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Le-Corbusier-Haus - Unité d'Habitation, Typ Berlin

Le-Corbusier-Haus - Unité d'Habitation, Typ Berlin

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Dieter K


Premium (Pro), Krefeld

Le-Corbusier-Haus - Unité d'Habitation, Typ Berlin

Dieses Foto habe ich aus rein dukumentarischen Gründen hochgeladen!
Hier das Gegenstück aus Marseille.

Marseille, Cité Radieuse Le Corbusier, 5ieme étage I
Marseille, Cité Radieuse Le Corbusier, 5ieme étage I
Dieter K

Ich kam auf die Baustelle für 1 Mark die Stunde, als Praktikant. Ich kam ins Baubüro und musste auf Plänen irgendwelche Aussparungen eintragen. Ich habe begriffen, ich zeichne die Pläne von Corbusier um. Sie mussten frisiert werden im Rahmen des Berliner Sozialen Wohnungsbauprogramms. Langsam habe ich zu durchschauen gelernt, was nicht alles corbusieisch werden sollte und begriff, dass das eigentlich gar kein Corbusier-Haus werden kann. Am Anfang war ich noch hoffnungsvoll, ähnlich Corbusier, der irgendwann anvisiert wurde ...
Nach diesem Mark-Stunde-Praktikum - ich musste und wollte mein Studium selberfinanzieren, da kam ich ja zu nichts - habe ich mich freiwillig gemeldet in einer Korb-Kolonne. Erst habe ich Fertigteile hergestellt, als Betonbauer. Es war eine Feldfabrik. Alle Wandelemente des Hauses wurden vorfabriziert und dann mit dem Turmkran auf das Fertigobjekt mit den betonierten Decken montiert - das fand ich toll. Nach 14 Tagen war so eine Schicht zu Ende und man suchte jemanden auf der Turmkolonne.
Da war ein Rohbau im Begriff nach oben zu gehen und musste ausgesteift werden - Längsaussteifung nennt man das - mittels eines Aufzugs- und Treppenhausturmes. Der musste immer vorgezogen werden, getrennt. So ein, zwei Monate, und dann wurden die Decken betoniert. Immer drei, vier Etagen, das hieß bei uns 12 Stunden am Tag, eine Woche lang, 12 Stunden nachts, eine Woche lang, im Akkord. Viel Geld hab ich da verdient, 13, 14-hundert Mark, das war 1957 ein Vermögen. Von dem habe ich lange gezehrt, weil ich alles gespart habe.
In einer Schicht arbeiteten 200 Arbeiter tags, 200 nachts. 400 Handwerker haben das Haus in anderthalb Jahren fertig gestellt. Für Marseille hatte Corbusier, weil alles örtlich und von Hand gemacht werden musste, 4 Jahre gebraucht. Keiner glaubte, dass das noch ein Interbau-Objekt werden könnte, denn die Interbau lief 1957.
Einmal kam Le Corbusier auf den Bau. 200 Handwerker gingen an die Rüstung, auf die so genannte Westseite, da war die Anfahrt. Es kam ein schwarzer Mercedes mit Schwedler, dem Senator, und Senatsbaudirektor Stefan, der schon bei Speer gearbeitet hatte. Vorne stieg Le Corbusier aus, mit Borsalino und Fliege, gestreiftem Anzug und schwarzer Hornbrille, für die er bekannt war. Er ging auf das Haus zu. Da standen 200 Leute.
Er nahm den Borsalino und grüßte die Männer vom Bau. Die Zimmerleute und die Betonbauer mit ihren Hämmern, die Eisenflechter mit ihren Eisenzangen - alle schlugen auf die Rüstung. Das war so emotional auch für mich - ich habe mir heimlich geschworen, so willst du werden, Junge, das ist unglaublich. Und dann ist er ganz alleine auf die erste Stütze zugegangen, hat sie allseitig betrachtet, hat sie abgenommen und hat immer L.C. mit Datum dahinter geschrieben.
Der Senatsbaudirektor Hans Stefan wohnte später im Haus, so wie ich. Einmal hat er von der Suche nach dem Bauplatz erzählt, davon, wie sie mit Corbusier unterwegs gewesen waren. Man kommt die Olympische Straße herunter. Corbusier sieht das Olympiastadion und sagt, er möchte es sehen. Sie fuhren rauf und einmal mit dem Wagen um das Stadion herum. Er stieg aus, sah das Maifeld und sagte: Hier will ich bauen. C'est une architekture très forte!
Das muss man sich 1957 mal vorstellen! Der Volksmund unterstellte dem Olympiastadion Faschismus und Corbusier sagt, das ist großartige Architektur, sehr stark und hier passe ich als Element eines Ensembles von Großformen rein, wunderbar! Er wollte den Architekt kennen lernen und hat ihn im Nachhinein rehabilitiert, den Werner March.
Corbusier wollte nur große Wohnungen, aber da hatten die Bauherren Angst. Kleine, mittlere und große Wohnungen seien wirtschaftlicher zu bauen. Das war natürlich eine Verwässerung seiner Ideen. Die Wohnung sollte durchgängig sein, quer Luft haben, von morgens bis abends Sonne etc.
Zu seinem Konzept gehörte auch seine Dachlandschaft. Das für mich Wichtigste: mit Kindergarten, eventuell Turnhalle und Swimmingpool. Auch die fielen ins Wasser. Die Läden wollte er in der Mitte haben. Darüber kann man streiten. Der kürzeste Weg von oben bis unten ist die Mitte.
Am wichtigsten war ihm der Ort. Das Heilsberger Dreieck liegt so bei 50 Metern, Berlin liegt bei 37. Wenn man auf das Haus zukommt, nicht auf die Eingangshalle zuläuft, sondern daneben, sieht man über die Stadt. Damals gab es kaum Bäume, es war noch sehr karg und das faszinierte ihn. Man kommt auf das Haus zu und steht über den Dächern von Berlin und sieht die Stadtlandschaft im Osten und im Westen die Natur. Das woIte er nicht entwürdigen, nicht verbauen durch einen lapidaren Einzelhandel.
Die ,Brise soleii', die heute noch in der Fassade sind, waren für eigentlich für die Läden gedacht. Jetzt sind dahinter Zimmer. Die große Kraftzentrale sollte unterirdisch sein. Das wäre gar kein Problem gewesen, und dann wäre der Eingang richtig zelebriert worden.
Der Modulor: ein Maßsystem, basierend auf der menschliche Gestalt von 1 m 82, 6 Fuß groß, in der Mathematik des goldenen Schnittes. Der Einstein hat sehr klug gesagt: eine Proportionsskala, mit der man SchIechtes verhindert und Gutes erleichtert. Auch der Modulor wurde nicht akzeptiert. Das hätte 2 m 26 in den Schlafräumen bedeutet, aber den Wohnraum wollte er 2 mal 2,26, also 4 m 56 hoch, plus Deckenstärke, sagen wir mal 4,75.
Ein Riesen-Fenster zur Loggia, ein Fenster, bei dem die unteren Teile durch Schiebeelemente aufgeschoben werden konnten, sodass die Loggia zum Wohnen mit einbezogen würde, ging auch nicht.

Jürgen Sawade, Prof. Architekt, im Haus von 1958 bis 1968

Kommentare 3

  • Gegenlichtfreundin 7. März 2017, 21:22

    Vielen Dank für diesen interessanten Einblick! Die matten Spiegelungen auf dem Boden gefallen mir besonders. Ein klein wenig hätte ich vielleicht noch ausgerichtet.
    Die Geschichte zum Bild ist sehr interessant geschrieben. Erzählungen von Betroffenen bzw. Beteiligten wirken so wie hier oft ein wenig nach.
    LG Marion
  • Chaito Bahamonde 6. März 2017, 15:48

    desolador pasillo. saludos.
  • Brigitte H... 6. März 2017, 10:35

    Ja,jetzt geht es , danke..Auch gut, jedoch hat das" Cité Radieuse Le Corbusier ", Marseille ,für mich mehr Charme..Allein schon durch die Farben. Ärgere mich nun ein wenig dass ich ausschließlich der Dachterasse meine Aufmerksamkeit geschenkt habe..
    Gut gemacht , Schnitt und Farben Top..

    Danke auch für den Text dazu..
    liebe Grüße ..
    Brigitte

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