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Wenn der Bagger kommt - lebe wohl, Otzenrath

Wenn der Bagger kommt - lebe wohl, Otzenrath

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Kerstin Ehmke-Putsch


Premium (World), Solingen

Wenn der Bagger kommt - lebe wohl, Otzenrath

Letzte Woche habe ich im TV eine Kindersendung gesehen. Sie erzählte von einem Jungen, der mit seiner Familie in Otzenrath gelebt hat. Seine Heimat - die es schon bald nicht mehr gibt.

Garzweiler 2 hinterläßt keine Spuren.

Da wird kein Baum mehr sein,
keine Heimat.
Fast schlimmer als Krieg -
nur mehr Zeit zum Abschied nehmen.

Keine Rinde mit Herzen, kein alter Brunnen - Garzweiler hinterläßt keine Spuren.

Da wird kein Ziegel mehr sein und kein Stein, kein Ortsschild, kein Strauch - nix. Nicht mal der Rest einer häßlichen Plakatwand.
Keine Dorfwiese, keine Kurve, kein Tümpel - nichts, was einst Heimat auch nur erahnen liess...

Garzweiler zerstört mehr als Bomben es können.

Auf dem Friedhof werden allmählich die Toten umgebettet. Nur die Schule scheint noch belebt.

Otzenrath stirbt unaufhaltsam.

Ich habe selten etwas Gruseligeres gesehen und wenn es mir - die ich dort nie gelebt habe - schon schwer gefallen ist...

ich möchte nicht wissen, wie es manch altem Baum geht, der verpflanzt wurde.

Entwurzelt - aus der Heimat.

Mit welchem Geld will RWE das bezahlen?
Ist die Kohle das noch Wert?





Lebe wohl, Otzenrath.
Macht es gut, Menschen aus Otzenrath.
Diese Serie ist für Euch!

Kommentare 6

  • Franz-Josef Wirtz 7. Februar 2005, 22:50

    Für das "perfide" unterstell ich Dir natürlich keine Böswilligkeit. Es ist halt genau der allgemeine Sprachgebrauch der so gemeinhin verwendet wird. Manchmal fällt es einem selbst eben erst später auf. Kann mir sicher genauso passieren.

    Ich finde es gut, mal eine weitere Serie zu sehen. Unter dem Borschemicher Magnolienbaumbild gibt es ja einige weiterführende Links.

    Aber Lesen und Bilder schauen ist das Eine. Das Andere ist, sich das Ganze mal live und den tatsächlichen Dimensionen anzuschauen. Und das hast Du ja z.B. gemacht. leider bleiben dabei einem viele Dinge verborgen (siehe auch meinen ersten Kommentar unter "another soul walled in").
    ein Dorf stirbt (1)
    ein Dorf stirbt (1)
    Manfred Geyer

  • Kerstin Ehmke-Putsch 7. Februar 2005, 22:25

    Dann war meine Ausdrucksweise vielleicht etwas unglücklich gewählt...entschuldige.

    Natürlich meinte ich Deinen letzten Satz nicht so. Ich hatte auch schon an ein sarkastisches "Danke RWE" gedacht. Aber Sarkasmus versteht auch nicht jeder...und ich wollte doch ein wenig Doku und keinen Zoff ;)

    Ich bin noch ganz am Anfang meiner Nachforschungen zu dem Thema und freue mich über Deine lange Anmerkung daher sehr. Danke dafür.

    Das mit den Steinen habe ich vorhin im Netz gefunden, aber auch erste Hinweise, auf harte Kämpfe und viele leere Versprechungen.

    Ja, das ist sch...wie hier mit den Menschen umgegangen wird. Das kann RWE niemals bezahlen. Das kann man mit Geld überhaupt nicht bezahlen.

    Und genau DAS wollte ich eigentlich auch aussagen.

    LG
    Kerstin
  • Franz-Josef Wirtz 7. Februar 2005, 22:16

    Bei den Kirchen in den ganzen Dörfern der rheinischen Bucht ist ja besonders, dass selbst in relativ kleinen Dörfern die früheren Wohlhabenden recht propere Gebäude gestiftet haben. Die (katholische) Kirche von Otzenrath, wie vielleicht auf dem Bild zu ahnen ist, zeichnet sich durch eine frühe Baufrom einer Rundhalle aus, die einem Zirkuszelt nicht unähnlich ist und deren Dach von einer Säule in der Mitte des Raumes getragen wird. Diese Bauweise wurde später durch günstigere Formen abgelöst. Diese Besonderheit geht also auch verloren.

    Dass es für Otzenrath eine neue Kirche geben soll halte ich eher für ein Gerücht, da vor gar nicht so langer Zeit die dortigen Bürger zum Bistumssitz in Aachen gepilgert sind, um eben genau zu erreichen, dass an dem einstigen Versprechen einer eigenen Kirchengemeinde festgehalten wird. Dieses Versprechen blieb aber wie so viele andere auch gebrochen.

    Bei einer Führung durch die Kirchen im Gebiet von Garzweiler II wurde gesagt, dass aufgrund der Schrumpfung der Kirchengemeinde weder Geld noch Willen da wäre, ein Kirchengebäude wiederzuerrichten.

    Dass alle Gräber verpflanzt werden darf wohl auch bezweifelt werden, da einige Gräber ja "einfach so" da sind, ohne dass jemand tatsächlich noch als Nachfahre existiert. Solche alten Gräber machen natürlich genau wie der alte Baumbestand den Charakter eines Friedhofs aus. Wie trist und gesichtslos solche umgesiedelten Friedhöfe aussehen lässt sich ja an einigen Beispielen bereits in der Praxis anschauen.

    Weiterhin war auf einigen Seiten im Netz (bzw. Zeitungen) zu lesen, dass das Bistum ebenfalls nicht bereit wäre, überhaupt einen eigenen Friedhof zu stiften und vielmehr die neuen Grabstätten an einen bestehenden Friedhof angegliedert werden.

    Alles in allem einfach eine lange Kette von falschen Versprechungen und salamitaktgleichem Raub jeglicher Individualität und Erinnerungsmöglichkeit.

    Seelenmord kann man es auch nennen.
    Leben mit dem Braunkohletagebau: another soul walled in
    Leben mit dem Braunkohletagebau: another soul walled in
    Franz-Josef Wirtz


    Perfide ist auch, dass nun in Beschreibungen wie Deiner Wendungen auftauchen wie "Garzweiler (II) zerstört..." Da wird dann noch nebenbei im Hintergrund die Ursache-Wirkung-Folge umgekehrt. Nicht die Aktiengesellschaft RWE zerstört, sondern ein selbst zerstörter Ort zieht andere in den Abgrund...
  • Kerstin Ehmke-Putsch 7. Februar 2005, 21:53

    @Helmut: Das ist interessant...stell ich mir auch ziemlich gruselig vor, wenn da die Kircht rausragt...
  • Kerstin Ehmke-Putsch 7. Februar 2005, 21:52

    Die Gräber werden wohl "verpflanzt", aber die Gebäude nicht...ich habe im Internet gelesen, dass man einige Steine mitnimmt, die dann in das neue Taufbecken der neuen Kirche in Neu-Otzenrath eingearbeitet werden...

    Vieleicht findet sich in der fc jemand, der da mehr zu sagen kann...
  • TomK 7. Februar 2005, 21:50

    gruselig - werden denn die gebäude und grabdenkmäler "verpflanzt" oder fallen auch diese dem abbau zum opfer...