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Gullydeckel in der Bierstraße von Qingdao

Gullydeckel in der Bierstraße von Qingdao

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Siegmar v. L.


Premium (World), Münster - (Shanghai) - Buenos Aires

Gullydeckel in der Bierstraße von Qingdao

Die Welt am 25. März 2015 schreibt:

Deutsche brachten die Gullydeckel nach China. Kolonialbeamte führten sie einst mit dem Bau einer Kanalisation nach europäischem Vorbild in der Hafenstadt Qingdao ein. In deren Altstadt finden sich viele der alten Kanaldeckel, die die Einwohner Qingdaos lautmalerisch weiter "Gu-Li" nennen und deren deutsche Aufschriften noch immer lesbar sind.

Die Stadtverwaltung beklagte alarmiert einen neuen Klaurekord. Bis Ende Oktober fehlten bereits 3000 Gullydeckel mehr als im ganzen Vorjahr. Mit Vorliebe plündern die Diebe Pekinger Abriß- und Neubaugebiete aus. Dort können sie sogar tagsüber ungestört die 30 Kilo schweren Eisendeckel abtransportieren. Normalerweise schlagen sie aber nachts zu.

Was nicht niet- und nagelfest ist, wird auf Dreiradkarren mitgenommen. In Hinterhofklitschen der Alteisenhändler, die je nach Gewicht bis zu fünf Euro pro Deckel zahlen, landen auch Bronzefiguren oder Kupferleitungen. Längst ist der Gullydeckel-Klau zur landesweiten Plage Chinas geworden. Kanton meldete bis Ende Oktober 12 000 gestohlene Abdeckungen. Wuhan läßt seine Verschlüsse mit Ketten sichern. Tianjin setzt wenig haltbare Betondeckel ein. Suzhou droht mit drei Jahren Haft, und Shenyang setzt 50 Euro Belohnung aus für die Anzeige eines Diebs. Erfolge sind bescheiden. Pekings Polizei hat Hilfsstreifen eingesetzt, die in den Bezirken 24 Stunden lang die Deckel fest im Auge halten. 1052 Täter konnten sie dieses Jahr auf frischer Tat ertappen. 327 "schwarze Nester", wie die Schrottplätze der Händler genannt werden, wurden geschlossen. Die "Hauptstadtzeitung" richtete ein Lesertelefon ein. Sie will die Erlebnisse von Leuten drucken, die in die Löcher gefallen sind.

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