Reiner H.


Premium (Pro), 50° 44' 2.37'' N ~ 7° 5' 59.33'' E

: 19 | u n t e n . t i e f

[Diese Geschichte handelt von dem legendären Duell zweier Lügengladiatoren : zwischen dem unbesiegten Champion Käpt´n Blaubär und seinem Vorgänger Nussram Fhakir, der Einzigartige.
Sie ist mein diesjähriger Versuch einer (vorweihnachtlichen Geschichte … viel Stoff und leider fand ich nicht die erforderliche Zeit, jeden der 24 Tage mit Bildern und Worten zu füllen; also wird es peu á peu weitergehen.]



R u n d e 7 8 b i s R u n d e 9 0

[ D e r . T i e f p u n k t ]

In den nächsten dreizehn Runden sank das Punktniveau auf die niedrigsten Werte des ganzen Duells. Die Zuschauer waren körperlich völlig verausgabt von Fhakirs musikalischer Einlage, er selbst war auch am Ende seiner Kräfte. Er hatte sicherlich angenommen, daß ich irgendwann im Verlauf seiner Musikrevue das Handtuch werfen würde. Das war aber nicht geschehen, ich stand noch immer, und sein Repertoire war erschöpft. Er griff auf Routinegeschichten zurück, wiederholte Bewährtes, und kassierte dafür minimale Punktzahlen. Ich selbst mußte mich aus meinem Tief hochkämpfen und durfte ebenfalls froh sein, wenn ich über zwei oder drei Punkte hinauskam.

Schließlich gingen drei Runden an ihn und zehn an mich, mit minimaler Punktzahl. Das Publikum war am Ende seiner Begeisterungsfähigkeit.
„Aufhören, aufhören !“ skandierten ein paar Yetis.


Wir hatten neunzig Runden gekämpft, 45 davon gingen an mich, 45 an Fhakir. Wir waren beide vollkommen ausgelaugt, unsere darstellerischen Bemühungen beschränkten sich auf ein gelegentliches lasches Winken oder ein Hochziehen der Augenbraue.
Das Publikum applaudierte nur noch aus Höflichkeit, über einem Punkt kam keine Geschichte mehr hinaus. Die Scham verbietet mir, deren Inhalte preiszugeben, es war wirklich unterstes Niveau. Jede Phantasiefaser unserer Gehirne war bis aufs letzte Tröpfchen ausgewrungen. Aufgeben wollte natürlich auch keiner, nach diesem langen Kampf. Es schien auf ein Unentschieden hinauszulaufen. Hilfesuchend ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen. Ich brauchte irgendeinen Anhaltspunkt, aus dem ich meine nächste Geschichte entfalten konnte.

Ich blieb bei Smeik hängen, der mich immer noch eiskalt musterte. Mit ihm hatte alles angefangen, ich mußte daran denken, wie er damals gelacht hatte, als ich ihm meine Lebensgeschichte erzählte. Er hatte sie für gut ausgedachte Lügen gehalten, das war der Anfang meiner Karriere.

Meine Lebensgeschichte.

Moment mal.

Wenn sie Smeik gefallen hatten, wieso nicht auch dem Publikum ? Er hatte einen guten Instinkt für das, was gefragt war. Es war nicht ganz fair, denn es waren ja keine Lügengeschichten, aber wer konnte das nachprüfen ? Außerdem war Fhakirs Musikeinlage ja auch nicht ganz nach den Regeln gewesen.

aus : Walter Moers – Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär,
Goldmann-Verlag, ISBN-13 : 978-3-442-45381-8

h i e r . g e h t ´s . w e i t e r :

: 20 | l e t h a r g i e
: 20 | l e t h a r g i e
Reiner H.


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