Die Weihnachtsfrau kehrt heim
Aus dem Fenster heute Morgen in Wellingsbüttel - Handy zur Hand - noch müde und der erste Schnee(Matsch) ist gefallen.
Dazu folgende Geschichte:
Die Weihnachtsfrau kehrt heim
Die Unterhaltungsindustrie ist in der Krise. In Samstag - Abend - Shows wird hurtig an Geschmacksübergriffen gearbeitet, damit verlorene Lemminge wieder zu sich und ihrem Sender aus öffentlichen Geldern finden. Bei „Verstehen sie Spaß“ wird die Frau eines Bundestagsabgeordneten auf das Bett gefesselt und hinterrücks aufgezäumt. Drei Lederjacken tragende schnauzbärtige Südeuropäer, die offensichtlich nach Nikotin und Alkohol riechen, üben sich im Schinkenklopfen der Armen. Anschließend vergehen sie sich an ihr. Groß im Bild der Politiker. Schamhaft verbirgt er sein Antlitz und formuliert in Gedanken einen Abschiedsbrief. Da kommt die Weihnachtsfrau die Showtreppe hinab. „I wanna be loved by you“ von Marylin Monroe wird auf ihre Synchronlippen gelegt. Lächelnd übergibt sie dem Abgeordneten einen Scheck. Der freut sich und sein Schock scheint vergessen.
„Scheidung wird es aber trotzdem geben!“, sagt er halbernst.
Das ist der letzte Auftritt dieses Jahr. Die Weihnachtsfrau kehrt heim. Sie betritt den Zug in die Ruhe der Jahresrecherchen und in die Abschlussbilanz noch vor dem 31. Dezember. Die Weihnachtsfrau ist gut gemacht. Sie ist stets etwa fünfundzwanzig, schlank und mit weißer, engelsgleicher Haut, dennoch weiblichen Kurven, Mundgeruch wie Schnee und goldenen Locken, gezwirbelt aus Liebe. Der Schaffner fragt nach der Fahrkarte.
„Ich muss nachlösen!“, sagt sie.
„Das können wir doch auch anders lösen!“
Er verschließt das Abteil. Die Weihnachtsfrau ist erst ungehalten, aber auch sie spart gerne etwas Geld, welches sie schließlich wie jedes Jahr für einen guten Zweck investiert.
„Ganz langsam ... langsam!“, ächzt er, als sie den Mantel des Schweigens über so viele Geschenke ablegt, ihr bebendes Bustier zum Vorschein kommt und zwischen Augen und Nasenflügeln die Glocken läuten. Dann geht es aber doch ganz schnell. Schaffner reagieren stets fahrplanabhängig, auch sexuell.
Geben und nehmen. Das Fest der Liebe verläuft im Matsch der Gefühle. Sie schaut aus dem Zug. Der erste Schnee dieses Jahr.
28. Dezember 2006
Kommentare
12
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Christiane Weigel 30. Dezember 2006, 11:27
Deine Weihnachtsfrau ist schon eine exzellent Verhüllte;) Ich mag das immer wieder von dir...Lass es dir gut gehen...bis nächstes Jahr:) lgC
Ralph C. 29. Dezember 2006, 13:17
wunderbare Szenerie gekonnt eingefangen... tolle Arbeit, mein Kompliment!LG Ralph
die Maike 28. Dezember 2006, 23:54
"Schaffner reagieren stets fahrplanabhängig"Schön!
Der durchsichtige Mantel des Schweigens hier auf dem Bild lugte schon ganz verrucht im Thumb rüber.
Edmund Kroisleitner 28. Dezember 2006, 23:36
Mensch! das ist ja richtig gut!!Frechdax . 28. Dezember 2006, 21:10
;-))))))))))))Ich nehm mir immer ein wenig Zeit, um deine Stories zu lesen..denn sie sind spannend, so kurz wie sie sind, ich staune jedes Mal über das ungeahnte Ende...
und dein Handy-Pic passt gut dazu.
Th Ebert 28. Dezember 2006, 19:02
Hallo Matthias, wie all die anderen Handybilder genial. Und Deine Anmerkungen genial. Mehr davon.ThomasMatthias von Schramm 28. Dezember 2006, 18:15
ja zwei megapixel aber kontrast schon etwas nachgeregelt doro ;)Doro E. 28. Dezember 2006, 18:14
der text ist beklemmend gut .ein handyfoto ?? kaum zu glauben !!!!
Zwei AnSichten 28. Dezember 2006, 18:14
Die Geschichte beschreibt wahrscheinlich das reale Leben :-)))Das Bild gefällt mir !
lg Ingrid
Matthias von Schramm 28. Dezember 2006, 17:21
das ist doch kein gedicht - dieses zentrierte hier verfälscht einen prosatext förmlich. - und verunsichern? ... ja das soll er ruhig.Arno M 28. Dezember 2006, 17:21
bild fasziniert... geschichte großartig :-)))Sven Korejtko 28. Dezember 2006, 17:19
das gedicht verunsichert mich