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Thomas Reitzel


Premium (World), Fountain, RP

Vor 30 Jahren

Wieder mal ein tiefer Griff in meine Mottenkiste!

Während einigen Monaten im Jahr 1976 war ich als Fahrdienstleiter auf der Abzweigstelle Darmstadt-Nord eingesetzt. Diese galt als größte Abzweigstelle Deutschlands. Hier teilten sich, wie anderswo bereits beschrieben, zwei zweigleisige Strecken in mehrere Streckenäste auf.

Die Stammstrecke hierbei war die zweigleisige Hauptbahn Mainz-Bischofsheim - Aschaffenburg einerseits
und die zweigleisige Hauptbahn Darmstadt Hbf - Da-Kranichstein(- Aschaffenburg) andererseits.
Von letzterer zweigte die zweigleisige Odenwaldbahn ab,
von ersterer je eine eingleisige Verbindung nach Darmstadt Hbf, nach Darmstadt-Arheilgen und in das Werk der Merck AG. Außerdem gab es noch eine Ausweichanschlußstelle zu einem kleinen chemischen Betrieb.

Der gesamte Verkehr wurde aus einem alten, fast baufälligen Fahrdienstleiterstellwerk geregelt, und zwar mittels zweier mechanischer Hebelbänke, die sich Bauartbedingt unterschieden. Acht Blocksignale und zehn Weichen einschließlich Fahrstraßenfestlegung und Streckenblock
waren zu bedienen.
Maximal vier Zugfahrten gleichzeitig waren möglich.
In drei Zugmeldebüchern wurde der Zugverkehr dokumentiert.

An Samstagen war der Zugverkehr durch einige interessante Züge geprägt, die man sonst nicht allzu häufig sah, so wie hier zum Beispiel
ein Autoreisezug, der aus Narbonne in Südfrankreich kam und unter Umgehung des Großraums Frankfurt in Richtung Hannover -Hamburg weiterlief.
Zuglok war an diesem Tag die 110 307. Der Zug kommt auf dem Streckengleis von Darmstadt Hbf und fährt in Richtung Darmstadt-Kranichstein, wo sich diese zweigleisige Strecke mit der Strecke rechts in Richtung Aschaffenburg vereinigt. Der Autoreisezug wird an der Abzweigstelle Mainaschaff die Verbindungskurve in Richtung Hanau befahren und danach über eine weitere Verbindungskurve bei Hanau-Wolfgang in die Strecke Hanau - Fulda einschwenken.

Zum Tag der Arbeit
Zum Tag der Arbeit
Thomas Reitzel


Das Blocksignal ist deshalb so niedrig, damit es auch beieinem Halt unter dem angrenzenden bahnsteigdach noch aufgenommen werden konnte.

Heute besteht die Abzweigstelle als selbständiges Fahrdienstleiterstellwerk nicht mehr, sondern wird von Darmstadt Hbf aus ferngesteuert.
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Kommentare 13

  • Petrosilius Krallemann 14. Januar 2009, 0:12

    Grandioses Zeitdokument!
  • Velten Feurich 27. Juni 2007, 17:43

    Bei Deinem historischen Exkurs und dem Signal auf Halt gesetzt muß ich an den 9. Parteitag denken, der in der DDR auch einige positive Tendenzen wieder zum halten brachte und im gewissen Sinne schon das langsame Ende einläutete. Deine Aufnahmen aus dieser Zeit zeigen, daß Du immer schon Dein Handwerk verstanden hast !! LG Velten
    PS wenn man von Parteitagen in der DDR spricht ist immer nur die eine Partei gemeint ("meine" DDR-CDU Parteitage und die der anderen Parteien waren stets ohne große Bedeutung) Als Blockparteimitglieder gehörten wir nach der Wende aber auch mit zu den "Bösen" Meine Frau hatte sich zum Beispiel als Bezirkstagsabgeordnete der CDU in der Kommission Enregie und Umwelt für die Kohlebelieferungen an der Basis in Ihrem Wahlkreis als Hauptbeschäftigung gekümmert und durfte deswegen nach der Wende im Finanzamt keine Schulung für eine mittlere Arbeitslaufbahn besuchen, da ab der Bezirkseben wie gesagt die " Bösen" Systemnäheren angeblich waren. Nur mal ein kleines Beispiel meiner Erinnerung,wenn es auch eigendlich hier nicht hinpaßt
  • Hartmut Sabathy 26. Juni 2007, 13:48

    bof, deine historische Aufnahme gefällt mir sehr gut, deine Schilderung @ Steffen finde ich arg, was du da eigentlich für einen Streß hattest, Den Zug von Narbonne: fährt der jetzt auch noch nach Hamburg (weil morgen kommt er ja nach Salzburg Hbf, wo ich ihn erwarten werde) lg Hartmut
  • Michael Calcada 26. Juni 2007, 8:23

    Eine Bügelfalte in Blau, sehr schön, mehr davon.

    Gruß Michael
  • Klaus Michel. 26. Juni 2007, 6:24

    Sehr interessante Erläuterungen und ein ebenso schönes Bild zur Story.
    VG Klaus
  • Thomas Reitzel 25. Juni 2007, 23:57

    Danke Euch allen für die interessierten Anmerkungen!
    Es spornt an, weiter in der Schatz-/Mottenkiste zu graben!

    @Steffen: Der Dienst war mitunter wirklich stressig, denn es kam vor, daß vier Zugmeldeleitungen gleichzeitig klingelten, gerade mehrere Züge durchfuhren und man die beobachten mußte, dann die Signale zurück auf Halt stellen und danach vorblocken mußte. Gleichzeitig mußte man den Vorblock aus der Richtung im Auge behalten, aus der ein Zug gemeldet war und dann das Signal auf Fahrt stellen, denn dies vorher zu tun, war auch nicht immer ratsam. Hatte man beispielsweise die Fahrstraße abzweigend aus Kranichstein in Richtung Darmstadt Hbf gelegt und das Signal auf Fahrt gestellt, und der Fahrdienstleiter in Kranichstein disponierte um und wollte zuerst einen Zug in Richtung Mainz-Bischofsheim abfahren, so waren Komplikationen vorprogrammiert. So etwas kam vor, wurde aber in der Regel vorher abgesprochen, sonst wäre es ja auch zu einer Fehlleitung gekommen. Denn einem Zug das Signal vor der Nase auf Halt zu schmeißen, das war und ist verpönt, darf eigentlich nicht passieren, wenn alle betrieblichen Handlungen ordentlich ablaufen. Und das taten sie; ich habe in meiner Zeit dort keinen einzigen Fall einer Fehlleitung oder sonstigen Unregelmäßigkeit erlebt!
    Wohlgemerkt: Man war als Fahrdienstleiter dort allein!
    Tom
  • Klaus Kieslich 25. Juni 2007, 22:21

    Ein klasse Griff in Deine historische Kiste !
    Gruß Kaus
  • markus.barth 25. Juni 2007, 22:20

    das ist keine mottenkiste, sondern eine schatzkiste! auch deine beschreibungen sind allererste sahne.
  • Hannes Ortlieb 25. Juni 2007, 22:19

    Einfach ein tolles Dokument vom damaligen Alltag, den es heute ja nicht mehr gibt, aber dafür machen wir ja Fotos vom heutigen ;-) Das Signal hat genau die richtige Höhe, fügt sich so prima ins Bild ein, die Reihe Bäume hinter der Lok macht sich auch hübsch und die Form der Lok auch, auch wenn der Keks etwas angeknabbert wirkt. Die Maschine auf Hochglanz würde gar nicht in die Umgebung passen!

    Grüße, Hannes
  • Steffen°Conrad 25. Juni 2007, 22:16

    Das muss doch ein Mordsstressiger Dienst gewesen sein da- und auch körperlich belastend??
    Das Du dann noch solche Bilder gemacht hast..
    alle Achtung!
    Vg Steffen
  • Christoph M. K. 25. Juni 2007, 21:41

    Tolles historisches Foto. Handwerklich gut gemacht. Da gibt es nix zu meckern.
    Gruß, Christoph
  • Thomas Reitzel 25. Juni 2007, 20:34

    Ja, Christian, sie war in ihrem Original-Outfit unterwegs, also in dunkelblau-silber, mit Dachrinne, umlaufenden Griffstangen, durchgehendem Lüfterband und verkleideten Pufferbohlen, was sie wirklich zu eleganten Maschinen machte. Durch die späteren "Entfeinerungen" ist kaum noch etwas von dieser Eleganz übrig.
    Auf der Front trägt sie das DB-Emblem in Guß, dessen schwarze Auslegung stark abgeblättert ist.
  • Christian Kruse 25. Juni 2007, 20:25

    Na dieser Griff in die Kiste hat sich ja gelohnt und in s/w hat es eine besondere Ausstrahlung. Ich gehe davon aus das die Bügelfalte in ihrem typischen "grün-schwarz " unterwgs war. Aber was für ein besonderes Zeichen trägt Sie auf der Stirn?
    lg chris