1.092 15

Vergessen

Wege

Wege, die niemand mehr geht,
verwachsen, verwehn.

Vergessen wird,
was keiner mehr denkt,
auch wenn es bis dahin
geschrieben stand.

Bevor hier gegangen wurde,
war auch kein Weg.
Nun befestigen
große Maschinen
diese Straße
mit Eisenbeton.

Und überall liegen
verlassene Straßen,
vergessene Sprachen
und tote Philosophien.

(Heinz Kahlau)

Kommentare 15

  • † werner weis 30. Dezember 2009, 6:36


    ein Bild-Werk,
    das mir heute erneut ins Auge fiel

    - gelungen
    - nachhaltig
    - motiviert
  • † werner weis 10. Oktober 2009, 10:25


    "And the streets only know your Name..." (Van Morrison)

    gruselig,
    was hier war oder kommt
    doch bleiben wir realistisch:
    hier fiel nur Staub und
    die Spinnen webten

    ein Foto wie ein Gedicht
  • Kerstin Stolzenburg 8. April 2008, 9:38

    Lieber Eckhard, den Gedanken, die fc als Studienmaterial für wissenschaftliche Arbeiten verschiedenster Ansätze zu nutzen, finde ich grundsätzlich nicht abwegig. Die Grundgesamtheit der Mitglieder in der fc ist recht groß, so dass hier sicher interessante Aussagen möglich wären.
    Die Bildidee, die Du ansprichst, ist sehr schön und das Bild über Frau Y. hat ja keine Eile. Ich hatte „Weg im Licht“ in der Tat bislang nicht aus dem Blickwinkel junger Erwachsener betrachtet, das Bild ließe wahrscheinlich auch weitere Interpretationsansätze zu.
    Das Foto darfst Du gern verlinken, wie übrigens alle meine Bilder, wenn Du unter ihnen etwas Brauchbares findest. Was das "nur-die-Augen-zeigen" betrifft, ging es mir bei dem Bild um den Ausdruck, der wiederum für viele junge Erwachsene stehen könnte, nicht darum, speziell ein Portrait meiner Tochter zu zeigen. (Ich werde die fc generell nicht nutzen, um Familienfotos auszustellen ;-)).
    Kerstin
  • E. W. R. 8. April 2008, 8:04

    Liebe Kerstin, alles, was Du gesagt hast, könnte ich unterschreiben, leider auch den letzten Satz.

    Da ich mich aber am letzten Wochenende mit alten Studienfreunden getroffen habe, und aus denen offenbar exzellente und beliebte (Ober-)Studienräte und (Ober-)Studiendirektoren geworden sind – prächtige Menschen waren sie bereits damals –, bin ich positiv gestimmt. Darum wollte ich mich letztens auch nicht auf Carstens Weh-und-Ach-was-ist-das-Leben-schrecklich-Bild einlassen.
  • Kerstin Stolzenburg 7. April 2008, 23:01

    Lieber Eckhard, zunächst freut es mich natürlich sehr, dass Du das Bild in eine positive Richtung besprochen hast, was ich mit der Darstellung auch andeuten wollte.
    Obwohl völlig von Spinnweben eingehüllt und damit natürlich zunächst dem Vergessen anheimgegeben, liegt der alte Haken doch nicht im Schattenbereich, sondern wird von der Sonne beleuchtet.

    So ist es ja auch mit manchen Menschen, mit Schriften, Musikstücken, alten Autos… Jahrelang können sie ein Schattendasein geführt haben, am Rande der Gesellschaft, in einem Winkel einer Scheune, auf einem Dachboden; unscheinbar, vergessen, verstaubt; bis eines Tages doch ein Lichtstrahl auf sie fällt und man bemerkt, dass auch an ihnen etwas Besonderes ist.

    Dass etwas von einem bleiben möge, wird sicherlich jeder Mensch hoffen. Was die Spuren betrifft, ist das eigene Kind natürlich etwas ganz Besonderes. ;-)
    - In anderem Zusammenhang erinnere ich mich an das zugegebenermaßen nicht unangenehme Gefühl, bei einer Recherche vor etlichen Jahren eine umfangreiche Broschüre von mir, die allerdings als Buch läuft, zufällig im Katalog der British Library gefunden zu haben. Eigentlich ist es ja nichts Bemerkenswertes und man hat ja auch nichts davon, aber der Gedanke, dass sich vielleicht in fünfzig Jahren doch noch jemand für das von einem Geschriebene interessieren könnte, so wie man sich heute selbst mit älteren Veröffentlichungen befasst, ist doch irgendwie schön.

    Das, was Du bezüglich des kollektiven Gedächtnisses unserer Kulturgemeinschaft ansprichst, halte ich für sehr wesentlich. Die Verantwortung für deren Erhalt und die Weitergabe ihrer Werte an die nachfolgenden Generationen ist sicher eine unserer wichtigsten Aufgaben. Und da ist auch jeder einzelne Mensch in der Pflicht. Allerdings habe ich doch sehr oft den Eindruck, dass eben gerade auch Eltern sich dieser Verantwortung nicht bewusst sind, wenn sie aus Bequemlichkeit den Nachwuchs vor dem Fernseher oder dem PC „parken“, statt ihnen etwas vorzulesen oder mit ihnen einmal ein Theater oder ein Museum von innen anzuschauen. Und manchmal begegnen einem leider sogar Menschen, die überhaupt keine Spuren positiver Art hinterlassen, die einen rätseln lassen, was sie denn von ihren Vorfahren, wie Thomas sie in seiner Bilderserie kürzlich dargestellt hat, unterscheiden könnte.

    Kerstin
  • E. W. R. 6. April 2008, 20:03

    „Spuren hinterlassen“ ist ein Gedanke, der in Gesprächen unter Freunden zunehmend häufiger geäußert wird. Wer ein Kind hat, kann bereits darin die Spuren seiner selbst sehen, die bleiben werden, wenn er auch selbst nicht mehr auf der Erde ist. Andere können hoffen, dass ihre Werke, wie immer sie aussehen, doch jedenfalls eine gewisse Zeit bleiben werden. Wieder andere leben vielleicht in den Gedanken derer fort, mit denen sie zu tun hatten.

    Der Gedanke, dass man nicht nur sein möchte, sondern auch eine Spur des eigenen Seins auf der Erde hinterlassen möchte, zeigt sich auch bereits bei Jugendlichen. Sei es, dass sie Herzen und den Namen ihrer Liebsten und den von sich selbst in Bäume und Bänke ritzen, sei es, dass sie ihn mit Farbe auf Wände sprühen: „Ich liebe Dich. Für Flocke.“

    Vom Tier hat ein kluger Mensch, ich glaube, es war Nietzsche, einmal gesagt, es sei an den Augenblick angepflockt. Bei vielen Tieren mag das stimmen, aber bereits manchen Tieren, so den Elefanten, aber auch anderen, wird ein Gedächtnis zugesprochen. Sie sprechen nicht darüber, aber die Erfahrung spricht dafür.

    Der Mensch aber hat es. Als geschichtliches Wesen sieht er sich in einer Kontinuität der Geschichte. Zwar trifft man immer wieder Menschen an, die den Spruch „Das war vor meiner Zeit!“ im Munde führen, wenn sie etwas nicht wissen, aber das sind vielleicht nicht diejenigen, mit denen ein Gespräch sich unbedingt lohnt. Objektiv haben sie natürlich recht, und in dieser radikalen Haltung liegt auf der einen Seite auch etwas Gutes. Für jeden Menschen ist sozusagen ein „Reset“ gegeben; er ist auf „Null“ gesetzt; er hat mit der Vergangenheit, die vor ihm war, nichts zu tun, ist jedenfalls nicht für sie verantwortlich oder irgendwie mitverantwortlich. Für das, was andere vor uns an Schlechtem getan haben, brauchen wir uns nicht verantwortlich zu fühlen. Wir stehen vor dem Unfassbaren mit dem gleichen Grauen wie die Opfer. Wir können uns aber auch nicht für das loben, was vor uns an Gutem getan worden ist.

    Aber lernen können wir daraus. Und darin liegt ja auch der Sinn, dass das, was vor uns war, im kollektiven Gedächtnis einer Kulturgemeinschaft lebendig gehalten wird. Niemand kann ohne dieses kulturelle Gedächtnis zu dem werden, was er in der jeweiligen Epoche der Gemeinschaft werden kann. Daraus ergibt sich eine Verantwortung für die Bewahrung dieser Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis. Und eine Verantwortung für eine Weitergabe dieser kulturellen Werte an die nachfolgenden Generationen. Ohne das Bindeglied der Menschen der jeweiligen Gegenwart kann diese Kette nicht bestehen. Unsere Spur ist die Kette, die nicht zerreißt. Eckhard
  • Renate Bonow 2. August 2007, 10:45

    der haken ist nicht ganz vergessen, selbst der nicht, wie man hier sieht.
    lg renate
  • Alexandra P. 1. August 2007, 23:20

    Grandiose Wirkung.
    LG Alexandra
  • histoe 1. August 2007, 6:50

    ......hat eine geschichte..dieses bild,ich mags:marodes,gut getroffen!!!!!!!!!!!!!!
  • ston 31. Juli 2007, 23:26

    Bild und Text passen sehr gut zusammen. Stimmt einem sehr nachdenklich. Vielleicht macht man im Leben zuwenig damit man nicht vergessen wird.
    Erinnert mich ein wenig an ein Bild das ich in Hamburg gemacht habe.

    LG Stefan
  • Kitty Goerner 31. Juli 2007, 23:03

    boah, da kriecht mir Gänsehaut über den Schädel... toller Text, wunderbar illustriert. Tolles Licht.
    Kitty
  • Peter Kr. 31. Juli 2007, 22:39

    ...das mag ich sehr - wunderbar gesehen! Gehst mit offenen und wachen Augen durchs Leben und hast einen feinen Blick fürs Motiv und ein enormes Gespür für Emotionen
    Bewegende Arbeit

    Liebe Grüße
    Peter
  • Klaus Gärtner 31. Juli 2007, 20:59

    Es berührt und passt wunderbar zusammen - aber ziemlich deprimierend wirkt es heute auf mich.
    LG Klaus