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Gegen das Vergessen - Volksaufstand 17. Juni 1953

Gegen das Vergessen - Volksaufstand 17. Juni 1953

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Juan Manuel Tondera


kostenloses Benutzerkonto, Delitzsch

Gegen das Vergessen - Volksaufstand 17. Juni 1953

- Diese Tafel gedenkt den Opfern des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Delitzsch, sie wurde 1996, 43 Jahre nach den Ereignissen an der Mauer des damaligen VEB Böhme angebracht -

Was war geschehen?

Am 17. Juni 1953 ist die DDR im Aufruhr, ein Volksaufstand bringt zigtausende auf die Straßen um zu protestieren.
Die Regierung schlägt mit der Unterstützung der sowjetischen Armee das ganze mit konsequenter Härte und blutiger Hand nieder.
Es gibt viele verletzte wie auch tote, in Delitzsch sind dies die jungen Männer Joachim Bauer und Gerhard Dubielzig.

Wie vielerorts in der jungen Republik wird auch in Delitzsch protestiert und gestreikt. Die Werktore des RAW Delitzsch sind am Morgen verschlossen, da die Nachtschicht bereits streikt. Gerhard Dubielzig ist mit vielen anderen ausgesperrt, man formiert sich und marschiert zur SED-Kreisleitung und fordern vergeblich die Funktionäre zum Gespräch. Als man versucht in das Gebäude einzudringen antworten sowjetische Soldaten mit Warnschüssen aus ihren Maschinenpistolen. Der Protestzug wendet sich nun zum Volkspolizeikreisamt (VPKA) in der Dübener Straße. Auch Joachim Bauer gerät nun eher aus Neugierde in diesen Demonstrationszug. Dort angekommen fordert man in Sprechchören die Herausgabe der bereits gefangen genommenen. Die Polizei antwortet mit Löschfahzeugen, doch die Zahl der Demonstranten wächst. Mein Vater, damals 18 Jahre alt, hat mittlerweile auch Kenntnis von diesen Ereignissen erhalten und ist dorthin unterwegs.
Am Nachmittag dringen dann Demonstranten in den Vorhof des Polizeigebäudes ein. Nach anfänglichen Warnschüssen werden bald gezielte Schüsse aus den oberen Fenstern abgefeuert.
Die Demonstranten fliehen, es bleiben jedoch mehrere Verletzte und zwei Tote zurück - Joachim Bauer und Gerhard Dubielzig. Beide sterben auf der Stelle an einem Kopfschuss und werden von den Demonstranten ins Kreiskrankenhaus gebracht..
Mittlerweile ist auch mein Vater am Ort des Geschehens eingetroffen, die Blutlachen der beiden Opfer wurden schon mit Sand abgedeckt. Schon bald darauf fahren in Delitzsch sowjetische Panzer auf und der Militärkommandant verhängt den Ausnahmezustand.
Vor das Volkspolizeikreisamt preschen nun zwei russische LKW's, vollbesetzt mit Soldaten, welche nach dem Anhalten sofort absitzen und ihre Maschinenpistolen mit aufgepflanztem Bajonett in Anschlag bringen.
Die Demonstranten flüchten in alle Richtungen, mein Vater ist unchlüssig, sofort steht ein russischer Offizier hinter ihm und drückt ihm die gezogene Pistole ins Genick. Während die Soldaten die flüchtigen Demonstranten verfolgen wird er abgeführt, an einer Straßenecke kann er im Tulmult jedoch flüchten.
Am nächsten Tag wurde unter anderem auch der Stadtfofotgraf Kühnemann festgenommen, da er bei den Geschehnissen fotografiert hatte.

Trotz des inzwischen verhängten Kriegsrechtes kommt es auch am nächsten Tag zu Streiks und Aktionen, erst am 11. Juli wurde das Kriegsrecht wieder aufgehoben.

näheres zum Volksaufstand und Joachim Bauer und Gerhard Dubielzig unter "B e z i r k L e i p z i g" auf: http://www.17juni53.de/tote/

Dies ist ein trauriges Kapitel in der Geschichte der DDR, welches aber leider kein Einzelfall war. Ich kann nur dankbar sein das mein Vater sich noch dem Zugriff entziehen konnte, vielleicht hätte ich diese Zeilen sonst nicht schreiben können.
Ich gedenke den Opfern jedes Jahr, diese Mal nun öffentlich, in der Hoffnung das diese Opfer nicht vergessen werden.

Danke für das Interesse, Beste Grüße, JMT ...

Kommentare 2

  • Juan Manuel Tondera 17. Juni 2008, 18:42

    Kein Problem wenn sich nicht wirklich jemand für die Verfolgten des "Ganovenstaates" interessiert, dann halte ich hier halt einen stillen Monolog.

    Zu der Erstürmung des Polizeireviers gebe ich Ihnen natürlich insoweit Recht, dass es sehr unklug war, das blutige Ergebnis war zu erwarten. Nur wer denkt in solchen Momenten wirklich klar.
    Ihr letzter Satz bedarf sicher keiner Diskussion, ich kenne keine Gesellschaft in welcher es anders wäre.

    Beste Grüße, JMT ...
  • Kerl Marx 17. Juni 2008, 18:22

    Die Opfer der DDR-Diktatur sind längst vergessen.
    Niemand interessiert sich wirklich für die Verfolgten dieses Ganovenstaates namens DDR.
    Aber wissen Sie was passieren würde wenn Sie in unserer heutigen Zeit ein Polizeirevier überfallen würden...
    Genau, es würde Tote geben...
    Denken Sie nicht, dass diese Gesellschaft wahrhaft demokratisch ist, mitnichten, der Machterhalt geht über alles, auch über Menschenleben.