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Zeit (ein Bild zum Sonntag)

Zeit (ein Bild zum Sonntag)

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Zeit (ein Bild zum Sonntag)

"Ich habe keine Zeit" ist Unsinn; keine Zeit haben bedeutet, andere Prioritäten zu setzen.
Erst später wird sich erweisen, ob diese Prioritätensetzung richtig gewesen ist. Nach einer Anmerkung von Johann tut Ergänzung Not: Gemeint ist nur das unreflektierte Verwenden der Zeit, und nur der Ausspruch in dieser Begründung; nicht damit gesagt soll sein, daß das Entstehen von Zeitmangel aus unsinnigen oder immer unreflektiertem Grund entsteht. In der Literatur und Geistesgeschichte findet sich dieser Zwiespalt, die Relativität menschlichen Handelns, sehr oft, prägend das "VANITAS; VANITATUM, ET OMNIA VANITAS. Es ist alles gantz eytel", "eitel" ist auch im Sinne von nichtig, leer, zu verstehen. Andreas Gryphius drückt es in seinem Sonett sehr treffend und berührend aus:

DV sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was diser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn / wird eine Wisen seyn /
Auff der ein Schäfers-Kind wird spilen mit den Herden:

Was itzund prächtig blüht / sol bald zutretten werden
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein /
Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an / bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spil der Zeit / der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten /

Als schlechte Nichtikeit / als Schatten/ Staub und Wind;
Als eine Wisen-Blum / die man nicht wider find't.
Noch will was Ewig ist kein einig Mensch betrachten!

Gryphius (Jurist und Dichter, Kurzbiographie und einige weitere Werke bei http://gutenberg.spiegel.de/autoren/gryphius.htm , ebd. Zitat entnommen), von den furchtbaren Qualen seiner Zeit geprägt, greift seinerseits auf Salomo zurück, die für mich in diesem Zusammenhang wichtigen Textstellen habe ich unten verlinkt:


Denn er [der Mensch] weiß nicht, was geschehen wird, und wer will ihm sagen, wie es werden wird?
Der Mensch hat keine Macht, den Wind aufzuhalten, und hat keine Macht über den Tag des Todes, und keiner bleibt verschont im Krieg, und das gottlose Treiben rettet den Gottlosen nicht. (Der Prediger Salomo, Kap. 8, 7-8)


Eitel die Vorstellung, Dauerhaftes zu schaffen, nichtig das Bestreben. das Wesentliche auf dieser Welt gewinnen zu wollen. Fatalismus? Nein, denn es steht ebenfalls geschrieben:

Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, den Weg wißt ihr. (Johannes 14, 8-11, http://www.bibel-online.net/buch/43.johannes/14.html#14,6 )


Gryphius nochmals, wie so oft in den Versen des zweiten Quartetts in entscheidender Klarheit formulierend, der Tristesse entgegnend::


Betrachtung der Zeit

Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht.

"Ich habe keine Zeit": es kommt eben darauf an, wie ich den Augenblick nutze, nutze ich diesen richtig, gewinne ich die Zeit doch.

Ergänzende Bibelstellen bei

http://www.boardy.de/showthread.php3?threadid=34316498

Frühere Sonntagsbilder bei

Von der Freiheit der Wolken
Von der Freiheit der Wolken
Peter Wolf v. Miriquidi-Staufen



Das Boot (Sonntagsbild)
Das Boot (Sonntagsbild)
Peter Wolf v. Miriquidi-Staufen



Gruß und Dank für Euer Interesse und allen einen guten Sonntag und eine ebensolche kommende Woche.

Kommentare 12

  • chaoskreation 2 5. September 2004, 22:08

    Zeit ist keine Schnellstraße
    zwischen Wiege und Grab,
    sondern Platz zum Parken in der Sonne.
    Heute Leben !
    Heute lächeln !
    Heute glücklich sein !
    (phil bosmauns)
  • Alfred Held 29. August 2004, 17:40

    Die Leute sagen immer:

    NEIN,

    Alfred
  • Katrin Taepke 29. August 2004, 13:32

    sehr sehr schön!
  • Herman G. 19. August 2004, 22:45

    Sehr schöne Worte zu einem sehr gelungenen Bild, das, angesichts der Aussagekraft der Worte, schon fast ins Abseits und Vergessenheit gedrängt wird, und das ich aus dieser jetzt befreie. ;) Schöner Bildaufbau!

    LG Herm
  • Silk.e M. 15. August 2004, 22:52

    von mir für euch noch ein Gedicht von Elli Michler:

    ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben
    ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
    ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
    und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.

    ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken
    nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
    ich wünsche dir Zeit - nicht zum Hasten und Rennen
    sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.

    ich wünsche dir Zeit - nicht nur so zum Verweilen
    ich wünsche, sie möge dir übrigbleiben
    als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun
    anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.

    ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen
    und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
    ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
    Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.

    ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
    jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
    ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
    ich wünsche dir Zeit: Zeit zu haben zu leben!
  • Uwe Sauerland 15. August 2004, 21:38

    Mein Satz ist: "Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich." Kommt aber letztlich auf das selbe heraus. Der Betrachtung konnte ich nur zustimmen.

    Das Bild bietet vielerlei Angebote für Meditationen über die Zeit in unterschiedlicher Volatilität (Wasser -- Pflanzen -- Steine). Wieder ein willkommenes Sonntagsbild.

    Gruß Uwe
  • Anita Hartner 15. August 2004, 18:48

    Verschiebe nicht auf morgen, was auch bis übermorgen Zeit hat.

    :-)

    gutes Bild!
  • Mareike Schaal 15. August 2004, 11:53

    Ich finde Deinen Text sehr gut und auch wahr Peter! Es stimmt doch, wir haben alle gleich viel Zeit zur Verfügung, nämlich 24 Stunden am Tag! Die Frage ist nur, was machen wir mit dieser Zeit? Muss man immer alles auf einmal erledigen? Müssen eigene Interessen immer Vorrang haben? Oder müssen die Interessen der anderen Vorrang haben? Nutze ich meine Zeit sinnvoll?
    Ein Bibeltext, der mir in dem Zusammenhang sehr passend erscheint:

    Alles hat seine Zeit

    1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 2 geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; 4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; 5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; 6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; 7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; 8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. 9 Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. 10 Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. 11 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. 12 Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. 13 Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 14 Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll. 15 Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.

    Lg
    GG
  • Peter Wolf v. Miriquidi-Staufen 15. August 2004, 8:48

    Johann Be: in Ordnung, entschuldige bitte, so sollte es nicht gemeint sein.

    Mir kommt es auf "Prioritäten setzen" an, "keine Zeit" soll bedeuten, daß ich (und andere?) oftmals unreflektiert Zeit verwende auf Dinge, die nicht wirklich wichtig sind. Anderen zu helfen, seiner Arbeit richtig nachgehen, dies sind wichtige Dinge. Ich werde den Text, der in der Tat mißverständlich (und so auch fehlerhaft) ist (und geprägt wurde durch einige persönl. Erfahrungen, bei denen ich feststellen mußte, daß Begabungen verschenkt worden sind), ändern. Dank für diese Anmerkung. Bernhard und Heribert: Dank auch Euch für Eure Anmerkung, die mir immer wichtig sind. Gruß.
  • Heribert Stahl 15. August 2004, 0:56

    Hallo Peter,
    hier bietet "Das Wort zum Sonntag" auch den Augen etwas...und zwar was Gutes.
    Gefaellt mir sehr.
    Gruesse
    Heribert
  • Belfo 15. August 2004, 0:54

    Sehr schön - und doch gebe ich dir nicht Recht: "Ich habe keine Zeit" ist kein Unsinn. Nicht immer ist es Eitelkeit oder Selbstüberschätzung - es gibt Menschen, die ihre Zeit vielfältig nutzen, sich für andere einsetzen - Und es sind immer die selben Menschen, die man dort trifft: Nicht diejenigen, die um 17.00 Uhr von der Arbeit nach Hause kommen, sondern diejenigen, die eh viel zu viel zu tun haben. Diejenigen, die die Zeit hätten, setzen sich nur ein, wenn es um die eigenen Belange geht.

    Das sagt dir einer, der KEINE Zeit hat, einer, der viel ZEIT der Kommunalpolitik opfert, für die es immer nur Prügel gibt, keinen Lohn und keinen Dank ...

    Deine Worte mögen gut gewählt und gut gesetzt sein und doch - obwohl Verallgemeinerung - schmerzt dieses "Nur Unsinn ...", wenn man seinen Urlaub abbricht um - ohne Entlohnung - zu einer Sitzung zu kommen ...

    "Die Zeit, die ist ein sonderbares Ding.
    Wenn man so hinlebt ist sie rein gar nichts.
    Aber dann auf einmal,
    da spürt man nichts als sie."
    (Hugo von Hofmannsthal)

    Gruß Han
  • Bernhard J. L. 15. August 2004, 0:48

    Interessantes Wort zum Sonntag mit passendem Foto :-)
    lg bernhard