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Ronald Bartel


Premium (Basic), Chemnitz

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Schon vor Corona-Zeiten war das Daetz-Centrum in Lichtenstein für Besucher nicht mehr geöffnet. Die Konsequenzen, die das Kompetenzzentrum für Holzbildhauerei daraus gezogen hatte, verschaffen ihm nun einen technologischen Vorsprung.

Lichtenstein.
Ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt man sich auf einen Rundgang durch das virtuelle Daetz-Centrum begibt: Es scheint immer die Sonne. Dabei ist die reale Situation der Holzkunst-Dauerausstellung im westsächsischen Lichtenstein seit mehr als zwei Jahren wolkenverhangen: Wegen Streitigkeiten zwischen Museumsstifter Peter Daetz und der Stadt Lichtenstein um die Übernahme der Betriebskosten für das 2001 im Lichtensteiner Schlosspalais eröffnete Haus ist es seit Januar 2018 geschlossen. Aber nur analog. Im Internet ist die Sammlung von Auftragswerken von fünf Kontinenten sieben Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet und virtuell begehbar.

In diesem besonderen Fall steckt nicht das Webportal "Arts & Culture" des Internet-Giganten Google dahinter, sondern, auf Initiative und im Auftrag des Stifters, die Chemnitzer Transparent-Werbeagentur: Die Webadresse daetz.smartwapp.de beamt den Nutzer, so er über zeitgemäße Hard- und Software verfügt, vor den parkseitigen Eingang des schlossartigen Gebäudes. Von dort geht es über eine intuitiv gestaltete Benutzeroberfläche ins Gebäude und dessen vier Etagen. Es ist weniger ein Rundgang der kleinen Schritte wie bei den Google-Museumstouren. Die Berührung der Schaltflächen mit den Doppelpfeilen geleitet den virtuellen Besucher stattdessen in einem sehr flüssig programmierten Schwebevorgang von einem strategisch günstigen Aussichtspunkt des Museums zum nächsten.

Insgesamt 44 Rundblicke von je 360 Grad - auch vertikal - vom Foyer bis unters Dach mit seinen Sonderräumen für Thailand und Marokko ermöglichen die eingehende Betrachtung der Exponate. Man kann sich praktisch ebenso lang dort aufhalten als wäre man vor Ort. Denn die hochauflösende Qualität der so gut wie fugen- und bruchlosen Panoramaansichten ermöglicht es, zahlreichen Ausstellungsstücken per Zoom so nah zu kommen, dass in der analogen Welt der jeweilige Museumsaufseher schon nervös würde. Detailgenau sind auf dem Display von PC, Tablet oder Smartphone die Spuren der Werkzeuge erkennbar, mit denen die Holzbildhauer in aller Welt ihre Objekte aus den Stämmen geholt haben.

"Peter Daetz wollte auf diese Weise den Gesamteindruck des Museums erhalten, auch wenn es geschlossen ist", erklärt Jan Haubensak, der bei der Transparent-Werbeagentur das Projekt konzeptionell und organisatorisch betreut hat. Ein weiterer Beweggrund für das virtuelle Klonen des Museums war die ebenfalls von der Daetz-Stiftung gestartete Initiative des Lichtensteiner Modells - eines innovativen Schulprojekts, das Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der Globalisierung vorbereiten soll. Der virtuelle Auftritt soll die Arbeit der Schüler innerhalb dieses Modells erleichtern.

Die maßgebliche bildgestalterische Arbeit oblag den Chemnitzer Fotografen Ronald Bartel und Heinz-Peter Gerth. Letzterer zeichnete für die 360-Grad-Raumaufnahmen verantwortlich, von denen vier den Räumen für Ozeanien gewidmet sind. Zehn Rundumblicke gelten Ost- und Westafrika, acht Europa, vier Nordamerika, 14 Asien. Doch an die einzelnen Objekte heranzuzoomen, ist nur die eine Sache. Zahlreiche Exponate sind zudem an ihrem Sockel mit kreisförmigen "i"-Piktogrammen markiert. Berührt man diese, öffnet sich ein Bildschirmfenster, in dem man zumindest mehr über Herkunft und Bedeutung des fraglichen Objekts erfährt. Hinterlegt sind zudem Audioguide-Clips auf Deutsch, Englisch und zum Teil für Kinder. Zu vielen Objekten äußert sich Museumsstifter Peter Daetz darüber hinaus selbst - oben rechts im Vollbild sind seine Kommentare kontextabhängig abrufbar. Und wo der Zoom der Raumansichten nicht hinreichend detaillierte An- und Einblicke ermöglicht, da bietet der "i"-Knopf einen weiteren Bonus. Denn der Fotograf Ronald Bartel hat von mehr als 60 Objekten aus dem Museum 360-Grad-Ansichten angefertigt: "Das war eine körperlich ziemlich anstrengende Arbeit", erinnert sich Haubensak. Ihm zufolge mussten die teils recht gewichtigen - und dennoch mitunter empfindlichen - Objekte von ihren Podesten geholt und auf einen Drehteller gestellt werden, auf denen dann Bartel von ihnen ein Rundumdigitalisat anfertigte. Das öffnet sich in der jeweiligen Detailansicht automatisch und ist mit seitlichem Fingerwischen dreh- sowie ebenfalls bis in den Millimeterbereich zoombar.

Nicht nur für die Chemnitzer Agentur ist die Präsentation ein Referenzobjekt: Es gibt in der Region kein weiteres Museum, das mit einer vergleichbaren digitalen Erschließung aufwarten könnte. Davon abgesehen hat auch Google Arts and Culture Sachsens Museen noch nicht als Ort für virtuelle Spaziergänge entdeckt - selbst die deutsche Museumslandschaft ist erst rudimentär erschlossen. daetz.smartwapp.de



Die Stiftung

Träger des 2001 in Lichtenstein eröffneten Daetz-Centrums mit seinen mehr als 500 Exponaten internationaler Holzbildhauerkunst ist die 1998 von Marlene und Peter Daetz gegründete private Daetz-Stiftung, die ihren Sitz ebenfalls im Lichtensteiner Schlosspalais hat.

Im Zentrum der Programme der Stiftung steht neben der Förderung der Holzbildhauerkunst das Anliegen, ein besseres gegenseitiges Verstehen der Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zu fördern. Aktivitäten hierzu tätigt die Stiftung schwerpunktmäßig im Bildungsbereich. daetz-stiftung.org



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