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Aufschrei eines Baumes

Aufschrei eines Baumes

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Naturella


Premium (Pro), Im GLÜCK

Aufschrei eines Baumes

Ich beobachte immer wieder Baumfällungen in großem Maße - selbst Weihnachtsbäume werden zu Hauf unnötig gefällt, um nur weg geschmissen zu werden. Ich wünsche mir einen bewussteren Umgang mit der Natur - der auch Generationen nach uns zugute kommt.
Ich fand ein Gedicht, das mich sehr berührt hat.

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Der verwundete Baum

Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten,
Die Frevler – hast du viel dabei gelitten?
Ich selber habe sorglich dich verbunden
Und traue: Junger Baum, du wirst gesunden!
Auch ich erlitt zu schier derselben Stunde
Von schärferm Messer eine tiefre Wunde.
Zu untersuchen komm ich deine täglich,
Und meine fühl ich brennen unerträglich.
Du saugest gierig ein die Kraft der Erde,
Mir ist, als ob auch ich durchrieselt werde!
Der frische Saft quillt aus zerschnittner Rinde
Heilsam. Mir ist, als ob auch ichs empfinde!
Indem ich deine sich erfrischen fühle,
Ist mir, als ob sich meine Wunde kühle!
Natur beginnt zu wirken und zu weben,
Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben!
Wie viele, so verwundet, welkten, starben!
Wir beide prahlen noch mit unsern Narben!

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)
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