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Amber


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Seele in Fesseln

Seele in Fesseln

Mit traurigen Augen schaut mich ein kleines, kümmerliches Wesen an, das über und über mit Narben bestückt ist. Auch offene, teils blutende Wunden zieren es.
Dieses Wesen ist meine Seele, die ich in Fesseln gelegt habe, damit die sich den anderen nicht offenbart und noch mehr verletzt wird. „Warum darf ich nicht raus? Warum tust du mir selbst weh?“, wimmert sie. „Du stellst zu viele Fragen! Bist zu neugierig!“, keife ich sie an, vielleicht etwas zu heftig, denn nun weint sie. „Ich bin es gewohnt, dass mir fremde Seelenwesen wehtun. Aber das mir meine eigene Herrin weh tut…! Das muss einen Grund haben, ich bin zu gut, als das du schlecht sein könntest!“
„Nun gut“, gebe ich nach, „du hast es so gewollt. Jedes mal, wenn ich gedemütigt wurde, hast du Narben davongetragen. Manche Wunden auf dir werden nie heilen. Keiner sieht diese Narben. So habe ich dich gefesselt um dir nicht wehzutun, wenn ich deine Narben sichtbar mache. Ich musste dich wegsperren, damit du, und letztlich auch ich selbst, überleben kannst.“ „OK, das verstehe ich irgendwie. Aber wann darf ich wieder raus?“, fragte mich meine Seele hoffnungsvoll. „Ich weiß es noch nicht. Vielleicht, wenn wir gefunden haben was wir suchen.“ Meine Seele weinte, als sie das hörte. „Das werden wir nie finden. Einen Menschen der uns lieben könnte.“ „Warum glaubst du das?“, jetzt sah ich meine Seele erschrocken an, da sie aussprach, was ich dachte. „Wer könnte solch ein hässliches Wesen wie mich lieben? So verkümmert und narbig. Ich glaube die Menschen vergessen, das wir Seelen verkümmern, wenn wir keine Liebe bekommen.“ „Nicht jeder weiß, dass die Seele so empfindlich ist. Die wenigsten reden mit ihrer Seele. Sie haben vergessen, wie das geht!“ „Dann habe ich vielleicht Glück, dass ich bei dir gelandet bin!“, meine Seele lächelte leicht. „Wir müssen ein Wesen finden das weiß, wie du dich fühlst. Einen, dessen Seele genauso verkümmert und narbig ist wie du. Verstehst du, eine Verwandte von dir. Der könnte dich verstehen. Und ich könnte seine Seele pflegen und er dich!“ „Das klingt richtig schön. Ich hoffe, du findest irgendwann solche einen Menschen, der meine Fesseln löst und meine Wunden heilt.“, sagte meine Seele, bevor sie sich zum schlafen zusammenkauerte. „Ja, das hoffe ich auch!“, antwortete ich, während ich sie liebevoll zudeckte.

Narben der Seele...
Narben der Seele...
Amber

Kommentare 3

  • Amber 24. April 2008, 19:08

    danke euch
  • Ars moriendi 24. April 2008, 18:10

    Und die Fesseln werden gelöst. Auch wenn es hin und wieder scheint, als würden sie mal wieder zu schnappen.
    Aber sie werden es nicht tun...

    Ein sehr schönes Bild in dem es sehr viele Details zu entdecken gibt.
    Klasse.
    Und die Geschichte...
    ...sie wirkt.
    LG, Sandra
  • wws 23. April 2008, 17:47

    schön gesehen die details des lebens in der welt der dinge - 'wer die kleinen dinge nicht ehrt - ist des grossen bildes nicht wert' - smile
    gruss wolfgang