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Roststab


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Feierabend

Langsam rollt Lok 38 2267 von der Drehscheibe auf die Grube. Mir kommt es vor als sei die Lok müde, immerhin hat sie bereit über 15 Stunden brav ihren Dienst verrichtet. Auch wir auf dem Führerstand sind froh, wenn wir sie abgerüstet haben und uns das Feierabendbier gönnen können. Wie bei uns üblich spendiert der Lokführer seinem Heizer das Bier. Aber so weit sind wir noch nicht.

Am Wasserkran wird angehalten und der ziemlich leere Tender bis zum Stehkragen aufgefüllt. Für mich kommt jetzt der unangenehmste Teil der Schicht. Lösche ziehen ist nicht der Liebling unter den Arbeiten bei der Dampflok, aber was sein muß...

Das ist gewissermaßen die Strafe, wenn man zuviel geschrotet hat. Deshalb ist diese Arbeit bei uns auch für die Lokführer vorgesehen. Während ich die Rauchkammertür wieder verschließe höre ich wie Reinhard, mein Heizer, das Schürwerkzeug aus dem Tenderzieht um damit das „Feuer zu putzen“. Zuerst zieht er die Glut von der Rohrwand zurück, um dann mit dem Einzahn die Rostspalten vor der Rohrwand zu reinigen. Die gebunkerte Kohle ist sehr gut, so gut wie keine Schlacke in den Spalten. Das liebe ich. Stück für Stück wird der Rost gereinigt und auf dem schlackefreien Teil mit alter Glut und frischen Kohlen ein Ringfeuer angelegt.

Während Reinhard noch auf dem Rost kratzt, mache ich meine Runde um die Lok und schaue nach Auffälligkeiten, gleichzeitig ziehe ich die Schmierdochte aus den Tüllen und kurbele Öl in die Steuerung von Luft- und Speisepumpe. Beim Feuer putzen hat mein Heizer immer wieder mal den Injektor betätigt und dabei den Aschkasten und auch die Kohlen genässt Jetzt kommt seine unangenehmste Arbeit. Damit er es nicht allzu schwer hat, fahre ich die Lok zu einer freien Stelle über die Grube. Hier kann er im Stehen den Aschkasten entleeren. Derweil räume ich den Führerstand auf. Das Werkzeug verstaue ich in den dafür vorgesehenen Behältern und verschließe mit einem staubdichten Deckel das Funkgerät. Jetzt kommt der Mann mit dem Schaufellader und bringt tonnenweise frische Kohle. Reinhard, er ist total verschwitzt und sieht recht staubig aus, reicht mir das Schürwerkzeug, mit dem er die Asche rausgeholt hat, unter der Lok hervor und ich setze die Lok auf den Untersuchungsstand der Grube.

Der letzte Teil der Arbeit folgt. Ein kurzer Blick aus der Grube unter die Lok überzeugt mich, daß auch hier alles in Ordnung ist. Mittlerweile ist es 22 Uhr geworden. Reinhard hat das Ruhefeuer mit der gut durchnässten Kohle angelegt und auch schon den Führerstand gefegt. Gemeinsam prüfen wir die Funktion der Wasserstandsschaugläser, das ist für alle Lokpersonale die Lebensversicherung! Als letzte Tätigkeit auf dem Führerstand schließe ich noch das Reglerschloß ab, schnappe mir die Übergabepapiere und es geht deutlich in Richtung Feierabendbier...

In stillem Gedenken an einen lieben Freund

Kommentare 12

  • ToKrei 7. Dezember 2021, 11:41

    Sie wird immer wieder als " Hässliches Entlein " bezeichnet,
    also ich kann jedem nur empfehlen selbst in einen Spiegel zu schauen,
    vielleicht ändert sich dann diese Ansicht!

    VG Torsten
    • Vir Tuell 8. Dezember 2021, 10:17

      Vielen Dank für deinen Kommentar zu einem Foto, daß ich unter diesem Account eingestellt hatte. Das "häßliche Entlein" unter den Garbeschen Lokomotiven ist aber diese Lok
      Mei Görl...
      Mei Görl...
      Vir Tuell
      Sie ist dermaßen verbaut, daß alle Treibachsen bis zu einer halben Tonne in der Reibungslast variieren. Und wenn du Heizerdienst hattest, bist du mit einem krummen und schmerzendem Rücken nach Hause gefahren. Aber im Berliner S-Bahnverkehrwar sie bis zur Elektrifizierung das Standbein.
  • Hans-Peter Bigler 24. März 2020, 17:27

    Eindrücklich:
    Das Bild...
    Die Lock...
    Der Text...
    gefällt mir,LG Hans-Peter
  • Heinz Hülsmann 12. April 2019, 13:45

    Ein stimmungsvolles Foto von ,,Deiner Lok''. Ich warte sehnsüchtig auf die Rückkehr der Lok!

    VG Heinz
  • Andreas Pe 22. März 2019, 8:20

    Ein schönes Bild mit noch besserer Schilderung der vielen Arbeiten, die die Fans an der Strecke nur selten sehen.
    VG Andreas
  • Peter 74 21. März 2019, 12:03

    klasse Foto der alten P 8, ich kenne die BR 38 noch mit Wannentender der BR 52, sie fuhr
    in der DB-Direktion Hamburg,
    LG Peter
    • Roststab 21. März 2019, 15:28

      Peter, der Wannentender ist eine Nachkriegserrungenschaft einiger P8-Maschinen, eben so die Witte-Windleitbleche. Da die alten Kastentender mit den wunderschönen Diamond-Drehgestellen marode waren, hatte man viele P8 Loks mit den noch recht guterhaltenen Wannetendern der BR 52, deren Lebensdauer ja nur für die Kriegjahre berechnet waren, ausgestattet. So pi mal Daumen erhielten 10 Loks in Hamburg in diesem Zusammenhang ein komplett geschlossenes Führerhaus und eine Wendezugsteuerung. Der Heizer wurde reglerberechtigt und mußte gleichzeitig den Kessel bedienen als auch den Regler öffnen und schliessen. Alles erfolgte auf Kommando des im Steuerwagen sitzenden Lokführers, der über eine Art Maschientelegraf (Hagenuk-Gerät) mit dem Heizer kommunizierte. .
  • Haidhauser 21. März 2019, 11:36

    Interessante Story!! Von all dem bekommt der Fahrgast bzw. der Fotofan gar nichts mit...
    LG Bernhard
    • Roststab 21. März 2019, 15:34

      Die beschriebenen Arbeiten finden auch immer weitab vom Bahnsteig statt. Da nimmt es nicht Wunder, daß der Fahrgast diese Tätigkeiten nicht miterlebt. Es sei denn, er verirrt sich mal nach Beendigung einer Fahrt in ein Bw.

      Nach einer Plandampftour kamen holländische und englische Fahrgäste extra für solche Fotoaufnahmen noch ins Bw Gerolstein und bedankten sich bei den Lokpersonalen für die Touren. Klar daß man sie ausgiebig fotografieren ließ.

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Exif

Kamera DMC-LZ5
Objektiv ---
Blende 2.8
Belichtungszeit 15
Brennweite 6.1 mm
ISO 80

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