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Stephan M. aus W.


Premium (World), Bad Camberg

Paulinchen ...

... war allein zu Haus,
Die Eltern waren beide aus.
Als sie nun durch das Zimmer sprang
Mit leichtem Mut und Sing und Sang,
Da sah sie plötzlich vor sich stehn
Ein Feuerzeug, nett anzusehn.
„Ei,“ sprach sie, „ei, wie schön und fein!
Das muß ein trefflich Spielzeug sein.
Ich zünde mir ein Hölzchen an,
Wie’s oft die Mutter hat getan.“

Und Minz und Maunz, die Katzen,
Erheben ihre Tatzen.
Sie drohen mit den Pfoten:
„Der Vater hat’s verboten!
Miau! Mio! Miau! Mio!
Laß stehn! Sonst brennst du lichterloh!“

Paulinchen hört die Katzen nicht!
Das Hölzchen brennt gar hell und licht,
Das flackert lustig, knistert laut,
Grad wie ihr’s auf dem Bilde schaut.
Paulinchen aber freut sich sehr
Und sprang im Zimmer hin und her.

Doch Minz und Maunz, die Katzen,
Erheben ihre Tatzen.
Sie drohen mit den Pfoten:
„Die Mutter hat’s verboten!
Miau! Mio! Miau! Mio!
Wirf’s weg! Sonst brennst du lichterloh!“

Doch weh! Die Flamme faßt das Kleid,
Die Schürze brennt; es leuchtet weit.
Es brennt die Hand, es brennt das Haar,
Es brennt das ganze Kind sogar.

Und Minz und Maunz, die schreien
Gar jämmerlich zu zweien :
„Herbei! Herbei! Wer hilft geschwind?
Im Feuer steht das ganze Kind!
Miau! Mio! Miau! Mio!
Zu Hilf’! Das Kind brennt lichterloh!“

Verbrannt ist alles ganz und gar,
Das arme Kind mit Haut und Haar;
Ein Häuflein Asche bleibt allein
Und beide Schuh’, so hübsch und fein.

Und Minz und Maunz, die kleinen,
die sitzen da und weinen:
"Miau! Mio! Miau! Mio!
Wo sind die armen Eltern? Wo?"
Und ihre Tränen fließen
Wie’s Bächlein auf den Wiesen.


Heinrich Hoffmann, der Autor des Struwwelpeter, war mit der Arztfamilie Schmidt befreundet. Deren Tochter Pauline war mit 16 Jahren an Typhus gestorben und ist auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt beerdigt. Sie hatte also nicht durch Feuer den Tod gefunden, aber diente dennoch Hoffmann als Figur, um seine (wie sagt man Neudeutsch ;-) ?) Message zu transportieren.

Kommentare 4

  • Madame EIFEL 17. Mai 2015, 19:43

    Du kennst dich ja gut aus. Den Struwwelpeter kenne ich auch noch, auch aus dem Studium. Diese Erziehungsmethoden wären heute undenkbar. Aber wenn ich mir unsere heutige Jugend oder manche Kinder anschaue - da verzweifelt so manches Elternteil (meistens die Mutter) an der Erziehung.
    LG Gerti
  • Stephan M. aus W. 16. Mai 2015, 18:19

    @Ursula Elise: ich kann Dir nichts Gesichertes sagen, aber ich vermute, weil die Familien befreundet waren, dass Heinrich Hoffmann die Figur nicht nach dem Kind benannt hätte, wenn er damit die Familie brüskiert hätte...
    Möglicherweise fand diese es sogar tröstlich, dass Pauline auf diese Weise in einem Buch weiterlebte.
    In der heutigen Zeit (und den üblichen Befindlichkeiten, die diese mit sich bringt ... 'political correctness' bis zum Erbrechen) denkt man sicher anders darüber ...

    VLG
    Stephan

  • Ursula Elise 16. Mai 2015, 17:58

    Derlei aufklärende Fotos sehe ich sehr gern an.
    Also Paulinchen gab's wirklich, nur ist sie nicht verbrannt. Weißt du was dazu, wie die Eltern die Namensnutzung gefunden haben?
    Gruß Ursula
  • Marguerite L. 16. Mai 2015, 17:51

    Ein beeindruckendes Bild zusammen mit dem Gedicht und der Geschichte
    GrüessliM

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