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Bastian Börker


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Luchsriss

An einem sonnigen Frühlingsmorgen erhielt ich unerwartet einen Anruf eines Bekannten. Er war soebend Zeuge gworden, wie ein Luchs auf der Bergwiese hinter seinem Haus einen Rehbock gerissen hat.
Ganz nervös von dieser unerwarteten Nachricht packte ich sofort meine Fotoausrüstung und machte mich schnellstmöglich auf den Weg zur beschriebenen Stelle.
Vielleicht hatte ich ja die Ehre, so meine Hoffnung, diesen scheuen Bewohner unserer Wälder noch am Tatort anzutreffen.
Während der Fahrt stieg meine Anspannung immer weiter..
Doch kurz nach meiner Ankunft kam die Enttäuschung, den "Erleger" traf ich nicht mehr an. An seine Stelle war mittlerweile ein Rotfuchs getreten, der sich nun am Riss zu schaffen machte.
Ziemlich schnell bekamen auch andere Prädatoren "Wind" von der leichten Beute und wollten ein Stück dessen ergattern.
Plötzlich traf ich statt des ersehnten Luchses, neben dem erwähnten Fuchs, auf ca. 10 Elstern, 3 Raben und 2 Bussarde.
Erfolgreich verteidigte der kräftige Fuchs zunächst die Beute gegen seine ungeladenen Gäste und so gelang es mir, ein paar Bilder dieser faszinierenden Szene zu schießen.
Schließlich wurde es dem Fuchs, wahrscheinlich durch die vielen Beobachter mit Hund die mittlerweile eingetroffen waren, zu bunt und er suchte fluchtartig das Weite.

Als der Platz verlassen war, machte ich mich auf zum Rehbock.
Präzise wie mit einer Rasierklinge hatte der Fuchs kurz vor seiner Flucht den Kopf des Bocks abgetrennt und diesen mit ins Dickicht des nahen Waldes geschleppt.
Immerhin hatte er etwas davon, denn der Luchs selbst war leer ausgegangen. Wahrscheinlich war der Schock über seinen plötzlichen, menschennahen Standort größer, als der Hunger.

Kurze Zeit später traf dann auch der zuständige Revierpächter ein.
Er erzählte mir von seinen bisherigen Beobachtungen im Bezug auf den "Neuling" Luchs und gab mir interessante Informationen zur momentanen "Reviersituation".
Es war, so erfuhr ich, bereits der dritte Bock der innerhalb seines Reviers von einem Luchs gerissen wurde.

Wir entschlossen uns schließlich dazu, den Kadaver mit vereinten Kräften ins nahe Dickicht zu ziehen und ihn dort aufzubrechen.
Parallel zur "Bergung" wurde der zuständige Mitarbeiter des Luchs-Schutzprogrammes Harz über das Ereignis informiert.
Dieser entschied sich dazu, eine Falle aufzustellen um den Luchs bei seiner erhofften Wiederkehr zum Riss zu fangen.
Der Grund hierfür ,das Tier hatte laut eindeutigen Aussagen noch kein Senderhalsband.
Da immer noch viele Informationen über Lebens- und Fortpflanzungsweise sowie das Sozialverhalten dieser Prädatoren fehlen, ist diese Aufgabe, zur Besenderung und Genanalyse per Haar- oder Blutprobe enorm wichtig um Erkentnisse für die Zukunft bzw. die Rückkehr dieses einst heimischen Raubwildes zu gewinnen.
Am nächsten Tag sollte dann eine Kontrolle der Falle durch ihn erfolgen zu der ich ebenfalls eingeladen wurde.

Bei der Kontrolle der Falle stellte sich dann folgende Lage da:
Falle leer, Köder weg!

Trotz alledem kann ich mit immer wieder aufflammender Faszination sagen, es war mein schönstes Erlebniss mit dieser bedrohten europäischen Großkatze.

Nachtrag:
Es war nicht nur ein schönes Ereignis, sondern auch eins, das wirklich stattgefunden hat.
Trotz vieler Stunden im "Revier" und der Hilfe von Wildkameras ist es mir noch nicht gelungen, Auge in Auge mit einem Luchs zu stehen. Selbst die Wildkameras haben erst wenige Bilder der scheuen Katze geliefert.
Um so erstaunlicher finde ich es, wie oft Andere dieses Glück haben. Manche sehen sie fast täglich, andere sehen gleich drei auf einmal. Es ist schier unglaublich bzw. mehr als unglaubwürdig.
Oft erzählen mir die Leute nur davon, um Eindruck zu schinden oder anzugeben. Denn man muss ja dem Naturfotografen zeigen wie toll man selbst ist, wie blöd er ist oder ihn beeindrucken.
Leute, darauf kommt es mir nicht an. Erzählt mir lieber das, was ihr wirklich erlebt oder ebend nicht erlebt hat. Gerne höre ich zu und schwärme mit euch. Doch von Märchen halte ich nix.

Kommentare 4

  • Bastian Börker 3. September 2012, 22:27

    Das ist korrekt. Der Schädel wurde vom Fuchs abgetrennt. Bei Luchsen wurde solch ein Verhalten noch nicht beobachtet.
  • cinclus 3. September 2012, 18:17

    Eine sehr schöne Doku, aber bei einem Luchsriss ungewöhnlich das der Schädel fehlt!!! Lg Jens
  • Eberhard Babig 8. September 2011, 11:45

    Ich finde es toll wie du dich für unsere einheimischen Tiere einsetzt. Mach weiter so, auch mit solchen lesens,- und anschaungswerten Dokus wie hier.
    Gruss Eb
  • Markus M.K. 15. Juli 2011, 12:05

    Spannende Dokumentation,gut gefällt mir auch Deine ausführliche Beschreibung der Situation aus der Deine Aufnahme entstand,danke dafür
    Gruß übern Berg und ein schönes Wochenende
    Glückauf !
    Markus

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