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Günter Baum (1923-1942)

Günter Baum (1923-1942)

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Reinhard Gebauer


kostenloses Benutzerkonto, Oberhausen

Günter Baum (1923-1942)

Aus familiärer Sammlung fiel mir gestern diese Aufnahme in die Hände. Sie zeigt einen Vetter (Cousin) meiner Mutter, der – auf den Tag genau – heute vor 68 Jahren starb. Sie lernten einander nie kennen, da meine Mutter – zum Zeitpunkt seines Todes noch keine fünf Jahre alt – bei ihrer Familie in Fritzlar/Hessen, er bei der seinigen in Düsseldorf/Rheinland lebte.

In der Todesanzeige seiner Eltern heißt es, daß der Kriegsfreiwillige Günter Baum, als MG-Schütze eines Panzer-Grenadier-Regiments, in den Abwehrkämpfen vor Stalingrad bei Ortowka im Alter von 19 1/2 Jahren am 24. August 1942 für die Zukunft unseres Volkes gefallen sei.

Am 19.08.1942 - fünf Tage vor seinem Tod - schrieb er einen Brief an seine Mutter. Darin richtete er beruhigende Worte an die Familie, grüßte Verwandte und Bekannte, äußerte persönliche Wünsche und berichtete zuversichtlich über die militärische Lage an seinem Frontabschnitt: „Ich bin jetzt in der 6. Kompanie Panzer-Grenadier-Regiment 79 als MG-Schütze 1. Habe jetzt mehrere Einsätze hinter mir. Wir liegen zur Zeit 2 Tage in Ruhe, haben bis jetzt an den Kämpfen am Don (Ort Kalatsch) teilgenommen. Wir haben dem Russen hier den letzten Brückenkopf im Südabschnitt westlich des Dons vernichtet. Ich befinde mich bei der Division, die dieser Tage laut Meldung des Radios den 1000. Feindpanzer vernichtete. Wir bleiben wohl noch etwas länger in Ruhe.“

Die weitere Entwicklung – nicht nur im Raum Stalingrad – ist bekannt und Geschichte.

Anmerkung: Er war in diesem Krieg Opfer und Täter zugleich. Hinterher ist man immer klüger – und sicher, daß das allgemeine Bewußtsein sowie die politischen Verhältnisse uns hierzulande vor einem ähnlichen Schicksal bewahren.

Oberhausen, den 24.08.2010

Reinhard Gebauer

Schreinermeister Karl Anton Gebauer mit Sohn August und Gesellen, Fritzlar, um 1905
Schreinermeister Karl Anton Gebauer mit Sohn August und Gesellen, Fritzlar, um 1905
Reinhard Gebauer

Kommentare 3

  • Heribert Niehues 21. Oktober 2021, 14:35

    Eins von vielen unnötigen Schicksalen des Krieges. Mein Onkel, damals 18 Jahre alt, ist genau 2 Wochen vor Ende des Krieges in Östereich gefallen. Er hat noch nicht vom Leben gehabt...
    LG Heribert
  • Will Urselmann 3. April 2017, 19:52

    Der Junge sei vergeben. Er wurde gezwungen. Und die Verrueckten sind noch nicht ausgestorben. Will
  • Reinhard Gebauer 3. April 2017, 10:07

    Sensor am Rande des Nervenzusammenbruchs 18. April 2015, 8:46

    Wie Japan wurde Deutschland damals nationalistisch bedröhnt. Im Physikschulbuch meines Vaters steht auf der ersten Seite ein Göring-Zitat "Das deutsche Volk muss ein Volk von Fliegern werden". Das Buch wurde 1939 rausgegeben. Und so wurden sogar die Jüngsten subtil und systematisch indoktriniert. Und dies bestimmt schon vor dem WK Beginn.



    smokeonthewater 14. Juli 2013, 22:56

    "Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden" (Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre 1821 / Käthe Kollwitz 1942)



    Ryszard Basta 14. Februar 2011, 19:47

    Habe neulich einige deutsche Buecher ueber
    Stalingrad gelesen . (auch von W.Kempowski-Echolot
    Barbarossa 41). Unglaublich was die Leute
    dort erleben muessen. Wieviel wird man nie wissen.
    Natuerlich je laenger ich lese desto mehr Mitleid habe ich
    fuer die Deutsche. Man vergisst was und warum.
    Insgesamt eine schreckliche Geschichte und, das ist erst schlimm, wozu? Alles war nur Wahnidee.
    Und Dein Bild zeigt Einen der das miterlebte und gefallen ist. Man schaut das Bild an und muss nachdenken, Der war im Hoelle



    2285B 22. Dezember 2010, 0:09

    Gegen das Vergessen!
    Gut so!

    OLi



    Heribert Niehues 28. Oktober 2010, 11:02

    Da könnte man viel zu schreiben.... Leider haben nicht alle Menschen etwas aus den Kriegen gelernt. Das sieht man täglich im TV. Habe auch noch ein Foto von meinem Onkel, er ist keine 2 Wochen vor Ende des Krieges im April 1945 mit ebenfalls 19 Jahren gefallen..... hat nichts vom Leben gehabt.
    LG Heribert



    Reinhard Gebauer 26. August 2010, 17:57

    Ich habe aus der Geschichte die Lehre gezogen,
    mich dem Prinzip "Befehl und Gehorsam" nicht zu unterwerfen
    und die Verantwortung für das eigene Handeln nicht an andere
    zu delegieren.



    Claudia Sölter 26. August 2010, 11:24

    Vielleicht an dieser Stelle noch eine Anmerkung.
    Wer sagen würde, alle Deutschen damals waren Täter, der mag sich vielleicht mal die Frage stellen, was er oder sie antworten würde, wenn die Enkel fragen:
    "Warum habt Ihr damals alles Öl verbrannt? Warum habt Ihr die Luft verpestet und die Böden und die Meere? Ihr hättet es doch besser wissen müssen!"
    Tja, was sagen wir dann?
    Das ist zwar scheinbar viel subtiler, doch faktisch mindestens genau so verheerend.
    Nein, lebe ich unter einer Vielzahl von Menschen, schwimme ich zwangsläufig in einem Strom mit. Natürlich kann ich etwas dagegen unternehmen und wenn die Gelegenheit günstig ist und die Mitmenschen unter einem gewissen Leidensdruck stehen, machen sie/wir daraus eine Massenbewegung und geben den Dingen einen anderen Lauf.
    Und damals – das muss man sich einfach mal vor Augen führen – war die Gelegenheit günstig für die Errichtung einer Killer-Diktatur. Sie ist nicht entstanden, weil die Menschen per se böse waren, oder blöd, oder träge, oder egoistisch.
    Sie entstand aus anderen Gründen und sie bestand später auch aus anderen Gründen fort.
    Nein, das können wir uns heute nicht mehr vorstellen, so wie sich auch nachfolgende Generationen so manches nicht mehr werden vorstellen können, was wir so getrieben haben.
    *hmmmichwolltegarnichtsovielschreiben*
    Wünsche Euch noch einen schönen Tag.
    Ahoi
    Claudia



    Gerhard Busch 26. August 2010, 11:04

    Ein eindrucksvolles Dokument unserer Geschichte. Eine Mahnung an unsere Jugend und ein Warnung an die ewig Gestrigen.
    Gruß Gerhard



    Reiner H. 25. August 2010, 22:49

    Ich stimme Claudia zu.
    In einem repressiven gesellschaftlichen Klima wurden viel zu viele "vergiftet".
    Es ist schwer, sich vorzustellen, wie es damals wirklich war ... auch meine Großeltern redeten nicht gerne über diese Zeit. Heute ist mir klar, dass sie sich als einfache Bürger und Teil der schweigenden Mehrheit mitverantwortlich fühlten und sich dafür schämten.
    Danke, dass du an ein viel zu kurzes Leben erinnerst.
    VG, Reiner



    Reinhard Gebauer 25. August 2010, 21:30

    Was die "Opferrolle" angeht, muß ich Claudia Recht geben.
    Auch wenn er sich vorzeitig "freiwillig" meldete, steht sein
    "freier Wille" in Frage. Da wirkte nicht nur die NS-Erziehung,
    da war auch der Einfluss seiner Familie. Der Vater war bereits Offizier
    im ersten Weltkrieg, der ältere Bruder wurde Leutnant
    der Wehrmacht - er überlebte den Krieg und gab seinem Sohn den Namen des gefallenen Bruders: Günter.
    Zum Täter wurde er zwangsläufig. Als MG-Schütze in vorderster Linie blickte er nicht nur dem Tod ins Auge, sondern auch dem Gegner.



    Claudia Sölter 24. August 2010, 23:46

    Der erste Tod der Jugend in der damaligen Zeit begann schon mit der Nazi-Erziehung oder zumindest durch das damals allgemein anerkannte Gedankengut. Und in einer Diktatur (wohlgemerkt noch ohne Internet und auch ohne freie Presse) ist es besonders schwer, Zivil-Courage zu zeigen.
    Nein, dieser Jugendliche war Opfer... einfach nur Opfer...!
    Er glaubte an ein Regime, das von Zukunft sprach, diese aber buchstäblich verheizte.
    Solche Bilder verbunden mit den entsprechenden Äußerungen der betroffenen Menschen bewegen mich bis heute sehr.
    Konnte mit meinen Großeltern nie darüber reden, denn sie starben alle, bevor ich 13 Jahre alt war.
    Ahoi
    Claudia



    Giovanni Pinna 24. August 2010, 21:42

    Zeitdokument einer verheizten Jugend.
    Mein Onkel starb mit 18 in der Tschechei, in der Nähe von Prag.
    Nie wieder sowas.

    lg Giovanni