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Utopia

Spiegelung in einem zerbeulten, teilweise zerkratzten Stahlblech, 10.07.2008

(Canon 400 D, f/10,0 bei 51 mm, 1/160 s, ISO 400, Teilbereichsmessung - mittenbetont, Bearbeitung: Adobe Photoshop 7.0, selektive Farbkorrektur, Rahmen)
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"Das Professorenkollegium tagt. Das Verbalerotiker-Kollegium tagt. Man redet sich die Köpfe heiß über einen entscheidenden, unverzichtbaren, lebensrettenden Aspekt des atlantischen Daseins: die Farbe der Häuserwände: War es Scheuerlappen- oder Abwaschwassergrau? Welches Abwaschwasser? Das der Interhotels oder das der Betriebskantinen? Volkseigenes oder privates? Hatten die verschmorten Karyatiden an Leningrader Palästen das Grau von Fensterkitt? Faunsohren, steinerne Pflanzen, der von Einschußklumpen blatternarbige Putz (Lymphknoten, Krebsflechten aus dem letzten Krieg) - welcher Grauton war es, den sie in Verfallsjahrzehnten angenommen hatten? Wir dachten an Grisaillemalerei. An Sorgengrau. Grisettengrau. Argusaugengrau. Gefängnisinsassenkleidungsgrau. An Herrenmodengrau, Schneckengrau, Groschengrau, Austerngrau, Baumbast, Wolfsgrau, Bleistiftgrau, Elefantengrau. War es nicht ein Braun? Aschefarbe. Tonig-pulvrig, schal, holzig, von der Zeit, den Abgasen, dem sauren Regen hergestellt; der Putz wirkte flöhig wie das Zwiebackfell der Trampeltiere. Wir gerieten in die Zone der Rechtfertigungen. Was war es, das Große Projekt? Der Nachbau der Wirklichkeit, um sie nach unseren Träumen formen zu können ..." (aus Uwe Tellkamp: "Der Turm", Kapitel 63. Kastalia)

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Morus,+Thomas/Utopia/Der+Utopia+zweites+Buch/%5BVon+der+Insel+Utopia%5D

Kommentare 55

  • Hanne L. 9. Februar 2014, 17:12

    Die verzerrte Welt ...
    Farblich ein Genuss, liebe Kerstin. Deine 'Fotoaugen' sind wirklich überall ...
    Liebe Grüße, Hanne
  • Udo Ludo 2. Februar 2010, 0:08

    Zerrspiegel fordern den gedanklichen Gegenentwurf zu den eingerichteten Welten.
  • Bringfried Seifert 16. Juni 2009, 21:37

    gefällt mir, reizvoll die gegenständlichen Details.
    Gruß, Bringe
  • KGS 14. Juni 2009, 8:47

    @Stefan Obernosterer: Hallo Stefan, ich glaube, ihr seht alle mehr als ich ;-). Klaus fragte auch bereits, ob ich zur Geisterstunde ein Selbstportrait eingestellt hätte ;-)). Ich muss allerdings zugeben, ich hab's noch nicht entdeckt :-(. Na, vielleicht ist das auch besser so ...
    Grüße. Kerstin
  • KGS 14. Juni 2009, 8:42

    @Marlise: Danke! ... Geschichtenerzähler... das klingt schön! :-)
    Grüße. Kerstin
  • ston 14. Juni 2009, 8:38

    mag ich....ein Bild das man angucken kann und so einiges entdecken kann...unter anderem auch dich...so meine ich jedenfalls :-)

    LG Stefan
  • Marlise 13. Juni 2009, 22:58

    Wunderbar durch deine Anmerkung auf Deine Bilder gestossen zu sein,
    sie sind alle
    aussergewöhnlich,
    interessant,
    inspirierend,
    spannend
    und
    Geschichtererzähler...L.gr.
  • E. W. R. 12. Juni 2009, 10:09

    ;-) Ich schwanke auch ;-). Eckhard
  • KGS 12. Juni 2009, 9:59

    Lieber Eckhard, bei dieser vielversprechenden Auswahl fällt die Wahl schwer ;-)). Das wirst Du wohl selbst übernehmen müssen :-). Ich würde mich über jedes der Bilder freuen; die Titel klingen bereits sehr interessant!
    Kerstin
  • E. W. R. 12. Juni 2009, 7:59

    Liebe Kerstin, das ist die Frage. Soll "Das Parfum" zuerst kommen, "Verschollen" oder das genannte Bild? Oder "Aus Italien" Oder "Zöglinge"? ;-) Gut, wenn man sich noch auf ein Bild freuen kann ... also, es könnte auch Ende nächster Woche kommen, wo wir schon einmal dabei sind, dieses Thema zu besprechen. Eckhard
  • KGS 12. Juni 2009, 7:23

    Lieber Eckhard, ich habe den Artikel von Sloterdijk gelesen. Er ist interessant; ich finde ihn jedoch auch durchaus streitbar.
    Bin gespannt auf dein Bild „Die dunkle Seite der Macht oder: Les Fleurs du Mal“. Wann stellst Du es denn ein?
    Kerstin
  • E. W. R. 11. Juni 2009, 23:04

    Liebe Kerstin, danke für die ausführliche Erwiderung! Wir werden vielleicht Gelegenheit haben, die diesbezügliche Diskussion unter dem Bild „Die dunkle Seite der Macht oder: Les Fleurs du Mal“ fortzusetzen. Hinweisen möchte in diesem Zusammenhang noch auf den Artikel des Rektors der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, der dort Philosophie und Ästhetik lehrt (Peter Sloterdijk: Die Revolution der gebenden Hand, FAZ 10. 6. 2009, 29/31), in dem er den Marxismus mit wenigen brillanten Überlegungen als Denkfehler entlarvt. Eckhard
  • Arnd U. B. 11. Juni 2009, 21:31

    Die Aliens sind doch unter uns. LG Arnd
  • KGS 11. Juni 2009, 19:46

    @Carsten: Lieber Carsten, was das 'Kunstwerk' betrifft: Danke! Das freut mich natürlich. Ich sehe das ja immer etwas zurückhaltend; für mich war es einfach eine schöne Spielerei. Gerade das Fokussieren auf die verschiedenen Ebenen hat die unterschiedlichsten Ergebnisse hervorgebracht; scharf gestellt auf die Kratzer ergab es ein völlig anderes Bild.

    Die Grundidee des Kommunismus beinhaltet sicherlich einige überdenkenswerte und im Ansatz wohl auch auf das Wohl aller Menschen ausgerichtete Aspekte. Friedrich Engels formulierte sie, auf diese neue Gesellschaftsordnung bezogen, so: "Sie wird vor allen Dingen den Betrieb der Industrie und aller Produktionszweige überhaupt aus den Händen der einzelnen, einander Konkurrenz machenden Individuen nehmen und dafür alle diese Produktionszweige durch die ganze Gesellschaft, d.h. für gemeinschaftliche Rechnung, nach gemeinschaftlichem Plan und unter Beteiligung aller Mitglieder der Gesellschaft, betreiben lassen müssen. Sie wird also die Konkurrenz aufheben und die Assoziation an ihre Stelle setzen. Da nun der Betrieb der Industrie durch einzelne das Privateigentum zur notwendigen Folge hatte und die Konkurrenz weiter nichts ist als die Art und Weise des Betriebs der Industrie durch einzelne Privateigentümer, so ist das Privateigentum vom einzelnen Betrieb der Industrie und der Konkurrenz nicht zu trennen. Das Privateigentum wird also ebenfalls abgeschafft werden müssen, und an seine Stelle wird die gemeinsame Benutzung aller Produktionsinstrumente und die Verteilung aller Produkte nach gemeinsamer Übereinkunft oder die sogenannte Gütergemeinschaft treten. Die Abschaffung des Privateigentums ist sogar die kürzeste und bezeichnendste Zusammenfassung der aus der Entwicklung der Industrie notwendig hervorgehenden Umgestaltung der gesamten Gesellschaftsordnung und wird daher mit Recht von den Kommunisten als Hauptforderung hervorgehoben." (Quelle: "Grundsätze des Kommunismus". Marx-Engels Werke, Band 4, Seite 361-380; Dietz Verlag Berlin, 1974)
    Was aus der Utopie in den Händen der Machthaber werden kann, zeigt u.a. dieses Video (aber das ist ja letztlich bekannt): http://www.guba.com/watch/3000113502
    Ich bin ja der Meinung, dass der Mensch nicht so beschaffen ist, dass er wirklich in einem solchen System leben könnte und es in seiner Individualität vor allem immer bewusst und mit voller Überzeugung mittragen würde. Und Du drückst es ja auch ähnlich aus.

    Nun ja, was den Übermenschen betrifft, den ja u.a. auch Nietzsche beschrieben hat, möchte ich ihn mir in einer und im Hinblick auf die Folgen für eine Gesellschaft eigentlich nicht unbedingt als real existent vorstellen.

    Gruß. Kerstin
  • Carsten Mundt 11. Juni 2009, 10:19

    Liebe Kerstin,

    ich hatte einige Zeit überlegt, was ich denn sinnvolles zu diesem Kunstwerk beitragen könnte. Abgesehen davon, dass es ein sehr ausdrucksstarkes, die Phantasie anregendes Werk ist.

    Unter



    hattest Du zu einem Artikel verlinkt, unter dem folgender Leserkommentar zu finden ist:



    "Nur wirklich dumm ist, dass keiner um eine Alternative weiss. Wie damals zu Wendezeiten. Wir wollten eine "andere" DDR. Wir wussten, was wir NICHT wollten. Aber wie konkret die ganze Nummer funktionieren sollte, davon hatte keiner eine Ahnung. Trotzdem gingen WIR auf die Strasse. Nach Feierabend. Und schmissen ein Gesellschaftssystem in den Mülleimer der Geschichte. Mit der Angst im Nacken. Wer erhielt dafür die Medaille für Verdienste um die Deutsche Eingung? Der dicke Kohl! Warum wurde diese Medaille nicht der gesamten ehemaligen DDR zugesprochen? Will heissen den Leuten, welche ihren Arsch riskierten. Politiker. Das Salz in der Suppe, für welche wir selbst zuständig sind. Anders ausgedrückt: Jedes Volk bekommt die Regierung, welche es verdient.
    Sind wir wirklich sooo bescheuert?
    Ich möchte gern etwas Neues machen, diese Republik verändern. So wie damals vor 20 Jahren. Den Kopf voller Utopien und aber auch konkreter Ideen.."

    Der Kommunismus, den ich als Grundidee durchaus für überdenkenswert halte, funktionierte nicht so, wie es theoretisch angedacht war.

    Der Kapitalismus stellt Güter und Waren bereit, die vielen von uns ein bequemes Leben ermöglichen, aber eben nicht allen. Und in jeder Krise, die teilweise ja auch immer reinigend wirkt, wird in diesem System das Zuviel wieder heruntergefahren und korrigiert.
    Dazu gehören aber eben leider auch Arbeitsplätze und die Menschen, die dahinter stehen.
    Auch nicht wirklich das Gelbe vom Ei.

    Es sind beides Gesellschaftssysteme und ich denke, das bei dem Begriff "Gesellschaft" oft vergessen wird, dass diese nur die Summe vieler einzelner Individuen ist. Der Mensch als solcher ist leider nicht "gut", sondern doch meistens ein recht egoistisches Miststück. Das liegt in der Natur des Menschen, denn wir sind ja keine Ameisen.

    Wir fühlen zwar oft, dass diese Welt nicht ideal ist und suchen nach Veränderung und Besserung, was uns ja auch teilweise immer wieder einmal gelingt, fallen aber letztlich doch wieder in unser naturgemäßes Verhalten zurück. Daher wird eine ideale und schöne Welt, oder das Paradies, vorerst Utopie bleiben müssen.

    Ich denke, dass in dem Leserkommentar das auch zum Ausdruck kommt. Die Utopie als Vorstellung und Vision einer besseren Welt hat nämlich einen Haken: sie ist eben nur eine Vision. Tatsächlich kann man aber bei jeder herbeigeführten Veränderung nie wirklich wissen, wie das Endergebnis in der Realität aussehen wird. Man weiss nie, was man bekommt.

    Und bislang ist auch der Übermensch nur eine Utopie.

    lg Carsten