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März-Winter (für Neydhart von Gmunden)

März-Winter (für Neydhart von Gmunden)

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März-Winter (für Neydhart von Gmunden)

Ginger White: Diesseits der Giehnossrah

Von hier zog ich gestern mittag grad weiter flussaufwärts,
wobei es bis zur Quelle nur noch zwei Tagesmärsche sind.
Die Ausbeute meiner Bieber-Fallen steigt hier mit jedem
Kilometer, den ich mich der Quelle nähere. Auf dem Rücken
schon drei frisch-abgezogene Felle zog ich nach diesem
Foto schon wie im Halbschlaf weiter. Und die Canon
funktionierte auch bei minus 25 Grad.

Schon bald fand ich wieder abgestorbene Bäume, denn nur
von ihnen säge ich das Totholz für die Nacht. Fast schon überladen
schlich ich weiter. Immer wieder scheuchte ich im letzten Moment
Schneehasen auf. Schließlich, als die Sonne am erhabenen
Horizont der Tundra nur noch halb zu sehen war ,
räumte ich ein paar Quadratmeter Schnee vom
Permafrostboden und legte die Isomatten aus: Dreilagig
1 mal 3 Meter und darüber das Dreiecks-Zelt auf dem Seil,
das ich von einem Baum zu meinem Drei-Bein-Kocher spannte.

Schon bald knasterte das brennende Holz und einer der
Schneehasen hatte dran glauben müssen.

Mein Plan war es, durchaus auch Brennholz zu flößen.
Damit hatte ich durchaus gute Erfahrungen, und ich
hatte als kleiner Junge immer Flößer werden wollen:
Ich warf die Stamm- und Astabschnitte in die
Giehnossrah und überließ sie dem trägen
Fließen des Wassers, weiter flussaufwärts
ziehend. Später auf dem Rückweg löste ich
diejenigen Hölzer, die sich festgesetzt hatten
oder stauten, meist überholten sie mich dann,
weil ich am Ufer viele meiner Schlag-Fallen zu
kontrollieren hatte. Diese Schlagfallen töteten
sofort und schmerzlos, ein Trapper aus Kanterra
im äußersten Norden Kanadas hatte sie entwickelt
und irgendwann waren sie auch in Nord-Asien
aufgetaucht und inzwischen bis zu uns herübergewandert.

Am schlimmsten waren die Diskussionen mit den
Tierfell-Gegnern, die oft nackt im Stadtkern von
Timmessah demonstriert hatten. Ich hatte mich
schlussendlich ihren Argumenten nicht mehr
erwehren können und stellte mich dem Problem
- inzwischen hatte ich meine Ausbildung als
Ranger fast beendet und wollte den Rest meines
Lebens nur noch der Arten-Erhaltung dienen
- mein Revier war riesig und schrittweise sollte
die Fallen-Jagd auf Bieber langsam vermindert
werden und schließlich ganz ausgeschlichen sein.
Sozial-Programme waren schon installiert,
um den Jägern eine neue berufliche Perspektive
anzubieten. Ich also vorneweg.

Doch heute abend galt dies kaum. Ich musste hier
überleben. Das Feuer war die Nacht über gesichert,
die Ernährung auch und als Nacht-Getränk hatte
es sich bewährt, einen Teelöffel Pfefferminztee
auf einen Liter Schnee aufzuhochen und nach
dem schnellen Abkühlen vorm Zelt ein Lot
vergorene Stutenmilch unterzuziehen.

Ab 24 Uhr war es bullig warm im Zelt, ich schrieb
mit nacktem Oberkörper das Tage- und Logbuch
und versuchte, über den Grundig-Yachtboy
"Radio Australia" über Kurz-Welle reinzukriegen,
was mir ab 1:30 Uhr gut gelang,
sie spielten eine Stunde lang Beach-Boys,
während der ich einschlief.

Außerordentlich spät wurde ich im Dunkel der
8. Stunde geweckt, zunächst wusste ich nicht
wo ich war und wie spät es ist. Zwei Schneehasen
rammelten in der Nähe meine Kopfes.

Nun war es Zeit für den Schwarzen
Tee mit Honig und Hafermilch.

Kommentare 25

  • Vitória Castelo Santos 11. November 2010, 23:24

    EXCELENT ***** gefällt mir sehr gut ***
    LG Vitoria
  • Helga Und Manfred Wolters 9. März 2010, 11:50

    grüss dich werner!

    wer schon einmal "holz gemacht hat" und wer sich zeit nimmt, die lesenswerte geschichte, die deine impression begleitet zu lesen, für den wird "holz machen" lebendig.

    mir erging es so: beim lesen und schauen.

    glg von uns,
    manfred
  • Günther Ciupka 8. März 2010, 21:48

    der schauberger, der wußte wie man holz ins tal bringt .
    grüße, günther
  • B.K-K 8. März 2010, 20:04

    hmm - ein etwas seltsamer "Wecker" - gg - aber wenn's klappte, so daß Du zu Deinem Tee kamst ... warum nicht? ... *smile

    LG Brigitte
  • Willi Thiel 8. März 2010, 20:03

    was man nicht alles aus ein paar stücke holz für eine story basteln kann
    ist ja schon irre
    wie hier schon geschrieben wurde
    das foto allein ist okay nicht besonders
    aber im verbund mit der geschichte echt ne lesestunde wert..
    mir hats gefallen...
    mhg willi
  • Lady Bathory 8. März 2010, 19:01

    Ach, da ist mein Holz ;-))
  • Ilse Rehn 8. März 2010, 14:02

    herrlich deine Geschichte zu diesem Bild, deine Fantasie artet ja in Kunst aus, wann ist das Buch fertig und geht dein Werk in Druck??
    glg.Ilse
  • Sies Alleinimwald 8. März 2010, 7:33

    spannend die Story, da lebt ein Bild+
  • E. W. R. 7. März 2010, 19:49

    Lieber Werner, klar ist jedenfalls, dass ich Dich auf dieser Tour nicht begleiten würde, denn im Gegensatz zu der Canon bin ich relativ kälteempfindlich. Wie die Batterien ;-). Eckhard
  • Eva-Maria Nehring 7. März 2010, 19:28

    Elsbeth sagt es.
    Deine Geschichten geben den Aufnahmen Leben.
    LG Eva
  • Clara Hase 7. März 2010, 19:10

    ich werde jetzt ganz tüddelig -
    hat nun werner oder neydhart geschrieben?
    mei o mei
  • Inge Striedinger 7. März 2010, 18:50

    Trotz Überlebenskampf in der Kälte ist mir beim Lesen durch die positiven Aspekte angenehm warm geworden!
    Dazu fällt mir die Geschichte von einem jungen arbeitslosen Mann ein, der seine Wohnung mit Kohlen auf dem Griller geheizt hat und an Kohlendioxyd-Vergiftung gestorben ist. Er lag 1 Monat tot in der Wohnung bis jemand nachsehen kam ...
    LG Inge

  • Wolfgang Weninger 7. März 2010, 18:49

    ich hoffe, doch, dass wir das Futter für unsern Ofen nicht noch länger brauchen ... ich musste genau auf diese Art schon als Kind in den Wald ... dabei sollte doch eigentlich Kinderarbeit verboten gewesen sein *g*
    Servus, Wolfgang
  • Christine Matouschek 7. März 2010, 17:46

    Werner, bei Deiner Kombination
    von Bild und Text denke ich auch
    an "Zauberberg" von Thomas Mann.

    Habe Dir dazu bisserl was aus Wiki mitgebracht.

    "Der Schneetraum
    Hauptartikel: Hans Castorps Schneetraum

    Dieses Kapitel, „Schnee“, kann als Höhepunkt der zweiten Hälfte, vielleicht des ganzen Romans, bezeichnet werden, behält aber trotzdem „episodischen“ Charakter:

    Während eines Skiausflugs im Hochgebirge, leichtfertig die Gefahr im „weißen Nichts“ der Schneelandschaft hinnehmend, gerät Hans Castorp in einen lebensbedrohlichen Schneesturm. Er muss ihn im Windschatten eines Heuschobers abwarten und schläft, erschöpft von der ungewohnten Anstrengung, ein. In diesem Schneetraum sieht er zunächst eine „wunderschöne Bucht am Südmeer“, mit „verständig-heiterer, schöner, junger Menschheit“, „Sonnen- und Meereskinder“, die einander „mit Freundlichkeit, Rücksicht, Ehrerbietung“ begegnen. Im Rücken dieser verklärten Szenerie spielt sich freilich höchst Schauerliches ab: Zwei Hexen zerreißen und fressen über flackerndem Feuer ein kleines Kind. Halb erwacht und die beiden Traumbilder vergleichend, erkennt Hans Castorp, dass menschliche Form und Gesittung letztlich die Bewältigung des Grässlichen und Rohen in uns sind. Nun zweifelt er an seinen einseitigen Mentoren Settembrini und Naphta, aber auch an den Gegensatzpaaren „Tod-Leben“, „Krankheit-Gesundheit“, „Geist-Natur“. Der Mensch sei vornehmer als sie, und weil sie nur durch ihn existieren, sei er Herr über die Gegensätze. Aus Sympathie mit dem Menschengeschlecht beschließt Hans Castorp, das Wissen um den Tod zwar nicht zu verdrängen, aber fortan folgenden Leitsatz zu beherzigen, der als einziger im ganzen Roman kursiv gesetzt ist: Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken. Hans Castorp hat diese Maxime schon bald vergessen, nachdem er dem Schneesturm rechtzeitig entkommen ist. Tatsächlich sind es im Wesentlichen Thomas Manns eigene Überlegungen, für ihn selbst und den Leser niedergeschrieben.

    Der harmonische Teil des Traumes um die 'Meeres- und Sonnenkinder' weist große Ähnlichkeit mit den Wandbildern mit Badeszenen auf, die Ernst Ludwig Kirchner im Jahre 1916 im Sanatorium von Dr. Oskar Kohnstamm schuf."

    Gruß Matou
  • Diamantfeder 7. März 2010, 16:56

    Woher du nur all diese Geschichten für deine Bilder nimmst? Man fühlt sich tatsächlich in der Zeit zurück versetzt, wenn man das liest. Nur der Expander dürfte aus neuerer Zeit stammen. *gg
    LG Heidi