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Verarmter Bauernhof auf der Schwäbischen Alb

Verarmter Bauernhof auf der Schwäbischen Alb

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Johannes Zakouril


Premium (Pro), Neu-Ulm

Verarmter Bauernhof auf der Schwäbischen Alb

Haben wir ein katastrophales Höfesterben? Oder ist es ein notwendiger Strukturwandel?

Die Antwort hängt sehr von der Perspektive ab.

Bauern, Politik und Wissenschaft beantworten die Frage jedenfalls ganz unterschiedlich. Fakt ist aber: Für kleine Bauernhöfe wird es immer schwerer zu überleben. Das zeigt ein Blick in die Statistik. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Zahl der Höfe in Deutschland mehr als halbiert. Gleichzeitig werden die überlebenden Betriebe immer größer. Die Gründe für diese Entwicklung sind komplex.
Eine einfache Antwort gibt es nicht. Das liegt auch an den sehr unterschiedlichen Vorstellungen und Zielen der Akteure. Eines scheint aber sicher: Agrarpolitik kann den Prozess beeinflussen - wenn sie denn wirklich will. Davon ist der Münchner Agrarökonom und Landwirt Sebastian Rahbauer überzeugt. „Es liegt an der Politik, das Fortbestehen kleinerer Betriebe auf dem Markt zu ermöglichen. Dazu müssen Maßnahmen ergriffen werden, von denen kleinere Betriebe profitieren.
Denkbar wäre eine Umverteilung der Agrarsubventionen zugunsten kleiner Höfe“, sagt Rahbauer. Derzeit geht die politische Entwicklung aber in eine ganz andere Richtung. Immer neue Auflagen und Restriktionen – wie das Agrarpaket und die Düngeverordnung - zwingen gerade die kleinen Höfe zum Aufgeben. „Wir fühlen uns verkauft“, beschreibt der Landwirt Uli Wagner aus dem nordhessischen Oberelsungen das Gefühl vieler Kollegen.
Abkehr vom Familienbetrieb
Fakt ist: Setzt sich die gegenwärtige Entwicklung fort, würde in Deutschland eine völlig andere Landwirtschaft entstehen. Ein mögliches Szenario zeigen die DZ-Bank-Analysten Claus Niegsch und Michael Stappel in einer Studie auf. Darin geht es um die Entwicklung der bäuerlichen Betriebe bis 2040. Dort heißt es unter anderem: „Bis 2040 könnte die Zahl Bauernhöfe von zuletzt 275.000 auf nur noch 100.000 schrumpfen. Gleichzeitig nimmt die Betriebsgröße von 60 auf 160 Hektar zu“.
Doch die Autoren kommt noch zu anderen Erkenntnissen: „Langfristig droht die völlige Abkehr vom Jahrhunderte alten Modell des bäuerlichen Familienbetriebes – mit allen seinen Merkmalen. Künftig werden inhabergefu?hrte, große, kapitalintensive und betriebswirtschaftlich organisierte Agrarunternehmen die Branche prägen“ sagen die Autoren. Und das gilt offenbar auch für den Westen und Süden Deutschlands.
Doch es gibt eine Ausnahme: Die Nische für die bäuerlichen Familienbetriebe ist nach Meinung der Analysten der Ökolandbau. Im Ökolandbau könnte 2040 fast die Hälfte der überhaupt noch vorhandenen Betriebe wirtschaften. Und sie beackern dann etwa ein Fünftel der Fläche.
Wirken fundamentale Kräfte?

Der Ökonom Sebastian Rahbauer ist vom Szenario der DZ-Bank nicht überzeugt. Er glaubt, dass die Agrarpolitik die Entwicklung zu Gunsten der kleinen Bauern beeinflussen kann. Das sieht der Göttinger Wissenschaftler Stephan von Cramon-Traubadel völlig anderes.
Er sagt: „Strukturwandel gibt es in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten wir zwei Millionen Betriebe, heute haben wir weniger als 275.000. Das heißt: Wir haben Jahr für Jahr ungefähr drei Prozent der Betriebe verloren – auch in Zeiten, in denen die Agrarpolitik ganz anders war und aus Sicht der Landwirte viel großzügiger.“
Der Agrarökonom ist überzeugt: „Das ist ein Prozess, der mit fundamentalen Kräften zu tun hat, mit Technologiewandel und so weiter. Den kann man nicht mit der Agrarpolitik irgendwie aufhalten.“ Diese Meinung hat auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Sie ist überzeugt, „dass ein Modernisierungsschub in der Landwirtschaft unabdingbar sei. Eine Garantie für den Erhalt bestimmter Strukturen habe es noch nie gegeben“ sagt die Ministerin.
Kritik an den Subventionen

Eine Möglichkeit den Strukturwandel zu beeinflussen, gibt es aber. Davon sind einige Ökonomen und Politiker fest überzeugt: Nämlich die Verteilung der Direktzahlungen. Agrarökonom Rahbauer sagt dazu: „Die europäische Subventionspolitik macht vielen Landwirten das Leben schwer. Ein Großteil der Summe wird nämlich über die Flächen verteilt. So bekommen Kleine wenig und Große viel Unterstützung“.
Um den kleineren Betrieben zu helfen, werden in Deutschland die ersten 46 Hektar eines Betriebes stärker gefördert als die folgenden – mit der so genannten Umverteilungsprämie. Für den Bauern kommen dabei aber im besten Fall 2.000 Euro zusätzlich zusammen. Das ist viel zu wenig, um auch nur einen Arbeitsplatz zu erhalten.
Kritisiert wird außerdem, dass die pauschale Flächenprämie nicht nur die kleineren Höfe, sondern auch die mit einer hohen Produktivität pro Hektar benachteiligt – also die meisten Tierhalter – und zu guter Letzt bleiben die beschäftigen Arbeitskräfte unberücksichtigt, bemängelt etwa Karin Beuster, Chefin eines Milchviehbetriebs in Brandenburg.
Mehr Geld für kleine Höfe
Die Politik könnte für die kleinen Betriebe jedoch mehr tun: Die EU-Regeln erlauben nämlich, bis zu 30 Prozent der Direktzahlungen an kleinere Betriebe umzuverteilen. Tatsächlich sind es derzeit sieben Prozent. Doch die Gelder aus Brüssel sind ohnehin umstritten.
Nicht wenige Ökonomen würden die Direktzahlungen der ersten Säule aber am liebsten ganz abschaffen – obwohl 30 Prozent an Umweltkriterien (Greening) geknüpft sind. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates des Landwirtschaftsministeriums Harald Grethe sagt dazu: „Die Direktzahlungen sind ein ungeeigneter Indikator für landwirtschaftliche Einkommen. Zumal ein erheblicher Anteil der Zahlungen über die Pachtpreise an Bodenbesitzer überwälzt wird“. Nach Einschätzung der Wissenschaft ist das auch ein Grund für steigende Boden- und Pachtpreise.
Georg Wimmer, Generalsekretär des bayerischen Bauernverbands, sieht das ganz anders. Er sagt: „Gerade auf kleineren Höfen und bei Landwirten im Nebenerwerb kommen unterm Strich 90 Prozent des landwirtschaftlichen Einkommens aus Direktzahlungen. Im Schnitt sind es rund 50 Prozent. Kürzungen oder gar eine Streichung hätten verheerende Auswirkungen“.
Tierhalter am meisten betroffen
Die meisten Bauern, die derzeit ihre Höfe aufgeben, sind Tierhalter. Der Grund: Ihre Investitionskosten sind extrem hoch und ständig müssen neue Auflagen – wie das Agrarpaket - gestemmt werden. Da sind schnell mal mehrere 100.000 Euro fällig. „Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der pro Arbeitskraft so viel Eigenkapital braucht“, sagt Holger Schädlich vom Bauernverband in Ostholstein. Und kaum hat man gebaut, ändern sich die Richtlinien, kritisiert der Ökolandwirt Alois Penninger aus dem bayerischen Fürstenzell. Für viele Familienbetriebe ist das einfach nicht zu schaffen.
Und das gilt ganz besonders für die Bauern im Nebenerwerb. In vielen süddeutschen Gegenden sind dies 80 Prozent aller Betriebe, deutschlandweit gut die Hälfte. Wie hoch der Druck in der Tierhaltung ist, zeigen die Zahlen der letzten Jahre: Von 2005 bis 2018 hat die Zahl der Bauernhöfe mit Rinderhaltung um knapp ein Viertel abgenommen. Milchbauern wurden 40 Prozent weniger gezählt. Bei den Schweinehaltern warfen 75 Prozent das Handtuch. Gleichzeitig hat sich die Anzahl der insgesamt in Deutschland gehaltenen Rinder, Kühe und Schweine kaum verändert.
Das heißt: Die verbliebenen Betriebe sind – wie im Ackerbau - immer größer geworden. Torsten Hemme, Direktor des IFCN in Kiel, einem Forschungsinstitut für Milchwirtschaft, sagt dazu: „Die Entwicklung ist überall in Europa ähnlich. Es gibt bisher kein Land, das diesen Trend aufgehalten hat, auch nicht die Schweiz oder Norwegen, die sehr hohe Subventionen zahlen.“
Hohe Kosten, schlechte Preise

Und es gibt noch einen Grund für das Höfesterben. Agrarökonom Rahbauer erklärt das Problem folgendermaßen: „Deutsche Landwirte stehen in Konkurrenz zum Weltmarkt. Doch die Produktionskosten sind in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Zudem verursachen steigende gesetzliche und gesellschaftliche Anforderungen immer neue Kosten für die Landwirte.“ Rahbauer zufolge werden kleinere Höfe dadurch unrentabel und zur Aufgabe gezwungen. Die übrigen Bauern müssten ihre Betriebe permanent vergrößern, um wettbewerbsfähig zu bleiben und ihre Einkommen zu sichern.
Das sieht der Kieler Ökonom Hemme genauso. Seine Faustformel lautet: „Pro Jahr hören etwa fünf bis sechs Prozent der deutschen Milchviehbetriebe auf, also alle zehn Jahre etwa die Hälfte. Die verbleibenden Betriebe wachsen dafür um etwa fünf bis zehn Prozent pro Jahr.“ Hemme ergänzt: „Wenn die Erzeugerpreise niedrig sind, bekommen die Betriebe Liquiditätsprobleme.“ Die Einkommen der Milchbauern sind entsprechend schlecht: „Bei einem Betrieb mit 80 Kühen komme der Bauer dann nur noch auf einen Stundenlohn von etwa 10 Euro“, sagt Hemme. Da bleibt kaum Geld für Investitionen. Die sind aber dringend nötig um am Markt zu bestehen.
Die Zukunft kostet viel Geld

Die meisten Bauern lieben Technik. Doch die Technologien der Zukunft sind teuer. Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Halle sagt: „Die allermeisten Betriebe seien zu klein, um heutige und erst recht künftige technische Möglichkeiten ausnutzen zu können.“ Der Agrarökonom ist überzeugt: „Die Digitalisierung wird den Strukturwandel vorantreiben.“
Einerseits werden die neuen Technologien den Landwirten helfen, die vielfältigen ökomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu erfüllen. Andererseits kosten sie sehr viel Geld. Balmann weist deshalb darauf hin: „Ein landwirtschaftlicher Arbeitsplatz kostet oft mehr als eine halbe Million Euro an Investitionen – doppelt so viel wie in der gewerblichen Industrie.“ Bauern müssten sich also rechtzeitig darüber Gedanken machen, wie und ob es mit dem Betrieb weitergeht. Und der Ökonom warnt: „Wenn ihnen die Arbeit und die Schulden über den Kopf wachsen, ist es zu spät. D
och auch die Gesellschaft muss sich von veralteten Bildern der Landwirtschaft verabschieden, mahnt der Ökonom „Das Modell des klassischen Familienbetriebes funktioniert nicht mehr“, sagt er. Der Grund ist: Die Anforderungen, die mit der neuen Technik verbunden seien, überstiegen häufig das, was eine einzelne Familie noch leisten kann. Das heißt auch: Die Landwirtschaft wird sich weiter wandeln. Aber die Politik hat es in der Hand diesen Prozess zu steuern – wenn sie denn will.
Den vollständigen Beitrag zum Höfesterben und zum Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft in agrarheute


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