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Blutiger Boden 3 - Bloody Ground 3

Blutiger Boden 3 - Bloody Ground 3

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Wolfgang Degenhardt


kostenloses Benutzerkonto, Siegen

Blutiger Boden 3 - Bloody Ground 3

Die "Sultan Ahmed Camii" in Istanbul, wegen ihrer wunderschönen Innenausstattung mit blauen Fayencen auch bekannt als die "Blaue Moschee", im Abendlicht vom Hippodrom aus gesehen.
Dort, auf der alten römischen Pferderennbahn, wurden im sechsten Jahrhundert die Beteiligten des "Nika-Aufstandes" gegen den römischen Kaiser hingerichtet, man spricht von etwa 30.000. Etwa 30.000 Tote forderte an diesem Ort auch die "Liquidierung" der Janitscharen 1826, derselben Truppe, die 1730 Sultan Ahmed gestürzt hatte...
Die Janitscharen waren eine Elitetruppe der osmanischen Armee und bestanden ursprünglich aus den zwangsrekrutierten Kindern christlicher Familien in den von den Osmanen besetzten Gebieten. Im Laufe der türkischen Geschichte wurden sie als Leibgarde des Sultans politisch immer einflußreicher und anspruchsvoller. Die in der "Devsirme". der "Knabenlese"; ausgewählten Soldaten wurden zu fanatischem Glauben erzogen und waren für ihre miltärischen Fähigkeiten berühmt, aber auch für ihre Grausamkeit berüchtigt. Den tief verwurzelten Haß, den unter anderem die Zwangsrekrutierung und Zwangsbekehrung der "Devsirme" und der rücksichtslose Einsatz der Janitscharen in den unterworfenen Völkern gesät haben, mußten in den 1990er Jahren tausende Muslime in Bosnien und Herzegovina, die damit natürlich überhaupt nichts zu tun hatten, mit dem Leben bezahlen.
Die Beteiligung der Janitscharen an einem Aufstand gegen den Sultan im Jahre 1826 bot eine willkommene Rechtfertigung für das Massaker im Hippodrom. Diese "Abschaffung der Janitscharentruppe", wie es in historischen Darstellungen immer wieder heißt, war eine wichtige Voraussetzungen für die beginnende Modernisierung der Türkei, denn die Janitscharen wurde nicht wieder aufgestellt. Darum wird der zigtausendfache Mord in der türkischen Geschichtsschreibung "Vaka-i-Hayriye" genannt, was so viel wie "Heilsamer Vorfall" bedeutet. So begann hier, auf dem Platz des alten Hippodroms auch der Jungtürken-Aufstand von 1908 und damit letztlich die Umwandlung der Türkei in eine Demokratie.
An diesem unglaublich friedlichen Abend in Istanbul, beim Betrachten der berühmten sechs Minarette der Sultan-Ahmed-Moschee im Abendlicht, sah ich sie alle vor mir, Opfer und Täter zugleich, und gleich in der Grausamkeit, mit der sie ermordet wurden und mit der sie gemordet haben.
Geschichte ist meist weder schwarz noch weiß, sondern oft traurig grau, und sie zu erzählen ist eines, sie verstehen zu wollen, oder gar zu akzeptieren, wohl etwas ganz anderes...


The "Sultan Ahmed Camii" in Istanbul in the dusk, also known as "the blue mosque" because of its beautiful interior in blue faience, seen from the hippodrome.
Here, on the old Roman horse-race course, the participants of the "Nika-riot" against the Roman emperor were executed in the sixth century, one speaks of approximately 30.000 who died there. The same way the "liquidation" of the Jannissaries, the troop that had overthrown Sultan Ahmed in 1730, cost about 30.000 lives at the same place in 1826 ...
The Jannissaries were an elite-troop of the Ottoman army and originally consisted of the compulsory-recruited children of Christian families in the areas occupied by the Ottomans. As the bodyguards of the Sultan they became politically ever more influential and more challenging in the course of Turkish history. These soldiers recruited in the "Devsirme" the "boy-harvest", were taught fanatical belief and they were famous for their miltary abilities, as well as for their notorious cruelty. In the subordinated peoples of the Balkans a profoundly rooted hate was sown by the forced-recruiting and forced-conversion of children in the "Devsirme", and by the brutality of the Jannissaries as well. For this hate thousands of Muslims in Bosnia and Herzegovina payed with they lives in the 1990s, although they, of course, had nothing to do with those things at all, which happened Centuries ago, but the hatred never died.
The participation of the Jannissary-corps in a rebellion against the Sultan in the year 1826 offered a welcome justification for the massacre in the hippodrome. This "abolition of the Jannissary-troops", as it is normally called in history-books, was an important premise for the incipient modernization of Turkey, because the Jannissaries were never set up again. Therefore the many thousand-fold murder is named "Vaka-i-Hayriye" in Turkish historiography, which meas as much as "healing incident". The Young-Turk-rebellion of 1908 also started from this place of the old hippodrome, and with it the conversion of Turkey into a democracy.
At this incredibly peaceful evening in Istanbul, looking at the famous six minarets of the Sultan-Ahmed-Mosque in the dusk, I could see them all before me, victims and perpetrators at the same time, and equal in the cruelty, with which they were murdered and with which they have murdered.
History usually is neither black nor white, but often pitifully gray, and to tell it is one thing, to understand, or to even accept it, probably something quite different...

Kommentare 3

  • Adrena Lin 4. Juli 2007, 17:12

    Vielen Dank für die spannende "Zugabe" unter deinem phantastischen Foto. Klasse !
    LG Andrea
  • Wolfgang Degenhardt 4. Juli 2007, 15:47

    @ ben: Das bild ist ein Scan von einem alten Dia, ich glaube noch mit einer alten Voigtländer mit dem 50er Standardobjektiv gemacht. Ich hatte den Schnitt auf das Quadratformat versucht, das ich sonst sehr mag, aber damit sah es mir zu "geklemmt" aus. Habe darum das 20/30 Format beibehalten. Ich hatte auch überlegt, den VG ganz abzudunkeln, aber dann fand ich es spannender, ein paar Details "erahnbar" zu lassen.
    Gruß
    Wolfgang
  • Linda Heise 4. Juli 2007, 15:23

    Hallo

    beeindruckend und ausdrucksstarke Aufnahme.

    Grüße von Linda