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300 Wo warst Du, Schutzpatron ?

300 Wo warst Du, Schutzpatron ?

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homwico


Premium (Complete), Coburg

300 Wo warst Du, Schutzpatron ?

Die Ansicht des unteren Teils des Coburger Erkers, der sich am Rathaus am Marktplatz an der Ecke zur Ketschengasse befindet. Insgesamt befanden sich bis zum 17. Jahrhundert in der Coburger Innenstadt 5 Erker, die alle die gleichen Merkmale aufwiesen. Den Rathauserker erschuf der Baumeister Hans Schlachter im Jahr 1575. Er hat sich dabei verewigt: er kniet auf einem Kragstein mit Löwenmaske, in der rechten Hand den Klöpfel, in der Linken ein Schild mit seinen Steinmetzzeichen und seinen Initialen „H.S.“ haltend. Andere Berichte besagen, dass die Initialen dem vermutlichen Erbauer des neuen Rathauses, Hieronymus Schmidt, zuzuordnen sind. Darüber der Schutzpatron der Stadt, der heilige Mauritius in voller Rüstung mit Fahne und Helm, in seiner linken Hans ein Schild mit dem Meißner Löwen haltend.
Aufgenommen am 24.04.2019.

Am 30. Januar 1933 hatten die Nationalsozialisten ihr Ziel erreicht: der Reichspräsident Paul von Hindenburg ernannte Adolf Hitler zum Reichskanzler. Dadurch wurde aus der parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik eine Einparteiendiktatur – das Dritte Reich entstand.
Mit der notwendigen Reichstagswahl am 5 März 1933, der Reichstag löste sich nach der Ernennung Hitlers am 1.Februar auf, ging die NSDAP deutschlandweit mit 43,9% als Sieger hervor. Sie war aber nur mit Hilfe der KSWR, (Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, die frühere DNVP) die 8% erreichte, regierungsfähig. Die Wahlbeteiligung war mit 88,74 % hoch. Am 23.März 1933 schaffte der Erlass des Ermächtigungsgesetzes und der damit verbundenen Übertragung der gesetzgebenden Gewalt an die regierende NSDAP die Möglichkeit, konkurrierende Parteien auszuschalten.
Bei den Wahlen erreichte die NSDAP in Coburg eine absolute Mehrheit von 56,1%. Die Würfel waren gefallen.
Am 7. Mai 1933 kam es im Hof der Ehrenburg zur Bücherverbrennung. 1934 änderte man das Stadtwappen: In der NS-Zeit trat an die Stelle des heiligen Mauritius ein SA-Dolch mit Hakenkreuz im Knauf vor einem schwarz und golden gespaltenem Schild, das die Bedeutung der Stadt für die Frühgeschichte der NS-Zeit symbolisieren sollte. Auch etliche Straßen wurden umbenannt: z.B. „Mohrenstraße“ in „Straße der SA“; „Löwenstraße“ in Ludendorff-Straße“; „Bahnhofstraße“ in Adolf-Hitler-Straße“. Nach Kriegsende bestanden die Amerikaner darauf, dass das alte Wappen zurückkehrte, auch die alten Straßennamen wurden wieder übernommen. Am 19 Oktober 1935 wurde von Adolf Hitler in den Schlossplatzarkaden das Kriegs-Ehrenmal eingeweiht. Er trug sich dabei in das Ehrenbuch der Stadt ein. Mit dem 23.06.1939, 10 Jahre nachdem die NSDAP im Stadtrat die Mehrheit erlangte, durfte Coburg, von Hitler als „Vorort nationalistischer Gesinnung“ bezeichnet, den Ehrentitel „Erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands“ führen.
Nach der Machtübernahme verschlechterte sich die Situation für Kritiker der NSDAP und für die Juden drastisch: mit offenem Terror ging man gegen sie vor. Sie wurden festgenommen, gefoltert, im Rahmen der „Arisierung“ denunziert und schließlich im Rahmen des Gesetzes „Zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, der 1935 erlassenen „Nürnberger Gesetze“, in Konzentrationslager deportiert. Auch in Coburg kam es zur Reichspogromnacht am 9/10. Oktober 1938 zu gravierenden Ausschreitungen. Von 233 jüdischen Bürgern, die 1933 in Coburg lebten, waren am Kriegsende 4 übrig. Die Geschichte bis zum Kriegsende zeigt die negativen Ausmaße und Dimensionen, die durch die geschilderte Abfolge der Ereignisse weltweit ihre Spuren hinterlassen haben. Und wir in Coburg mit seinem „Rathaus“ waren mittendrin…….
„Mit Coburg habe ich Politik gemacht“ so die Aussage Hitlers bei einer Rede zum 15.Jahrestag des Marsches auf Coburg, am 15.Oktober 1937 - die Degradierung einer Stadt zum kommunalen Experimentierfeld eines Größenwahnsinnigen. Hier erprobten die SA und die NSDAP ihre Strategien wie Herrschaft durch Gewalt, Übergriffe gegen Andersdenkende und die Ausgrenzung der Juden bis zur „Endlösung“.

Kommentare 7

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  • anne47 12. August 2021, 22:35

    Ein prächtiger Erker mit leuchtenden Farben. Dein Bericht über die Nazizeit ist sehr interessant, wusste nicht, dass Coburg so wichtig war für Hitler. Dürfte nach dem Krieg auch für einige Leute nicht einfach gewesen sein, sich wieder reinzuwaschen
    LG Anne
    • homwico 13. August 2021, 2:10

      Es war wie überall: nach den Nürnberger Prozessen wurde alles ein wenig, ich sage es mal vorsichtig, unter den Teppich gekehrt.
      Es hat nicht lange gedauert, dann war der Stadtrat und zentrale Stellen z.T. wieder mit Leuten aus der NSDAP-Zeit besetzt.
      Reingewaschen und als Mitläufer bagatellisiert wurde hier die Chance vertan, die Geschichte gründlich aufzuarbeiten.
      LG Wilhelm
  • Burkhard Jährling 11. August 2021, 19:21

    Eine interessante Detailaufnahme.
    VG Burkhard
  • aposab1958 11. August 2021, 18:52

    wundervoll der Blick auf die hervorragend gearbeiteten Figuren und eine lehrstunde in Geschichte!
    DANKE
    lg Sabine
  • Heribert Fischer 11. August 2021, 18:01

    eindringlich dokumentiert
  • André Reinders 11. August 2021, 17:58

    Tolles Detailfoto und wieder so hervorragend von Dir dokumentiert!!!

    LGAndré
  • Vitória Castelo Santos 11. August 2021, 17:17

    Gut von Dir fotografiert.
    LG Vitoria