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Der Chor der  Wiesenkirche in Soest

Der Chor der Wiesenkirche in Soest

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Dietmar Guth


kostenloses Benutzerkonto, Koblenz

Der Chor der Wiesenkirche in Soest

Die evangelische Wiesenkirche oder Kirche St. Maria zur Wiese in Soest gilt als eine formvollendete westfälische Hallenkirche. Von annähernd quadratischem Grundriss geprägt, bietet ihr Inneres dem Betrachter von manchen Standpunkten aus den Eindruck einer reinen Fensterfront, getragen von grazilem Bündelpfeilerwerk. Die hohen Fensterbahnen erreichen im Chor beinahe den Boden. Am Tag wirkt das Gotteshaus leicht und lichtdurchflutet. Drei nahezu gleich hohe, sehr flach gewölbte Schiffe geben dem Raum sein Ebenmaß. Die Baugeschichte erstreckt sich über Jahrhunderte. An Stelle des romanischen Vorgängerbaus wurde 1313 der Grundstein für die heutige Kirche gelegt. Die heute das Außenbild bestimmenden Doppeltürme wurden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet.

Architektur und Baugeschichte
Der Grundriss von Maria zur Wiese ist fast quadratisch, und diese Form ist hier so typisch, dass sie in der Kunstgeschichte das „westfälische Quadrat“ genannt wird.[1] In der Hochgotik hatte das Verhältnis der Breite zur Höhe noch 1:4 und mehr betragen, in der Spätgotik, dem Stil der Wiesenkirche, glichen sich die Verhältnisse aus. Die im 14. Jahrhundert in Deutschland, Spanien, England und Südwesteuropa entstandenen Hallen- und Saalkirchen kamen einem neuen, vorreformatorischen Zug zur Predigerkirche entgegen. Der Innenraum einer großen Kirche sollte in allen Teilen von einer einzigen Person, dem Prediger, beherrscht werden können. Die Wirkung der Predigt sollte nicht durch irgendwelche Raumtrennungen, wie beispielsweise separate Seitenschiffe, beeinträchtigt werden.
Gleichzeitig spiegelte diese Entwicklung der Spätgotik zur Halle und zum quadratischen Grundriss eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung wider: Mittlerweile war das Bürgertum sehr erstarkt. Der Bürger hat den Priester als Kulturträger abgelöst.[2] Dementsprechend sahen die Kirchen dieser Zeit nicht mehr so mystisch aus wie zuzeiten der Hochgotik im 13. Jahrhundert. Die Renaissance, das Zeitalter des Humanismus, kündigte sich an, mit dem das Mittelalter zu Ende ging.
Der romanische Vorgängerbau der Kirche stand der Überlieferung nach noch in einem sumpfigen Gebiet, welches dann entwässert wurde. Noch heute sind unter der Kirche verschiedene Bachläufe zu finden. Das neue Kirchengebäude, 1313 begonnen, stand nun also auf einer Wiese: St. Maria in Pratis – St. Maria zur Wiese.
Das Bauwerk wurde seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts im Stil der Gotik aus dem südlich von Soest abgebauten Grünsandstein errichtet. Unter der Leitung von drei Baumeistern dauerte die Bauphase bis ins 15. Jahrhundert an. Am Westwerk wurde sogar noch bis 1530 gearbeitet. Die Türme der Wiesenkirche, in der Form, wie sie heute mit ihren durchbrochenen Helmen die Soester Stadtsilhouette mitformen, sind im späten 19. Jahrhundert errichtet worden, nachdem das preußische Königshaus die dafür notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt hatte. Der Entwurf stammte von August Soller.
Seit 1987 wird an der Wiesenkirche wieder gebaut: die bei vorherigen Arbeiten, insbesondere im 19. Jahrhundert, verwendeten Steine verwittern und müssen deshalb ausgetauscht werden. Dabei verwenden die Steinmetzen der Dombauhütte Oberkirchener Sandstein, der wesentlich wetterfester ist, leider aber nicht den typischen grünlichen Farbton aufweist.
Die Kirche wurde – wie aus dem Namen abzuleiten ist – erbaut, um darin ein Marienbild aufzubewahren, welches aus dem 12. Jahrhundert stammt und über viele Jahrhunderte Pilger aus nah und fern anzog. Dieses Marienbild wurde in der Reformationszeit, in der die Kirche evangelisch wurde, entfernt und laut einer Legende auf dem Dachboden der Kirche aufbewahrt. 1661 wurde es als Sühnegabe für einen Waldfrevel an die Nachbarstadt Werl übergeben, wo noch heute jährlich mehr als 200.000 Menschen zur Muttergottes von Werl pilgern.
Bedeutende Kunstwerke im Inneren der Kirche

Der Chor
Im Chor stehen zwischen den Glasfenstern (um 1320 bis 1340) heute noch elf überlebensgroße Statuen; sie bilden die bedeutendste noch an Ort und Stelle befindliche Folge von westfälischen Monumentalfiguren des 14. Jahrhunderts. Christus und Maria in der Mitte werden seitlich von ehemals zwölf Aposteln sowie Johannes dem Täufer begleitet. Die Anordnung folgt damit der Figurenfolge im Kölner Domchor. Eine in Soest tätige Bildhauerwerkstatt fertigte vermutlich ab etwa 1350 diese Figuren. Mehrere Bildhauerhände sind unterscheidbar. Von eigener Qualität sind die Statuen von Christus, Petrus und Bartholomäus, gekennzeichnet durch flache, umrisshafte Gestaltung und kalligraphische Gewandsäume. Bei einer Restaurierung wurden die Figuren 1973 in der richtigen Reihenfolge wieder aufgestellt. Das Skulpturenprogramm der Apostel steht in antithetischem Kontext zu den alttestamentlichen Gestalten der Glasfenster. Marienleben und Heilsgeschichte finden mit den Darstellungen von Marienkrönung und Jüngstem Gericht in der oberen Fensterzone und im Schlussstein ihren Abschluss.
Südportal und „Westfälische Madonna“


Marienfigur am Südportal
Das Südportal stammt aus dem ausgehenden 14. Jahrhundert. Die Figuren – ebenfalls aus der Zeit um 1400 – sind Repliken; die Originale stehen im Inneren der Kirche. In der Mitte steht die zumindest für Westfalen legendäre Plastik der sogenannten Westfälischen Madonna. (Tatsächlich ist sie möglicherweise rheinischen Ursprungs – stilistische Ähnlichkeiten zur Bildhauerei der Kölner Kathedralschule sind nicht zu übersehen.)
Die Maria ist eine sehr anmutige Gestalt, eine dynamisch wunderbar ausgewogene Erscheinung. Die hoheitsvolle Distanz der Hochgotik ist hier aufgegeben worden zugunsten einer dekorativen Schönheit auch in der Schilderung von Gewanddetails, die wohl ohne den Einfluss der „Schönen Madonnen“ aus der Parlerschule nicht zu denken ist. Die Parler waren eine Baumeister- und Bildhauerfamilie des 14. Jahrhunderts, die in Köln und in Süddeutschland eine Rolle spielte. Sie beeinflussten wesentlich die gesamte Kunstgeschichte Deutschlands, in der Plastik vor allem durch einen neuen Stil in der Madonnendarstellung, der durch eine dekorativ-schöne und anmutig dynamisch-bewegte Gestaltung geprägt ist – hier also offenbar eine westfälische Variante.
Aldegrever-Altar
In der südlichen Apsis des Chores steht das kunsthistorische Hauptwerk der Wiesenkirche, der Aldegrever-Altar von 1526. Es ist eigentlich ein Marienaltar von Heinrich Aldegrever, einem Meister, der als Kupferstecher zur Zeit Holbeins und Dürers Ruhm erwarb, dessen Wirken als Maler aber bestritten ist. Aldegrever gilt als der begabteste Künstler Westfalens im Umbruch zwischen Mittelalter und Neuzeit. In diesem geschnitzten Schrein steht in der Mitte die Madonna im Strahlenkranz zwischen den Heiligen Antonius und Agathe. Mit diesen Figuren hat Aldegrever nichts zu tun. Aber die Seitenflügel stammen von ihm. Besonders auf der rechten Tafel beweisen die gemalten Balustradenständer, dass Aldegrever hier bereits 1526/27 typische Renaissance-Formen in seiner Malerei gebraucht hat.

Weitere Altäre und Fenster:
Fenster mit dem „westfälischen Abendmahl“
der Annen- oder Sippenaltar von 1473 gab dem Meister von 1473 seinen Notnamen.
Fenster über dem Nordportal: „Westfälisches Abendmahl“ (unbekannter Künstler, 1500)
Fenster im Chor aus dem 16. Jahrhundert – hier auch die älteste Darstellung des Soester Stadtwappens
Kirchenfenster von Hans Gottfried von Stockhausen

aus: Wikipedia

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