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Robert Bauer


Premium (World), Bad Homburg (davor 45 Jahre Stuttgart)

WEICHENSTELLUNG

Extrem-Bergsteiger mögen anders darüber denken. Denn für sie gilt genau das Gegenteil: Einmal die Direttissima gegangen, den schnurgeraden Weg, über alle Hindernisse hinweg. Oder die überhängende Wand bezwungen, Schwierigkeitsgrad 10! Vielleicht auch noch ohne Seil und Haken wegen des Nervenkitzels? Oder im Westalpenstil - trotz großer Höhe - ohne künstlichen Sauerstoff auf den Everest gestürmt? Ja, das ist das Holz, aus dem sie Helden schnitzen. Oder ggf. auch nicht! Für uns Normalmenschen sicher eine etwas befremdliche Vorstellung.

Neulich, als der Tag zu Ende ging, war ich am Frankfurter Hauptbahnhof. Eigentlich kann ich ihn nicht leiden, denn schön ist er nicht und das ganze Gewusel ist mir zu anstrengend. Aber spannend ist es dort allemal, und zwar ganz am Ende des Bahnsteigs. Hinter mir die Baustelle der Bahnhofshalle, darüber die "himmlischen" Türme der Banken, vor mir ein Gewirr aus Schienen, Weichen, Drähten und Signalen. Au weia!! Wer da noch durchblickt? Mit meiner früheren Märklin-Eisenbahn nicht zu vergleichen. Eine Lautsprecher-Stimme ertönt: "Auf Gleis 10 fährt ein der verspätete ICE von Dortmund auf der Weiterfahrt nach München über Mannheim, Stuttgart, Ulm und Augsburg, planmäßige Abfahrtszeit 20.53 Uhr." Nur 15 Minuten Verspätung, also noch innerhalb des akademischen Viertels! ... Und dann erschien sie auch, die rasende Zigarre. Zielsicher durch das Dickicht der Schienenstränge, über unzählige Weichen hinweg, vorbei an einem dutzend Signale ... Gleis 10! Angekommen. *staun* 5 Minuten später der ganze Vorgang vice versa. Die roten Schlussleuchten des Zuges entschwinden schnell in der Dämmerung, Ruhe kehrt ein, beinahe Stille. In knapp 3 Stunden wird auch der ICE in München angekommen sein. Denn darauf kommt es letztlich an, auf's Ankommen. Der Weg ist nicht das Ziel des Lebens.

Wo wir selbst am Ende unserer Reise ankommen werden, wissen wir nicht. Die Zukunft als solche ist ungewiss. Doch ganz ohne Einfluss sind wir dabei nicht. Manche Weichen dürfen wir schon selber stellen, und hoffentlich in die richtige Richtung. Irrtümer sind aber nie ausgeschlossen, sondern menschlich. Wichtig ist eben, dass wir letzlich ankommen.

Unseren Urlaubern wünschen wir, dass sie an ihren Ferienorten gut ankommen und auch wieder gesund nach Hause zurück kommen. Und wenn ihr dieser Tage mal im Stau steht oder auf überfüllten Bahnhöfen auf den Zug warten müsst, dann könnt ihr euch vielleicht die Zeit damit vertreiben, a bissle darüber nachzudenken, wohin die Wege führen und wie die Weichen gestellt werden müssen. So wie ich zur abendlichen Stunde auf dem Frankfurter Hauptbahnhof. Das Bildle hab ich euch mitgebracht - zur Inspiration und als Aufmunterung.

Schöne Ferien!

Robert Bauer

Kommentare 9

  • Iris Richter 21. August 2004, 12:48

    Da schließe ich mich mal meinem Namensvetter über mir an: Ziele zu haben, ist zwar wichtig, damit man nicht planlos durch´s Leben irrt. Wer sich aber nur verbissen auf ein Ziel konzentriert, verpasst die unzähligen Schönheiten am Wegesrand ;-)
    Wir sollten viel öfter mal anhalten... schauen, wo wir gerade stehen, den derzeitigen Augenblick genießen und das Schöne, das jetzt gerade stattfindet, erkennen. Und manchmal müssen wir uns neue Ziele setzen, weil sich plötzlich herausstellt, dass das bisher ins Auge gefasste gar nicht soooo erstrebenswert war... oder weil Krankheit oder Schicksalsschläge ein Umdenken erfordern und das bisherige Ziel unerreichbar wird.
    Also nicht so starr durch´s Leben gehen :-)
    Gute Fotoidee... ein bisschen verwirrend ist dein Bild, aber so ist das Leben halt ;-)
    L.G. von
    Iris
  • Johannes Gstöttenmayer 9. August 2004, 21:17

    Super Foto!
    Tolle Idee!

    mfg
    Hannes
  • S T E R I C 7. August 2004, 18:20

    Klasse Bild, was auch noch zum Nachdenken anregt!
    Die Schrift im Bild ist schon ok, obwohl ich eine andere Farbe gewählt hätte, aber das ist wohl Geschmacksache.
    --> War da nicht noch ein anderer Spruch:"Der Weg ist das Ziel..."? Denn wer nur sein Leben nach einem bestimmten oder erhofften Ziel ausrichtet, der verpasst wohl das eigentliche im Leben...das Leben selbst!
    -->und wenn dann noch kurz vor dem Ziel eine Weiche falsch gestellt ist... :-((

    Gruß Stefan

  • A.Soul- Lichtbildnerin 7. August 2004, 17:34

    die schrift gehört in deisem fall ins bild, auch wenn sie mich etwas stört, denn deine ausführliche philosphische, und vor allem mir aus dem herzen sprechende abhandlung darunter häötte schon genügt. das bild spricht für sich und lässt offen sich selber mal wieder mit dem leben und den zielen auseinanderzusetzen. sehr gelungen. lg angelika
  • Robert Bauer 7. August 2004, 14:23

    @ Roland: Diese Frage beschäftigt mich auch! :-)) - VGR
  • Martina Bie 1 7. August 2004, 13:48

    ohne text oder ihn vielleicht darunter gesetzt - das hätte mir bei diesem klasse motiv besser gefallen.
    lg martina
  • Roland Zumbühl 7. August 2004, 13:08

    Oben, links der Mitte, gehts aufwärts.
    Ist das der Abschluss eines erfüllten Lebens?
  • Markus Benk 7. August 2004, 12:55

    Das "Bildle" wie du es nennst ist wirklich nicht schlecht.
    Allerdings ist es für mich durch den Text und die Typo im Bild ideologisch viel zu sehr überfrachtet. Abgesehen davon glaube ich nicht, dass es allein auf das Ankommen ankommt.
    MArkus
  • Clemens Albicker 7. August 2004, 12:21

    Genial gemacht ! Wirklich klasse !

    Gruss Clemens