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jörg jahnke


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TIM´S GRAUEN

"Agressivität, Rohheit und die menschenverachtende Gesinnung des Angeklagten werden in der Tat deutlich" - so der Staatsanwalt im Prozeß gegen einen damals, im September 2001, 34 Jahre alten berufslosen Hilfsarbeiter. Am 26.November 2000 geboren erlebte Tim in seinen ersten acht Tagen auf der Welt das pure Grauen. Schon vor der Geburt wurde er Opfer von Mamis Alkoholsucht., wog gerade mal 2240 Gramm bei der Geburt, hatte schmale lippen, kleine nase, kleinen kopf und einen klumpfuß. Seine Mutter erlebte Tim acht Tage, den Vater nur wenige Stunden. Das Ergebnis: fünf Kopfverletzungen, darunter zwei Schädelbrüche, dazu verletzungen am Knie und Bein. Das zumindest attestierte eine Rechtsmedizienierin im Prozeß.
Am 4.Dez. 2000 teilte Tims Mutter seinem Vater seine Geburt mit. In einer Schlichtwohnung "feierten" die Eltern dann mit Bekannten. Später fuhr das Paar mit Tim zu einer anderen Schlichtwohnung, wo der Vater damals lebte. Beim Anblick von Tims Klumpfuß soll der Vater gebrüllt haben: "Ich lasse mir kein verkrüppeltes Kind unterjubeln." Der Vater soll dann Tim genommen und gegen die Wand geschlagen haben, wahlweise auf den Fußboden geworfen, oder mit einem stumpfen Gegenstand malträtiert haben. Darauf legte sich die Rechtsmedizinerin fest. Der Mann selbst sagte im Prozeß, er sei mit Tim auf dem Arm gestolpert. Tim gaben seine betrunkenen Eltern (Vati: 2,23 Promille, Mami, 2,6 Promille) danach kurzerhand bei einer Nachbarin ab. "Nur mit einer Schädelöffnung konnte bei Tim die Gefahr des Todes beseitigt werden", beschrieb der Richter seinerzeit Tims Rettung im Krankenhaus Heide. Erstinstanzlich wurde der Mann wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Mißhandlung von Schutzbefohlenen und unter Einbeziehung einer Vorverurteilung (ebenfalls eine Gewalttat) zu 30 Monaten Haft verurteilt. In der Berufung gabs dann Freispruch.
Was zählt ein Leben? Wen interessierts? Im Prozeß kam nebenbei auch heraus, dass einer der beiden Schädelbrüche älteren Datums war, also nicht in der Tatnacht beigefügt wurde. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes Heide hatte den Säugling und seine Mutter wenige Tage vor der Tat besucht und, wie es vor gericht hieß, nichts zu beanstanden gehabt.
ich berichte seit 12 Jahren aus den Gerichten Meldorf und Itzehoe. "Tim´s Grauen" war mein schlimmster Fall. Das Foto zeigt den Tatort. Dort wohnte der Vater, dort tranken die Eltern, dort wurde Tims Leben zerstört. Was aus dem Kind geworden ist, ist mir nicht bekannt.

Kommentare 3

  • Regina D-Tiedemann 21. August 2009, 17:52

    Na das ist ja echt heftig! Das wusste ich gar nicht. LG Regina
  • Jürgen Hartlieb 9. September 2008, 15:03

    Dieses Elend scheint mir für ein Foto zu groß. Ich empfinde aber, bei längerer Betrachtung des Bildes, eine Form von Ekel, der für mich durchaus etwas von der geschilderten Gewalt vermittelt. Gruß Jürgen
  • Funny Fusch 9. September 2008, 10:14

    ohne den text bleibt das foto das abbild eines tristen gebäudes, das man sich als wohnunterkunft allenfalls im balkan oder weiter ostwärts vorstellen möchte. der text macht betroffen, das foto nicht. Wie könnte man die wirkung eines fotos als fotografisches abbild steigern? vielleicht als serie, vielleicht als sw-bild; so wirkt es bewußt oder unbewußt etwas trivial.
    Lg FF

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