Zurück zur Liste
Madagascar Insights (75)

Madagascar Insights (75)

32.414 18

Madagascar Insights (75)

Hiragasy-Veranstaltung in Antsirabé im Hochland Madagaskars, ca. 160 km südlich der Hauptstadt Antananarivo.

Hiragasy (übersetzt: madagassisches Lied) ist eine gesellschaftliche Kunst und Tradition in Madagaskar, insbesondere bei der ethnischen Gruppe der Merina in den Hochlandregionen. Diese Kunst wird meist in einem ganztägigen Spektakel aus Musik/Gesang, Tanz und Kabary-Oratorium von einer Gruppe allein oder im Wettbewerb mit mehreren Gruppen, die um die Gunst des Publikums buhlen, dargeboten.

Die Tradition in der heutigen Hiragasy-Form geht auf das späte 18. Jahrhundert zurück, als der Merina-König Andrianampoinimerina erstmals Musiker einsetzte, um eine Menschenmenge für seine politischen Reden (Kabary) anzuziehen. Er hielt ausschweifende Reden zum Volk. Da die große Mehrheit der Madagassen damals Analphabeten waren, mussten diese Reden möglichst alle Neuigkeiten des Königreichs enthalten.

Diese Gruppen wurden unabhängig und begannen, politische Kommentare und Kritik in ihre Aufführungen einzubeziehen. Das Publikum spielt dabei eine aktive Rolle und drückt seine Zufriedenheit über die Qualität der Veranstaltung und die Botschaft, die verkündet wird, durch Applaus, Jubel oder Missbilligung aus.

Nach der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 wurde Hiragasy als Ikone der traditionellen madagassischen Kultur hochgehalten. Aufstrebende Politiker stellen – wie damals der König – routinemäßig Hiragasy-Gruppen ein, um die Menschen in Wahlkampf-Veranstaltungen anzulocken. Während die meisten Hiragasy-Gruppen unpolitisch sind, haben sich einige dafür entschieden, bestimmte Kandidaten mit spektakulärer Wirkung zu unterstützen. Hiragasy wird auch häufig zu Festen, Feierlichkeiten oder Zeremonien geboten.

Die Aufführung der Hiragasy folgt einer Reihe von Konventionen, so dass es gewisse Ähnlichkeiten zwischen den über 80 Gruppen gibt, die derzeit in Madagaskar auftreten. Dazu gehört die Reihenfolge, in der Lieder, Tänze und Reden aufgeführt werden, welche Kostüme getragen und welche Instrumente verwendet werden. Traditionelle Instrumente sind aufgrund der Ursprünge der Aufführung am königlichen Hof, wo europäische Einflüsse herrschten, nicht üblich. Stattdessen sind die gebräuchlichsten Instrumente Violinen, Trompeten sowie kleine und große Trommeln; Sodina (Bambusflöte), Akkordeon, Kabosy (kastenförmige Holzgitarre) oder Klarinette können gelegentlich auftreten.

Die Qualität einer Hiragasy-Darbietung und die Gunst des Publikums steht oder fällt mit der Güte der Sprecher, wie sehr diese die Kunst der Rede beherrschen. Wer sich besonders hervortut und hohes rhetorisches Geschick beweist, kann ein „Meister der Kabary“ werden. Ein solcher darf sein Publikum nicht langweilen, sondern muss es sprachgewandt in seinen Bann ziehen. Die „Meister der Kabary“ genießen ein hohes Ansehen in der Gesellschaft und werden als Autorität geachtet.

In einer Kabary wird darauf geachtet, zentrale Kritik- oder Diskussionspunkte nicht direkt zu benennen, sondern stets mit vielen Worten und sehr höflich umschreibend dafür zu sorgen, dass die Zuhörer selbst ihre Schlüsse ziehen können. Es geht dabei vor allem um eine sehr sorgfältige, wohl überlegte Wortwahl. Der Gebrauch unverblümter Kritik, Hassrede oder bloßstellender Worte geziemt sich in einer Kabary nicht. Stattdessen schmückt eine Kabary Erzählungen aus und macht diese mit vielen Metaphern, Humor und madagassischen Sprichwörtern lebendig.
[Zusammenschnitt aus Wikipedia und MADA MAGAZINE]

Foto aus Juli 2014.

Kommentare 18