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Frohes Fest an alle

Frohes Fest an alle

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Thomas Kötz


kostenloses Benutzerkonto, Nauheim

Frohes Fest an alle

und dazu meine kleine Lieblings-Weihnachtsgeschichte.

Sie stammt vom vor gut einem Jahr verstorbenen Hanns-Dieter Hüsch:


Der liebe Gott ist nicht zu Hause

Ich hatte schon mehrmals versucht anzurufen, aber jedes Mal kam nur auf Band die Stimme von
Petrus: Der liebe Gott ist nicht zu Hause. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Da erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mit dem lieben Gott hatte, bevor er mich mit dem
Fahrrad - Sie kennen die Geschichte - bevor er mich mit dem Fahrrad vom Himmel nach
Dinslaken zurückbrachte. Das war kurz vor Weihnachten, da hatten wir beide ein Gespräch,
gemütlich bei Kaffee und Kuchen, Plätzchen, Kerzen, Äpfel, Nüsse und Apfelsinen lagen in Mengen
um uns herum, und der liebe Gott fragte mich: Was macht ihr denn an Weihnachten? Fahrt ihr in die Karibik?

Ich war so verdutzt und gleichzeitig empört und sagte beleidigt: Wie kannst du so was fragen?
Ich war noch nie in der Karibik und an Weihnachten schon gar nicht, ich meine, die Frage: Was macht ihr
denn an Weihnachten? hatte ich schon hundert Mal gehört, aber: Fahrt ihr in die Karibik - und dann noch an
Weihnachten, hatte ich noch nicht vernommen.
An Weihnachten fährt man zu Omma und Oppa, zu den Eltern, zu den Kindern, vielleicht noch zu Freunden,
oder man bleibt zu Hause, wie wir, denn ich kann Weihnachten nur zu Hause haben oder begehen oder
sogar feiern, mit einem Baum.

Und so habe ich denn auch zum lieben Gott gesagt: Was soll ich denn an Weihnachten in der
Karibik? Über Weihnachten, da bin ich zu Hause, da muss ich zu Hause sein, sonst hab ich kein
Weihnachten.
Auch nicht im Herzen?, fragte der liebe Gott. Eben gerade deswegen, sagte ich, muss ich zu Hause sein.
Weihnachten hab ich nur zu Hause. Ist das nicht ein bisschen eng, sagte der liebe Gott, ich z.B. fahre in
die Karibik. Ja du, sagte ich, du kannst und darfst ja sein, wo du willst, für dich ist doch überall zu Hause,
du kannst dir das leisten, du bist ja auch der liebe Gott, und wir sind ja nur kleine Säugetiere, provozierte ich ihn.

Was heißt hier kleine Säugetiere? Jesus fährt zum Beispiel an Weihnachten nach China und ist auch
nur ein Säugetier. Ja, ja, sagte ich, ihr habt ja da Verwandte oder Freunde. Du bist doch mit Buddha
und Allah und Konfuzius und Jahwe befreundet. Ihr macht doch auch im Sommer oft zusammen
Ferien, hab ich gehört.
Ja, das stimmt, sagte der liebe Gott. Das ist die Zeit, eine sehr wichtige Zeit, in der wir uns gegenseitig
auf unsere Fehler aufmerksam machen. So könntest du auch in die Karibik fahren, um mal mit anderen
zu sprechen und nicht immer im eigenen Saft zu schmoren, mein Lieber.

Was meinst du, sagte ich darauf, was meine Frau mir sagt, wenn ich ihr sage: Weihnachten, mein
Lieb, ab in die Karibik. Ich hab schon mit ihr gesprochen, sagte er. Wann denn? Neulich, von
Dinslaken aus. Ja und? Sie wäre einverstanden. Sie wäre einverstanden!? Mal was anderes, hat sie
gesagt.

Da kannst du mal sehen, hab ich gesagt, da bemüht man sich hier dauernd um die Reinheit
des Weihnachtsfestes, und dann so was. Gibs doch zu, hab ich dann zum lieben Gott gesagt, da hast
du doch sicher dran gedreht. Nur ein bisschen, und es ist ja noch nicht spruchreif. Zunächst wollte ich
nur mal dein Toleranzvermögen überprüfen.

Die Welt ist ein bisschen größer, als du denkst und wir sollten alle ein bisschen großzügiger sein, als
wir denken, damit, wie du selbst gesagt hast, die Erde Heimat wird für alle Welt.

Dann bestellte sich der liebe Gott ein Taxi und fuhr ins Cafe Pilatus, um dort seinen Sohn abzuholen.
Als das Taxi anfuhr, ließ er noch rasch die Scheibe runter und rief mit voller Lautstärke:

Frohes Fest!

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