre und daß Sachen tragen ein herrliches Gefühl ist. Alle sind lieb zu mir und wenn ich nachts schlecht träume, darf ich zu Mama unter die Decke schlüpfen.

Bleibt das auch alles wirklich so? Ich streng mich auch an, ehrlich, und verscheuche alle, die meinen Freunden was tun wollen. Und ganz oft küsse ich unsere Mama, die lacht dann immer und sagt Schneckchenzunge oder Sudelprinzessin zu mir. Ich mag mir gar nicht vorstellen, ich müßte hier wieder weg, dann tut mein Herz so doll weh wie früher, als ich allein neben dem Wagen schlafen mußte und nachts oft so gefroren hab."


Shirley, 29. Mai 2012